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Ramsauer (CSU) zur Bayern-Wahl
"Söder sollte beim Parteivorsitz zugreifen"

Nach den "katastrophalen Verlusten" für die CSU bei der Bayern-Wahl werde in der Partei automatisch eine Führungsdebatte einsetzen, sagte der frühere Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer im Dlf. Ministerpräsident Markus Söder sitze fest im Sattel und könne sich "den Parteivorsitz nicht nehmen lassen."

Peter Ramsauer im Gespräch mit Silvia Engels | 15.10.2018
    Der CSU-Politiker Peter Ramsauer vor einem Treffen der Unionsparteien in Berlin
    Der CSU-Politiker Peter Ramsauer erwartet nun stabile Verhältnisse in Bayern (AFP / John MACDOUGALL)
    Silvia Engels: Am Telefon ist nun der frühere Bundesverkehrsminister und ehemalige Landesgruppenchef der CSU, Peter Ramsauer. Guten Morgen, Herr Ramsauer!
    Peter Ramsauer: Guten Morgen.
    Engels: Welche Ursachen sehen Sie denn für diese historischen Verluste Ihrer CSU?
    Ramsauer: Zunächst mal ein Wort zu dem, was Herr Watzke soeben sagte. Ich gebe Herrn Watzke in allen Einschätzungen vollkommen recht. Ich unterschreibe das alles so. Nur, um mein Stimmungsbild auch gleich mal an den Anfang zu setzen.
    Was die Ursachen anbelangt, da muss man natürlich weit, weit ausholen. Es haben sich im traditionellen CSU-Wählerlager viele, viele Ärgernisse angesammelt über die vielen, vielen Jahre, die jetzt zum Überschwappen gekommen sind. Ein wesentliches Momentum, mit dem wir uns auch als CSU auseinandersetzen müssen, genauso übrigens wie die SPD in Bayern, dass es bei den Volksparteien traditionell bröckelt. Das haben wir in anderen europäischen Ländern schon gesehen; das ist jetzt auch in Deutschland wohl ein kaum umkehrbarer Trend.
    Dieser Angriff auf die Volksparteien ist ganz ohne Zweifel in den vergangenen drei Jahren erheblich zu Lasten der gesamten Unions-Parteien verstärkt worden durch die Flüchtlingskrise. Hier ist 2015 im Herbst etwas losgetreten worden, worunter wir bis heute leiden, und Horst Seehofer hatte damals recht, als er sagte, das wird uns viele Jahre schwerst erschüttern. Aber das ist nur in wenigen Sätzen, in einigen Ansätzen der eine oder andere Erklärungsversuch. Das wird alles viel tiefer zu diskutieren sein.
    "Es ist völlig klar, dass nun eine Führungsdebatte einsetzt"
    Engels: Wenn Sie sich jetzt in so vielen unserem Landeskorrespondenten Michael Watzke in dessen Analyse anschließen, dann gilt das auch dafür, dass Sie denken, dass Horst Seehofer sich über kurz oder lang nicht mehr im Amt halten kann?
    Ramsauer: Es ist völlig klar, dass in einer solchen Situation, bei so dramatischen, katastrophalen Verlusten für eine Partei automatisch eine Führungsdebatte einsetzt. Und wie wir gehört haben, in Ihrer Anmoderation und auch bei Herrn Watzke, hat ja gestern Abend offensichtlich diese Debatte schon begonnen. Markus Söder sitzt fest im Sattel, und nur noch eines: Wenn hier debattiert wird, wer würde denn gegebenenfalls den Parteivorsitz übernehmen können, dann kann in meiner Erfahrung und Gesamteinschätzung der Lage Ministerpräsident Markus Söder sich den Parteivorsitz nicht nehmen lassen. Da muss er selbst zugreifen, wenn sich diese Situation stellen sollte.
    Engels: Das heißt, Sie wären gegen einen Vorsitzenden Manfred Weber, dem ja auch Ambitionen nachgesagt werden, sondern Sie würden sich im Fall der Fälle für Markus Söder entscheiden?
    Ramsauer: Wissen Sie, ich habe über viele Jahrzehnte eine extrem starke Erfahrung, was unsere Partei anbelangt. Ich bin doch nicht gegen jemand. Ich bin sicher nicht gegen meinen Freund Manfred Weber. Ich beschreibe nur die Situation, wie sie sich stellt ganz konkret, dass ein Ministerpräsident Markus Söder, wenn er eine neue Regierung bildet und sollte sich die Frage eines Wechsels im Parteivorsitz stellen, sich im Angesicht des gesamten Kräfteverhältnisses der Machtkonstellationen, dass er sich den Parteivorsitz nicht nehmen lassen kann.
    Engels: Sollte sich die Frage des Parteivorsitzes stellen – das haben Sie jetzt noch mal angesprochen -, wie ist denn Ihre persönliche Meinung? Sollte Horst Seehofer dieses Amt des CSU-Parteivorsitzenden niederlegen?
    Ramsauer: Zu dieser Antwort bringen Sie mich jetzt garantiert nicht. Denn egal was ich sage, wird das wieder umgedreht und gesagt: Na ja, nur weil der Ramsauer so und so denkt, da reagiert er jetzt bei dem Namen Seehofer so und so. Nein, nein, das lassen wir mal weg.
    Engels: Das lassen wir mal weg. Aber es ist doch nichts, was Sie alleine beschäftigt, auch wenn Sie aus der Vergangenheit heraus vielleicht mit der einen oder anderen Personalentscheidung von Horst Seehofer unglücklich waren, weil Sie darunter auch gelitten haben. Aber mit Blick auf die Gesamtpartei, für die Sie ja Verantwortung tragen, was hören Sie denn aus der Basis heraus? Ist da der Wunsch, dass Seehofer geht, groß?
    Ramsauer: Ich habe vorhin schon gesagt, was Herr Watzke dazu gesagt hat, unterschreibe ich voll und ganz, und das deckt sich mit meinen Erfahrungen aus den letzten Wochen und Monaten, auch mit dem, was ich gestern Abend in einem breiten Feld von Wahlkämpfern und Vertretern der Parteibasis gehört habe.
    Engels: Horst Seehofer hat ja gestern Abend auch gesagt, er wolle bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen in Bayern auch ein Stück weit mitreden. Sollte er das?
    Ramsauer: Es ist das Natürlichste der Welt, dass Koalitionsverhandlungen zwischen Parteien geführt werden. Ich war selbst auf Bundesebene an einer Reihe von Koalitionsverhandlungen beteiligt. Koalitionsverhandlungen werden nicht von Fraktionen geführt, sondern von Parteien und damit von den Parteivorsitzenden. Das ist ein völlig normaler Vorgang, auf den Horst Seehofer hingewiesen hat.
    Engels: Wird das denn zukunftsweisend genug sein? Sonst könnte man sich ja auch vorstellen, dass Horst Seehofer vielleicht das Amt des Parteivorsitzenden abgibt, aber Innenminister in Berlin bleibt.
    Ramsauer: Na ja, das ist jetzt sehr viel Kaffeesatz-Leserei und ins Detail hinein. Die Position Innenminister in Berlin ist natürlich gebunden an den Parteivorsitz beziehungsweise umgekehrt, und insofern hat all das, was da jetzt geschehen sollte, natürlich Rückwirkungen auf das Regierungshandeln und auf die Konstellationen der CSU in Berlin.
    Aber noch mal: Koalitionsverhandlungen werden geführt von Parteien, damit von den Parteivorsitzenden, und wenn Parteivorsitze und Ministerpräsident verteilt ist auf zwei Personen, dann muss der Ministerpräsident natürlich genauso pari pari in die Koalitionsverhandlungen eingebunden sein, denn er ist als Regierungschef derjenige, der hinterher diese verabredete Politik auch in Regierungshandeln umsetzen muss.
    "Merkel muss heute an vielen Fronten gegen ungeheure Kräfte ankämpfen"
    Engels: Dann schauen wir noch mal weiter nach Berlin. Sie haben es ja in Ihren ersten Antworten deutlich gemacht: Sie sehen neben anderen Problemen für die Volksparteien generell auch die Entscheidung von Angela Merkel in Sachen Flüchtlingspolitik 2015 als Mitursache dafür, dass die Probleme bis heute fortbestehen. Nun haben wir am Wochenende auch Wolfgang Schäuble gehört. Er hat ja gesagt, dass Bundeskanzlerin Merkel geschwächt sei. Es könnte zu Diskussionen und Erschütterungen kommen. Hat Angela Merkel Ihrer Meinung nach noch genug Kraft als Parteichefin und im Kanzleramt?
    Ramsauer: Wenn ich heute genau diese Frage vergleiche mit früheren Situationen, dann muss man einfach feststellen, dass Angela Merkel heute an vielen, vielen Fronten gegen ungeheure Kräfte ankämpfen muss, die, was Flüchtlingspolitik und deren Folgen anbelangt, sie sich natürlich selbst eingebrockt hat. Aber nach der Hessen-Wahl in von jetzt gerechnet 13 Tagen wird man weitersehen. Wenn sich hier der Trend fortsetzt, wird die Führungsdebatte natürlich innerhalb der CDU auch die Parteivorsitzende Angela Merkel noch stärker erreichen, als das ohnehin bisher schon der Fall ist, was ich aus dem CDU-Teil unserer gemeinsamen Bundestagsfraktion heraushöre.
    Engels: Dann schauen wir auf die Hessen-Wahl. Volker Bouffier, der Ministerpräsident von der CDU, hat sich auch geäußert. Er hat gesagt, die "CSU hat die Union in der letzten Zeit viel Vertrauen gekostet". Stimmen Sie zu?
    Ramsauer: Na ja, ich will meinem Freund Volker Bouffier da nicht in die Parade fahren. Wissen Sie, da gibt es nicht nur eine Wahrheit. Das kann man so sehen und so sehen. Ich will mich da nicht zum Oberrichter machen. Aber natürlich hätte in den vergangenen sechs oder acht Monaten manches wesentlich besser auch innerhalb der Union laufen können. Das stimmt.
    Engels: Nach der Hessen-Wahl – das erwarten viele – wird noch mal grundsätzlich diskutiert. Ist vielleicht dann auch ein Zeitplan, wie lang Horst Seehofer noch CSU-Parteichef bleibt, eine gute Idee?
    Ramsauer: Ach, das sind Debatten, die führen zum jetzigen Zeitpunkt völlig in die Irre. Mich beschäftigt vielmehr die Frage, wie wackelig dann auch die SPD in Berlin wird. Ich halte das für eine vordringliche Frage, dass die SPD möglicherweise aus der Großen Koalition ausschert, weil es immer mehr Kräfte dort gibt, die sagen, schlimmer als es jetzt innerhalb der Koalition ist, kann es in der Oppositionsrolle auch nicht sein.
    Engels: Und dass Angela Merkel noch einmal im Dezember als Parteichefin für die CDU antritt, das halten Sie für ausgemacht?
    Ramsauer: Das ist eine Sache der CDU. Aber in Anbetracht der obwaltenden Umstände gäbe es auch gute Gründe, mit einer weitreichenden Entscheidung neue Türen und Möglichkeiten zu öffnen.
    "Da trifft sich gleiches Gedankengut"
    Engels: Erwarten Sie nun stabile Verhältnisse mit den Freien Wählern in Bayern?
    Ramsauer: Absolut! Wir kennen die Freien Wähler. Sie sind über viele, viele Jahrzehnte mehr oder weniger immer schon der natürliche Partner der CSU auf der kommunalen Ebene gewesen und sind zum Teil auch organisatorisch und personell aus der CSU hervorgegangen. Da trifft sich gleiches Gedankengut, gleiche Weltanschauung, gleiche Grundeinstellungen. Ich glaube, man kann mit einem solchen stabilen bürgerlichen Bündnis exzellente Politik für Bayern machen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.