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Ratlosigkeit im Weißen Haus

Präsident Obama ließ nach den gestrigen Ereignissen in Kairo stundenlang auf einen Kommentar warten. Doch über das künftige Verhalten der USA war darin nichts zu hören. Immerhin handelt es sich bei der Entmachtung Mursis um das Ende einer demokratischen Regierung. Und eine, die Obama bisher unterstützt hat.

Von Andreas Horchler | 04.07.2013
    Die Situation ist heikel! Auch für Amerika, auch für Präsident Obama. Deshalb das Zögern. Deshalb das vorsichtige Statement. Die Rede ist nicht von einem Staatsstreich, nicht von der, sondern von einer demokratisch legitimierten Regierung, die schnell gewählt werden soll. Offenbar will Obama Zeit gewinnen. Die Kommentare in den heutigen Radio und Fernsehsendungen sind überwiegend ebenso vorsichtig.
    Patrick Lohan vom National Public Radio:

    "Obama argumentiert, das ägyptische Volk habe über die Politik zu entscheiden. Obama hat natürlich zuerst Mursi unterstützt und jetzt das Militär. Es sei darum gegangen, dem ägyptischen Volk gerecht zu werden, Gewalt zu verhindern und eine Regierung zustande zu bringen, in der sich alle Gruppen repräsentiert fühlen."

    Ganz ähnlich die Haltung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon: Militärisches Eingreifen in staatliche Angelegenheiten sei bedenklich, eine zivile Herrschaft mir demokratischen Prinzipien müsse rasch wieder hergestellt werden.

    Weder aus Washington noch aus dem UN-Hauptquartier in New York gibt es also derzeit mehr als Appelle.

    Obama geht es auch und besonders um den amerikanischen Einfluss in Ägypten. Diesen zu wahren war in jüngerer Vergangenheit nicht leicht und wird es, je nach politischer Entwicklung, in der Zukunft möglicherweise noch weniger.

    Mit der Unterstützung des Moslembruders Mursi hatte Obama versucht, diesen Einfluss zu erhalten. Erst erhält Mursi, der demokratisch gewählte Präsident, dann das Militär, das sich zumindest an die Interimsmacht putscht, die Gunst der Amerikaner. Allerdings hält der Präsident die Unterstützung für das neue Regime in Kairo in der Schwebe.

    Das meistdiskutierte Wort heute, am Unabhängigkeitstag in den USA, wenn es um Ägypten geht. Der Coup! War das gestern ein Staatsstreich oder nicht? Der Präsident lässt das in seiner Erklärung offen. Farred Zakaria, Politikredakteur beim Sender CNN, findet klare Worte.

    "Wird eine demokratische Regierung durch einen Putsch beseitigt, muss jede Unterstützung eingestellt werden. Washington macht sich Gedanken darüber, wie mit der Situation umzugehen ist. Die Medienleute, so Zakaria, haben die Pflicht, es klar herauszusagen: Es handelt sich um einen Putsch!"

    Senator Patrick Lahey aus Vermont sieht das genauso. Wird eine demokratisch legitimierte Regierung durch einen Putsch abgelöst, müssen die Zuwendungen aus den USA zwingend enden.

    Und genau aus diesem Grund will die Obama-Regierung den Staatsstreich nicht bestätigen. Es geht offenbar um einen der letzten Trümpfe gegenüber Ägypten und somit um das Gleichgewicht im Nahen Osten. Immerhin 1,3 Milliarden Dollar überweist Washington jährlich nach Kairo. Der politische Einfluss der USA war in dem einen Jahr der Mursi-Regierung erkennbar geschwunden. Die Aufforderung aus Washington, die Opposition einzubeziehen, wurde nicht gehört, der Wunsch nach rascher Demokratisierung auch nicht.
    Also bleibt als Druckmittel die Drohung, die finanziellen Zuwendungen zu beenden.