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Rating-Agentur
Trübe Aussichten für EU-Kreditwürdigkeit

Die Rating-Agentur Standard & Poor's hat sich die Kreditwürdigkeit der Europäischen Union näher angesehen und dabei nicht nur Positives erblickt: Die Einstufung für die EU bleibt Doppel-A Plus. Das ist ein guter Wert - aber er kann sich schnell ändern. Denn der Ausblick ist negativ.

Von Stefan Wolff | 04.08.2015
    Das Gebäude der Ratingagentur Standard & Poor's in New York.
    Die Ratingagentur Standard & Poor's in New York (picture alliance / dpa / EPA/JUSTIN LANE)
    Wenn von Problemen in der Europäischen Union die Rede ist, dann dürften die meisten sofort an Griechenland denken. Das dritte Rettungspaket ist noch nicht geschnürt. Die Haftung dafür ist weitgehend ungeklärt, so lange nicht klar ist, ob sich der Internationale Währungsfonds an dieser Maßnahme beteiligt oder eben nicht. Doch der Schuldenstreit war nicht der Auslöser, sagt Mauricio Vargas, Europa-Experte bei der Fondsgesellschaft Union Investment:
    "Der Grund für S&P hier den negativen Ausblick auszusprechen, liegt primär in den fiskalischen Risiken die sich aus dem Investitionsplan des Kommissionspräsidenten Juncker ergeben. Insofern ist das schon eine Herausforderung für die gesamte Europäische Union, weil eben die gesamte Europäische Union für diesen umfangreichen Investitionsplan in Höhe von 315 Milliarden Euro haftet."
    Mit Milliardeninvestitionen will die EU die Wirtschaft Europas ankurbeln und die hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen. Zwar soll das Geld für Projekte von schnellem Internet bis hin zum Bau von Straßen vor allem von privaten Anlegern kommen, doch im Ernstfall haften die EU-Mitgliedsstaaten. Und die sind allesamt nicht mehr so gut beleumundet wie früher. Zwar erhält Deutschland immer noch Bestnoten, doch das ist bei anderen Ländern nicht mehr der Fall, sagt Mauricio Vargas:
    Deutschland erhält Bestnoten
    "Das Problem ist eher Frankreich. In Frankreich gibt es auch einen negativen Ausblick für die Bonität. Aber auch UK, also Großbritannien, ist mit einem negativen Ausblick versehen. Da sind die Herausforderungen was die Bonität betrifft größer und das schlägt sich dann auch auf den Ausblick der gesamten Union nieder."
    S&P sei also eigentlich nur einen logischen Schritt gegangen, erklärt der Ökonom. Allerdings vollziehen die Finanzmärkte diese Logik nicht nach. Im Anleihehandel herrschte nach dem auf "negativ" gestellten Ausblick Ruhe. Schließlich habe sich an der eigentlichen Bewertung für die EU nichts geändert, urteilt Ilona Korsch, die beim Bankhaus Hauk und Aufhäuser den Rentenhandel verantwortet:
    "Es ist eine Top-Bonitätsnote mit hervorragender Absicherung hinten dran und der Ausblick auf weitere Herabstufungen den halte ich für sehr, sehr gering."
    Im Jahr 2011 hatte es von den Ratingagenturen Herabstufungen nur so gehagelt. Die Zinsen von Anleihen aus Spanien, Portugal, Italien und Griechenland waren zum Teil in den zweistelligen Bereich geschossen. Eine solche Entwicklung dürfte sich nicht wiederholen, auch wenn andere Agenturen dem wachsenden Pessimismus von S&P folgen sollten, womit die Märkte fest rechnen. Vor allem Deutschland bleibe in ruhigem Fahrwasser, sagt Ilona Korsch:
    Transparente Märkte nötig
    "Deutschland ist auf jeden Fall der sichere Hafen. Nichtsdestotrotz ist es der liquideste Markt, zusammen mit Frankreich, mit hohen Emissionsvolumen in Bundesanleihen. Es ist eine hohe Liquidität und darüber hinaus eine hohe Transparenz am Markt vorhanden und das ist genau das, was große Investoren benötigen, wenn sie hier agieren. Sie müssen schnell kaufen und wieder verkaufen können."
    Und trotzdem gibt es Unsicherheiten, die nicht nur S&P sieht. In Spanien stehen Wahlen an. Katalonien stimmt über seine Unabhängigkeit ab. Und mit Großbritannien könnte einer der größten Zahler aus der EU ausscheiden. Die Staatengemeinschaft präsentiert sich wackeliger als früher.