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Rat zur Bescheidenheit

Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz warnt die Tarifpartner vor zu hohen Lohnsteigerungen. "Wir müssen diese moderate Tariflohnpolitik der vergangenen Jahre fortsetzen", sagte der Leiter des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Nur so könnten weitere Arbeitsplätze in Deutschland entstehen.

Moderation: Gerd Breker | 02.01.2008
    Gerd Breker: Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland ist im vergangenen Jahr auf den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung gestiegen. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hat dies heute mitgeteilt. Und die Statistiker sagen, zur positiven Entwicklung der Erwerbstätigkeit habe insbesondere die anhaltende gute konjunkturelle Lage beigetragen. Die Bundesregierung, so erfahren wir ebenfalls heute, rechnet im neuen Jahr nur noch mit einem Wirtschaftswachstum von knapp unter zwei Prozent. In Berlin hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung heute Vormittag einen Ausblick zur Wirtschaftsentwicklung in diesem Jahr abgegeben und sieht ein Wachstum von 2,1 Prozent vor.

    Am Telefon bin ich nun verbunden mit dem Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung, dem Wirtschaftsweisen Wolfgang Franz. Er ist Leiter des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Guten Tag, Herr Franz.

    Wolfgang Franz: Schönen guten Tag, Herr Breker.

    Breker: Mit Blick auf das kommende Jahr: Müssen wir uns Sorgen machen?

    Franz: Zunächst mal möchte ich Ihnen und den Hörerinnen und Hörern ein gutes Jahr 2008 wünschen und Sie ermuntern, eigentlich mit gedämpftem Optimismus in das Jahr 2008 nun zu gehen. Wir werden, wie wir das auch eben gehört haben, und ähnlich hat sich auch der Sachverständigenrat geäußert, in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum um die zwei Prozent bekommen. Der Sachverständigenrat hat 1,9 Prozent geschätzt, so ähnlich wie die Bundesregierung. Das DIW, wie Sie eben gesagt haben, liegt etwas darüber. Insgesamt gesehen haben wir nach wie vor eine Konjunkturdynamik, aber diese hat im Vergleich zum letzten Jahr etwas abgenommen. Und was besonders vorteilhaft ist, dass die Anzahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt rund 3,5 Millionen nur noch betragen wird. Das sind zwar viel zu viele, aber immerhin eine Million weniger im Vergleich vor einem guten Jahr. Und insofern ist der Aufschwung bei den Menschen angekommen, nämlich bei der Million Arbeitslosen, die jetzt einen Arbeitsplatz bekommen haben und darüber, vermute ich mal, sehr, sehr glücklich sind.

    Breker: Herr Franz, Sie sagen gedämpfter Optimismus. Was dämpft denn unseren Optimismus? Ist die amerikanische Immobilienkrise immer noch eine, die uns Sorgen machen muss?

    Franz: Ja, es sind mehrere Faktoren. Einen haben Sie jetzt gerade angesprochen, die Finanzmarktkrise. Wir werden jetzt, wenn die Bilanzen bei den Banken erstellt und veröffentlicht werden, feststellen, wie stark die einzelnen Bilanzen bei den Banken tatsächlich belastet sind. Aber ich fürchte, dass da noch etwas nachkommt. Und das liegt daran, dass bei diesen Hypothekardarlehen von geringer Bonität in den Vereinigten Staaten, also diese sogenannten subprime mortgages, dass da in dem Verlauf der nächsten Wochen und Monate noch Zinsanpassungen nach oben erfolgen, weil das so vertraglich vereinbart ist, und dass dann verschiedene Hausbesitzer, die diese Hypotheken in den Vereinigten Staaten in Anspruch genommen haben, zahlungsunfähig werden, woraus dann resultiert, dass eine höhere Ausfallwahrscheinlichkeit dieser Kredite erfolgt. Und das könnte noch mal die Finanzmärkte in etwas Unruhe versetzen. Aber ansonsten gehe ich davon aus, dass wir Mitte dieses Jahres das Schlimmste bei der Finanzmarktkrise überstanden haben. Hinzu kommen noch andere Unsicherheitsfaktoren, also beispielsweise der Euro-Kurs. Der macht nach wie vor Sorgen insbesondere für die Exportindustrie, die in den Außer-Euro-Raum exportiert. Und natürlich wissen wir nicht, was der Ölpreis macht, was die Rohstoffpreisentwicklung allgemein angeht. Wir haben schon einige Risikofaktoren, die den Optimismus etwas gedämpft haben.

    Breker: Sie haben den hohen Euro-Kurs angesprochen, Herr Franz. Das ist deshalb wichtig, weil es dabei bleiben wird. Der Export ist eigentlich der Motor unserer Konjunktur. Die Abhängigkeit von der Weltkonjunktur, die wird bleiben?

    Franz: Ja, die Abhängigkeit der Weltkonjunktur, die haben wir nun sehr vorteilhaft zu spüren bekommen. Unsere Exporterfolge sind sehr groß. Und das zeigt ja, dass Deutschland und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Unternehmen, was sie produzieren, auf den Weltmärkten durchaus wettbewerbsfähig sind. Jetzt macht uns natürlich der Euro-Kurs zu schaffen. Und jetzt müssen wir aufpassen, dass wir trotz eines hohen Euro-Kurses unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht verlieren. Und dazu müssen, so bitter das auch ist, auch die Tarifvertragsparteien ihren Beitrag leisten. Sie müssen aufpassen, dass die Tariflohnabschlüsse das mit berücksichtigen, dass von dem Euro-Kurs eine gewisse Einbuße der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, was den Nicht-Euro-Raum angeht, ausgeht.

    Breker: Herr Franz, Sie haben eben die Kanzlerin zitiert, die gesagt hat, der Aufschwung komme bei den Menschen an. Sie haben es eingeschränkt auf die Menschen, die einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben. Wie sieht es denn mit der Binnennachfrage aus? Wird sie irgendeine Rolle spielen für unsere Konjunktur?

    Franz: Wir schätzen vom Sachverständigenrat, dass der private Konsum in diesem Jahr um rund 1,7 Prozent zulegen wird. Das liegt zum einen daran, dass die Arbeitsmarktentwicklung sehr erfreulich verläuft. Sie haben ja eben die Beschäftigtenzahlen genannt. Diese Leute sind auf dem Arbeitsmarkt. Dadurch entstehen Arbeitseinkommen. Da entsteht auch gesamtwirtschaftliche Nachfrage, in diesem Fall Konsumnachfrage. Außerdem werden die Löhne in diesem Jahr vermutlich etwas stärker steigen als im vergangenen Jahr, so dass wir von daher gesehen, was den privaten Konsum und dessen Entwicklung anbelangt, etwas optimistischer sind als für das Jahr 2007, wo wir im Großen und Ganzen eine Stagnation, real betrachtet, des privaten Konsums verzeichnen mussten.

    Breker: In den anstehenden Tarifverhandlungen werden die Gewerkschaften, einen ordentlichen Schluck aus der Pulle fordern, so zumindest der IG-Metall-Gewerkschaftschef Huber heute im Deutschlandradio Kultur. (Text/ MP3-Audio ) Das wird so laufen, und das wird wohl auch durchgesetzt werden.

    Franz: Nun, ich plädiere sehr stark für branchenspezifische Überlegungen hinsichtlich des Verteilungsspielraums. Wir dürfen, um unsere internationale Wettebewerbsfähigkeit nicht aufs Spiel zu setzen, den Verteilungsspielraum auf jeden Fall nicht ausschöpfen. Das ist die eine Nebenbedingung. Und die andere lautet: Wir haben immer noch 3,5 Millionen Arbeitslose in diesem Jahr im Durchschnitt. Das heißt, wir müssen diese moderate Tariflohnpolitik der vergangenen Jahre fortsetzen. Denn wir ernten jetzt die Früchte in Form neuer wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze. Das heißt, zweitens darf der Verteilungsspielraum nicht voll ausgeschöpft werden. Die einzelnen Tarifvertragsparteien für die entsprechenden Branchen müssen diesen Verteilungsspielraum berechnen.

    Gesamtwirtschaftlich, aber das ist nicht maßgeblich für die einzelnen Tarifvertragsparteien, gesamtwirtschaftlich beläuft sich der Verteilungsspielraum in diesem Jahr in der Größenordnung zwischen zwei und zweieinhalb Prozent. Aber wie gesagt, das müssen die einzelnen Branchen mit sich ausmachen. Und ein gutes Mittel ist, um späteren Kostenbelastungen vorzubeugen, dass man mehr verstärkt auf Einmalzahlungen rekurriert und zweitens vielleicht auch mehr Erfolgsbeteiligungen bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vereinbart. Dann sind sie in guten Jahren dabei. Und das erspart dann auch doch einige Auseinandersetzungen bei den Tarifverhandlungen. Auf der anderen Seite sind dann bei Erfolgsbeteiligungsmodellen die Unternehmen in der Zukunft, wenn es mal doch etwas eine abgeschwächtere Konjunktur gibt in den einzelnen Branchen, nicht mit einem sehr hohen Kostenblock behaftet.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das Wolfgang Franz. Er ist einer der Wirtschaftsweisen, und er leitet das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Herr Franz, vielen Dank für dieses Interview.

    Franz: Ja, Ihnen auch, alles Gute.