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Rajoy erwartet Lösungen von Europa

Die Madrider Regierung demonstriert nach Spaniens Herabstufung durch Standard & Poor’s Selbstbewusstsein gegenüber der EU: Die EZB solle Staatspapiere von Mitgliedsstaaten aufkaufen, fordert Ministerpräsident Rajoy. Vor allem Deutschland lehnt eine solche Maßnahme bislang ab.

Von Hans-Günter Kellner | 16.01.2012
    Die Schuldenkrise ist ein europäisches Problem und muss auf europäischer Ebene gelöst werden. Dies ist die Haltung der neuen spanischen Regierung. Ministerpräsident Mariano Rajoy erwartet darum aus Brüssel mehr als immer neue Aufforderungen zum Sparen:

    "Das ist nicht nur unser Problem. Das betrifft viele. Ich werde am 30. Januar an der Sitzung des Europäischen Rats teilnehmen. Ich werde dort den Euro ganz eindeutig und nachhaltig verteidigen. Ich werde dort sagen, dass niemand mehr ausgeben darf, als er einnimmt. Dass die Haushaltsdefizite kontrolliert werden müssen. Dass alle Länder Europas Wirtschaftsreformen brauchen. Und ich werde auch sagen, dass Europa die Probleme der Finanzierung lösen muss."

    Rajoy, der sich sonst gerne in Andeutungen verliert, nimmt beim Thema Entspannung der Finanzmärkte die EU in die Pflicht. Bisher lehnt es vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel ab, dass die EU eigene Anleihen ausgibt oder dass die Europäische Zentralbank Staatspapiere von Mitgliedsstaaten direkt aufkaufen kann. In Spanien wird diese Weigerung zunehmend mit Kopfschütteln aufgenommen. Volkswirt Fernando Pampillon von der Sparkassenstiftung Funcas meint zum Aufkauf von Staatsanleihen:

    "Das macht die US-Notenbank, die Bank von England, die Notenbank Japans. Aber der EZB wird es ausdrücklich verboten, weil ihr Hauptaugenmerk auf der Preisstabilität liegen soll. Sie soll kein anderes Ziel verfolgen. Dabei wäre es nach meiner Ansicht grundlegend, dass die EZB ebenfalls diese Rolle übernimmt und Staatsanleihen direkt bei den Staaten kauft und so stabilisierend in dieser Krise wirkt. Die jetzige Situation ist für ganz Europa sehr teuer. Deutschland dagegen profitiert von den hohen Risikoaufschlägen, die andere zahlen müssen. Die Finanzierungskosten für Deutschland sind sehr niedrig."

    Und trotz aller Kritik: Rajoy will auch weiter auf Sparkurs blieben. Schon vor wenigen Wochen hat er Kürzungen und Steuererhöhungen verkündet. Nun will er das Defizit um bis zu 37 Milliarden Euro reduzieren. Die Opposition und die Gewerkschaften warnen, Spanien könne sich damit noch tiefer in die Krise hineinsparen. Doch der Regierungschef bleibt hartnäckig:

    "In wenigen Wochen werden wir ein Haushaltsstabilitätsgesetz haben. Das heißt, die Ausgaben und Schulden aller öffentlichen Verwaltungen, auch von Regionen und Kommunen, werden begrenzt. Sie können nicht mehr diese Unsummen ausgeben, wie in den vergangenen Jahren. Wir werden die Zahl der staatlichen und regionalen öffentlichen Behörden und der öffentlichen Stiftungen spürbar reduzieren. Derzeit sind das mehr als 4000 in ganz Spanien. Das kann nicht sein."

    Zudem möchte Rajoy Banken und Sparkassen verpflichten, ihre unverkäuflichen Immobilien korrekt zu verbuchen. Der Wert von Häusern, Wohnungen und Baugrund ist seit Beginn der Krise nach jüngsten Schätzungen um ein Viertel eingebrochen. Die spanische Regierung hat die Kosten einer korrekten Bilanzierung vor wenigen Tagen auf 50 Milliarden Euro geschätzt und die Banken aufgefordert, dafür auf Renditezahlungen zu verzichten. Allerdings werden die Banken damit wohl auch die Kreditvergabe weiter einschränken. Rajoy macht zudem bei Gewerkschaften und Arbeitgebern mit seiner Forderung nach einer Arbeitsmarktreform Druck. Unternehmen in Schwierigkeiten sollen aus Flächentarifverträgen aussteigen können. Kommt es wider Erwarten nicht heute doch noch zu einer Einigung, will Rajoy die entsprechende Reform selbst vorlegen.:

    "Die Arbeitsmarktreform ist notwendig. Nicht, weil irgendjemand darum bittet. Sie ist notwendig, weil wir Arbeitsplätze schaffen müssen. Der derzeitige rechtliche Rahmen verhindert dies. Natürlich wird diese Reform alleine nicht für Arbeitsplätze sorgen. Sie ist kein Rezept, das in einer halben Stunde alle Probleme Spaniens löst. Aber sie ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung."

    Ein Schritt, der aber womöglich auch zu ersten Protesten gegen die Regierung Rajoy auf der Straße führen könnten. Im Parlament erwartet Spaniens Ministerpräsident hingegen keine Schwierigkeiten. Dort haben die Wähler seiner Volkspartei im November eine bequeme absolute Mehrheit beschert.