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Rassismus in Kleingartenanlage
Unfrieden in der Kolonie "Frieden"

Wer Muslim ist, kann sich in einer Kleingartenkolonie in Berlin-Tempelhof vergeblich um eine Parzelle bewerben. Der Verein möchte nur noch Menschen mit deutscher Herkunft aufnehmen. Viele der türkischen Nachbarn in der Kolonie wollten sich nicht in das Vereinsleben integrieren, so die Begründung. Beim Türkischen Bund Berlin-Brandenburg sorgt das für Unmut.

Von Susanne Arlt | 06.07.2016
    Eine DDR-Fahne und eine Deutschland-Flagge wehen an einem Fahnenmast in der Kleingartenanlage "Samtenser Frühling" in Samtens auf der Ostseeinsel Rügen.
    Kleingärten gibt es überall in Deutschland - in Berlin und Hamburg sind sie in Relation zur Bevölkerung besonders verbreitet. (dpa / picture alliance / Stefan Sauer)
    So richtig idyllisch liegt die Kleingartenkolonie "Frieden" in Berlin-Tempelhof nicht wirklich. Ein Autobahnzubringer zerschneidet die 203 Parzellen in zwei gleich große Hälften. Trotzdem wollte Kenan I. genau hier eine Laube samt Grundstück pachten. Anfangs liefen die Gespräche mit dem Kleingartenverband noch gut, aber dann, nach ein paar Monaten, kam plötzlich die böse Überraschung: Er könne die Laube nun doch nicht haben. Sein türkischer Migrationshintergrund sei der Grund, der störe das soziale Gefüge in der Kolonie Frieden.
    Kenan I. fühlte sich ziemlich vor den Kopf gestoßen
    "Da wurde ihm dann nach einigem Hin und Her zwischen dem Verein und dem Bezirksverband gesagt, dass er dort diese Laube nicht bekommt, weil er Moslem und nicht deutscher Herkunft sei", erzählt Kerstin Kühn vom Türkischen Bund Berlin-Brandenburg. Kenan I., der in Wirklichkeit anders heißt, fühlte sich ziemlich vor den Kopf gestoßen und wandte sich daraufhin an das Antidiskriminierungsnetzwerk. Da er mit dem Deutschlandfunk nicht direkt reden möchte, übernimmt dies für ihn Kerstin Kühn. Für die Juristin liegt hier ganz klar ein Fall von Diskriminierung vor. Genau wie bei Emine Ö., einer weiteren Pachtinteressentin, der es in der Kleingartenkolonie "Frieden" ganz ähnlich erging wie Kenan I.
    "Das sind natürlich eindeutig rassistische Kriterien. Also es geht nicht um die Staatsbürgerschaft, es geht nicht darum, wie lange sie schon hier ist, oder wie gut sie integriert ist, sondern es geht um rassistische Merkmale."
    Auch Emine Ö. heißt in Wirklichkeit anders, auch sie möchte nicht direkt mit dem Deutschlandfunk reden. Die Berlinerin mit türkischen Wurzeln habe sich monatelang um eine bestimmte Parzelle in der Kolonie bemüht, erzählt Kerstin Kühn. Sie nach anfänglichen Versprechungen dann aber doch nicht bekommen. Weil sie keine Begründung erhielt, wandte sie sich an den Bezirksverband der Kleingärtner Tempelhof, eine Art Dachverband. Dort erhielt sie dann die erstaunliche Information.
    "Dass dieser Verein eben eine Quote eingeführt habe und keine Menschen nicht deutscher Herkunft mehr aufnehmen will. Und sie hat sich dann erkundigt, was ist, wenn ich mir einen deutschen Pass machen lasse, ich habe eigentlich Anspruch auf einen deutschen Pass, und der Vorstand vom Bezirksverband hat ihr dann gesagt, nein, kein deutscher Pass, deutsche Herkunft, das sei das Kriterium, um aufgenommen zu werden oder nicht.
    Das Vereinsleben schützen?
    Nachdem der Türkische Bund Berlin-Brandenburg beide Fälle öffentlich gemacht hat, herrscht ziemlicher Unfrieden in der Kolonie Frieden. Die Medien berichteten viel zu einseitig, ärgern sich die Laubenpieper und müssen jetzt Aufkleber mit beleidigenden Sprüchen von ihren Gartenzäunen kratzen. Das ärgert den Vereinsvorsitzenden Helmut Matthes. Gemeinsam mit zehn Mitstreitern sitzt er jetzt um einen alten Holztisch vor dem Vereinsheim. Man habe niemanden diskriminieren, sondern nur das Vereinsleben schützen wollen, sagen alle unisono.
    Helmut Matthes zieht ein Papier aus einem Aktenordner. In dem Schreiben bat er den Vorstand des Bezirksverbands der Kleingärtner Tempelhof, künftig Bewerber nicht deutscher Herkunft doch lieber an umliegende Kolonien zu vermitteln. Denn in ihrer liege der Ausländeranteil inzwischen bei 25 Prozent. Und viele von ihnen wollten sich einfach nicht in das Vereinsleben integrieren.
    "Jeder einzelne ist für sich nett, wir wollen ja, dass die zu uns gehören und an den Festlichkeiten teilnehmen, dass Zusammengehörigkeitsgefühl in meinen Augen, das wird von diesen Leuten nicht eingehalten."
    Natürlich gebe es auch deutsche Kolonisten, die lieber in ihrer Laube blieben, gibt Matthes auf Nachfrage zu. Trotzdem hätten hier viele deutsche Pächter das Gefühl, dass es gerade mit den türkischen Nachbarn immer mehr Reibungspunkte gebe. Die Migranten grillten mit Holz statt mit Holzkohle, führen mit ihren Autos direkt zu ihren Parzellen. All das sei aber verboten, sagt Matthes.
    Verein wünscht sich mehr Rücksichtnahme
    "Sonntagmittag wird Rasen gemäht und als er daraufhin vom Nachbarn angesprochen wird, da sagt er, was geht mich euer Feiertag an, interessiert mich nicht, wir haben unsere eigenen Feiertage. So etwas können wir in einer Gemeinschaft, in einem Verein nicht gebrauchen."
    Elke Knichalla gibt ihn Recht. Sie sitzt neben Matthes am Holztisch, fährt sich verärgert durch ihre Haare, spricht von mehr Rücksichtnahme. Das sommerliche Vereinsfest hätten sie ja auch nie während des Ramadans gefeiert, erzählt sie. Soviel Toleranz wünscht sie sich von manch türkischem Nachbarn.
    "Ist man in den Gärten drinne, wird man auch beschimpft, dass man mit einem Badeanzug läuft, weil es nicht geht. Bier trinken dürfen wir auch nicht, die wollen einfach nicht mit uns zusammenfeiern oder sich mal an einen Tisch setzen, das wollen die einfach nicht. Und das ist ja nicht Sinn der Sache. Wir wollen ja eine Gemeinschaft haben und wir wollen ja auch die Leute bei uns haben, aber nicht, wenn sie nicht mit uns wollen."
    Ein Konflikt, der sich offenbar nicht so leicht lösen lässt. Denn der Bezirksverband hat längst schon wieder einen Rückzieher gemacht. Den Passus, wonach eine unterschiedliche Behandlung der Bewerber möglich sei, um die soziale Mischung in einer Kolonie zu erhalten, hat er längst von seiner Internetseite genommen. Alles andere wäre diskriminierend.