Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Ran an die Spitzenkräfte

Zu wenig Absolventen in den Ingenieur- und Naturwissenschaften, darüber klagen viele Unternehmen in Deutschland. Und von diesen Absolventen haben auch längst nicht so viele einen Doktortitel wie sich Industrie und Wissenschaft wünschen. Mit verschiedenen Programmen versuchen Hochschulen und Forschungsinstitute deshalb, ausländische Doktoranden nach Deutschland zu locken - in der Hoffnung, sie für den deutschen Markt zu gewinnen. Mehr als 160 Vertreter von Universitäten und Forschungseinrichtungen haben gestern bei einer Tagung des DAAD darüber diskutiert, wie sie ausländische Doktoranden gezielt nach Deutschland locken können.

Von Britta Mersch | 29.06.2007
    Eine erste Bilanz klingt ernüchternd. Nur 14 Prozent aller Doktoranden in Deutschland kommen aus dem Ausland. Zum Vergleich: USA, Frankreich und Großbritannien stehen weit besser da. In diesen Ländern stammen mehr als ein Drittel der Promovenden aus einem anderen Land. Von einem speziell deutschen Problem möchte Christian Bode, Generalsekretär des Deutschen Akademischen Austauschdienstes DAAD, aber trotzdem nicht sprechen.

    " Wir liegen etwas zurück, was die Attraktivität für internationale junge Wissenschaftler betrifft. In einzelnen Disziplinen machen sich hier auch Engpässe breit. Ich könnte es aber auch positiv mal so formulieren: Wir haben durch die Forschungsförderung, durch die Exzellenzinitiative, durch neue Initiativen auch außerhalb der Universitäten, (...) mehr Möglichkeiten, jetzt gute junge Forscher an uns zu binden. Wir rechnen mit ungefähr 6.000 Plätzen, die in neuer Form in der Promotion angeboten werden können. Da muss es unser Interesse sein, die besten aus der Welt dorthin zu bekommen. "

    Mit diesem neuen Weg in der Promotion meint Christian Bode eine Ausbildung fernab von der mal mehr, mal weniger guten Betreuungssituation durch Doktorvater oder Doktormutter. Die neuen Angebote sollen deutsche und ausländische Nachwuchskräfte gleichermaßen fördern. Wie bei den Graduiertenschulen, die im Rahmen der Exzellenzinitiative ins Leben gerufen werden. Nachwuchsforscher aus dem In- und Ausland arbeiten hier im besten Fall gemeinsam in interdisziplinären Netzwerken. Das allein reiche aber noch nicht aus, sagt Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft. Auch die Rahmenbedingungen müssten verändert werden.

    " Das ist einerseits das Thema Gehaltsgefüge. Wir müssen flexibler werden, auch bei dem Vergütungssystem. Wir müssen international wettbewerbsfähig bezahlen können. Das fängt bei den Doktoranden an und hört bei den Spitzenwissenschaftlern auf. Wir müssen denen auch eine Perspektive geben für ein berufliches Leben in Deutschland. "

    Und auch in anderen Punkten könne sich Deutschland im internationalen Wettbewerb um die besten Doktoranden durchaus noch verbessern. Etwa was die Berufsaussichten nach der Promotion betrifft, sagt Jürgen Mlynek.

    " Wir haben bei Helmholtz Nachwuchsgruppen eingerichtet, 70, es werden hundert werden, wo man ohne Habilitation auch eigenständig mit einer eigenen Arbeitsgruppe im Alter von Anfang 30 arbeiten kann. Was ich mir wünschen würde ist, dass sich damit eine längerfristige Perspektive verbindet, beruflich. Dass die, die gut sind, und die man halten möchte nicht nur Verträge bekommen mit ein oder zwei Jahreslaufzeiten, sondern dass die eine Perspektive bekommen, gerade auch, was Wissenschaftlerinnen betrifft. "

    Schließlich sei das Potenzial speziell der weiblichen Nachwuchskräfte bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Es gibt aber auch viele Positivbeispiele, was die Doktorandenausbildung angeht. Das Max-Planck-Institut hat etwa bundesweit bereits 49 so genannte International Research Schools eingerichtet. Das sind Promotionsprogramme, bei denen die Hälfte der Doktoranden aus dem Ausland kommt. Davon profitieren deutsche und ausländische Wissenschaftler gleichermaßen, sagt Ralf Petri, der Koordinator der Research School für molekulare Pflanzenwissenschaft in Köln.

    " Wir versuchen, dass die sich auch gegenseitig helfen, Verbindungen zuschaffen, Netzwerke zu schaffen, weil die alle durch das gleiche Problem durchlaufen. Am Anfang ist alles interessant und neu und spannend und irgendwann kommt dieses Loch, wenn es mit der Arbeit vielleicht gerade stockt oder man feststellt, man ist doch nicht im Heimatland, sondern einer fremden Umgebung und es ist doch alles nicht so einfach. Und durch diese Löcher den Studenten durchzuhelfen, dafür ist eine solche Struktur wichtig. "

    Mit derartigen Konzepten, so hoffen die Verantwortlichen, kann sich Deutschland auch in anderen Ländern positionieren - und so, im Idealfall, die besten Köpfe aus dem Ausland gewinnen. Es ist also auch eine Frage der richtigen Vermarktung, die Hochschulen und Forschungszentren gemeinsam angehen wollen. Die Bilanz der Tagung lautet deshalb wie so oft: Es hat sich in den vergangenen Jahren schon einiges getan. Und trotzdem muss noch viel passieren. DAAD-Generalsekretär Christian Bode ist zuversichtlich.

    " Wir müssen nur mutig genug, selbstbewusst genug, auch etwas mit neuen Ideen an die jungen Leute ran und dann können wir uns bei den Besten der Welt wohl zeigen lassen. "