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Rasanter Aufstieg
Irlands volle Kassen

Noch 2010 stand Irland kurz vor dem Bankrott. Nur internationale Hilfskredite konnten das Land vor der Staatspleite bewahren. Nach fünf Jahren harter Sparpolitik präsentiert die Regierung heute einen fast ausgeglichenen Haushalt- ein Vorzeigebeispiel im europäischen Vergleich.

Von Martin Alioth | 06.01.2016
    Die Innenstadt von Dublin am 10.06.2015
    Musterknabe Irland: Die Wirtschaft wächst wieder. (picture-alliance / dpa / Frank Baumgart)
    Fünf Jahre lang haben zwei Kabinettsminister mit dem irischen Defizit gerungen: Brendan Howlin von der kleinen Labour-Partei war für die Ausgaben zuständig, Michael Noonan von der bürgerlichen Fine-Gael-Partei für die Einnahmen. Die unumgängliche Rosskur kam einer Herkules-Aufgabe gleich. Howlin blickte gestern auf das düstere Jahr 2010 zurück, als Irland seine Souveränität an internationale Kreditgeber aus Brüssel, New York und Frankfurt verloren hatte. Damals stand das um einmalige Ausgabenposten bereinigte Budgetdefizit bei elf Prozent der Wirtschaftsleistung
    In absoluten Zahlen habe der Fehlbetrag damals bei 18,7 Milliarden Euro gelegen. Im gerade erst zu Ende gegangenen Jahr lag er bei gerade noch 62 Millionen. - Das entspricht unter Brüdern einem ausgeglichenen Haushalt, schließt allerdings einmalige Zuflüsse mit ein, wie beispielsweise die ersten Rückzahlungen von geretteten Banken. Doch der Herr über die Steuern, der politische Veteran Noonan, klammerte diese dann aus.
    Selbst dann ergebe sich für das Jahr 2015 eine Verbesserung der Netto-Position um rund 5 Milliarden Euro. Das offizielle, EU-verträgliche Defizit hätte demnach etwa anderthalb Prozent der Wirtschaftsleistung betragen, dieses Jahr soll es auf unter ein Prozent gedrückt werden.
    Die neuen Zahlen seien also, ergänzte Howlin unbescheiden, wirklich bemerkenswert. - Verantwortlich für diese Aufhellung ist das rasante Wirtschaftswachstum. Doch Minister Noonan bestritt, dass seine Projektionen auf einer erneuten Blase beruhten.
    Mehr Einnahmen durch Köperschaftssteuer
    Obwohl die irische Wirtschaft im abgelaufenen Jahr um etwa 7 Prozent gewachsen sei, habe er für das laufende Jahr nur etwa viereinhalb unterstellt. Er liess durchblicken, dass er tatsächlich mehr erwartet und das Defizit womöglich schon dieses Jahr beseitigen könnte. Dieses in Europa einmalige Wachstum wird erstmals auch vom privaten Konsum und den Investitionen getragen. Doch die Exportwirtschaft, die weitgehend von multinationalen Unternehmungen kontrolliert wird, bleibt ein tragender Pfeiler. 2015 spülte die Körperschaftssteuer dem Staat mehrere Milliarden zusätzlich in die Kassen. Ob das wohl die Kritik am tiefen irischen Körperschaftssteuersatz neu entfachen könnte?
    Der Satz von 12,5 Prozent sei nicht verhandelbar für die irische Regierung, stellte Noonan fest. Das werde sich nicht ändern und er gedenke nicht, sich dafür zu entschuldigen.
    Musterknabe für harte Sparpolitik
    Tatsächlich mag Irland sogar von den sich abzeichnenden Bemühungen um eine globale Reform der multinationalen Besteuerung profitieren: Im letzten Jahr haben einige dieser digitalen Konzerne ihre Patentrechte aus karibischen Oasen nach Irland verschoben und zahlen jetzt etwas mehr Steuern als zuvor. So ist Irland nach sehr mageren und schwierigen Jahren wieder zum Musterknaben geworden, zum Vorzeigebeispiel für die Vertreter einer harten Sparpolitik. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Modell kritiklos auf andere Länder übertragen werden könnte.