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Ratings, Bonds und Finanztransaktionssteuer

Auch mit Mario Montis neuem Sanierungsprogramm hat Italien das Vertrauen der Ratingagenturen nicht zurückgewinnen können - und fragt sich nun: Warum eigentlich nicht? Der Finanzplatz Mailand rätselt auch über andere Fragen: Wann kommt die Finanztransaktionssteuer und wie lange will sich Deutschland gegen gemeinsame europäische Anleihen stemmen?

Von Kirstin Hausen | 19.01.2012
    Zwei Monitore, eine kabellose Tastatur und eine PC-Mouse, die rot blinkt. Mehr braucht Trader Manfredo Galli nicht, um Aktienpakete anzukaufen oder abzustoßen. Seine Augen folgen den aktuellen Kursen, die über einen der Bildschirme laufen. Den Winternebel vor seinem Fenster sieht er nicht. Galli arbeitet in einem Büro schräg gegenüber dem Palazzo Mezzanotte, dem historischen Sitz der Mailänder Börse. Doch viel passiert hier nicht mehr, in Mailand funktioniert die Börse vollautomatisch, schreiende Händler sind Vergangenheit.

    Nervosität gebe es trotzdem, sagt Galli, der die hektischen Zeiten auf dem Parkett im zweiten Stock nicht vermisst. Heute sitzt er den ganzen Tag ruhig vor seinem Computer - und gerät trotzdem ins Schwitzen, wenn die Aktien auf Talfahrt gehen.

    "Der Euro ist so gefährdet wie nie zuvor, die Unterschiede zwischen den Mitgliedsländern sind zu groß."

    Galli und viele seiner Kollegen sind pessimistisch, was die Zukunft der Gemeinschaftswährung angeht. Die Politik reagiere zu langsam auf die dramatischen Entwicklungen an den Finanzmärkten, allein der Europäischen Zentralbank, die massiv Staatstitel gefährdeter Länder ankauft, sei es zu verdanken, dass das ganze System noch nicht zusammengebrochen sei. Für die Politik Deutschlands in der Eurokrise hat Trader Davide Biocchi kein Verständnis. Als zu kurzsichtig bewertet er das Vorgehen der Regierung Merkel. Ihr Nein zu Eurobonds werde die Krise verlängern und langfristig auch Deutschland schaden, glaubt er.

    "Deutschland ist in den vergangenen 20 Jahren wirtschaftlich das gelungen, was es in zwei Weltkriegen nicht geschafft hat, nämlich Europa zu dominieren. Wenn der Euro auseinanderbricht, steht Deutschland nicht mehr an der Spitze Europas, sondern ist auf sich allein gestellt."

    Auch Italiens Ministerpräsident Mario Monti wünscht sich mehr Hilfe von deutscher Seite, um sein Land aus der gegenwärtigen Krise herauszuholen. Ansonsten könnte sein drastisches Sparprogramm zu sozialen Konflikten führen, hat er die europäischen Partner gewarnt. Und um den Eindruck zu vermeiden, nur die kleinen Leute müssten für die Spekulationen an den Märkten büßen, hat er sich auch für eine Finanztransaktionssteuer ausgesprochen. Ein Ansatz, den auch andere italienische Politiker wie etwa Antonio Sarubbi von der Demokratischen Partei verfolgen.

    "Das wäre eine wichtige Einnahmequelle für den Staat, es geht schließlich um Milliarden. Das Geld würde den Armen zugutekommen, all denen in unserem Land, die in Schwierigkeiten stecken, weil das Geld an allen Ecken und Enden fehlt."

    Bisher hat Mario Monti allerdings noch nicht bekannt gegeben, wie die Regierung die Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer verwenden würde. In jedem Fall wäre es ein willkommener Geldsegen für die Staatskasse, denn Monti möchte größtmögliche Souveränität in Haushaltsfragen bewahren. Deshalb lehnt er Kredite aus dem Rettungsfonds EFSF und auch vom Internationalen Währungsfonds ab. Stattdessen befürwortet er europäische Gemeinschaftsanleihen, die Italiens Zinssatz zur Refinanzierung sofort senken würden. Allerdings müsste unter anderem Deutschland dann wohl deutlich mehr Zinsen als bisher bezahlen, um sich mit Geld zu versorgen. Das würde die Staatsausgaben in die Höhe treiben und könnte auch Deutschlands Bonität in Zweifel ziehen, sagen Kritiker. Die meisten Italiener halten diese Ängste allerdings für unbegründet und die Medien verstärken den allgemeinen Eindruck, Deutschland wolle für Europa keine Verantwortung übernehmen.

    Die Nachricht, dass die Ratingagentur Fitch zum Monatsende hin Italiens Bewertung gleich um zwei Stufen senken könnte, hat die Anspannung in Mailand verstärkt. Und Trader wie Davide Biocchi fordern Konsequenzen:

    "Wer am Finanzmarkt operiert, sollte sich freimachen von den Bewertungen der Ratingagenturen. Dazu müssen die Regeln geändert werden, denn oft genug sind wir Trader aufgrund interner Bestimmungen gezwungen, zu verkaufen, weil das Rating herabgestuft wurde."