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Rauchen - Lifestyle oder Sucht?

Jeder zweite Raucher gibt das Rauchen im Laufe seines Lebens wieder auf. Er entscheidet sich also frei dafür oder dagegen - könnte man meinen. Wie schwer vielen Menschen aber tatsächlich das Aufhören fällt, zeigt eindrücklich eine neue Studie, die die Rauchgeschichte von insgesamt mehr als 1500 älteren Rauchern aus dem Saarland nachzeichnet.

Von Katrin Zöfel | 21.07.2009
    "Eine ganz, ganz große Mehrheit der Raucher in dieser Altersgruppe würde gerne mit dem Rauchen aufhören, etwa drei Viertel dieser Teilnehmer haben auch schon mehrfach oder zumindest einmal versucht, mit dem Rauchen aufzuhören, und von den anderen würde ein ganz großer Teil zumindest gerne weniger rauchen."

    Hermann Brenner ist Professor für Epidemiologie am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg. Er hat die Studie im Saarland geleitet. Zu Beginn der Studie waren die Befragten zwischen 50 und 74 Jahre alt. Der Großteil hatte da schon eine Erkrankung, die nachgewiesenermaßen negativ durch den Tabakkonsum beeinflusst wird. Herzinsuffizienz oder Diabetes etwa. Die Raucher hatten also gute Gründe aufzuhören. Hermann Brenner:

    "Das Rauchen ist in dieser Altersgruppe ganz klar eine Abhängigkeitserkrankung. Die meisten würden gerne aufhören, schaffen es aber aus eigenem Antrieb nicht."

    Eigentlich müsste also jeder, der versuchen will, seinen Zigarettenkonsum zu drücken, dieselbe Unterstützung bekommen wie jemand, der sich von einer anderen Sucht befreien möchte. In der Realität zahlen die Krankenkassen derzeit Zuschüsse für Gruppensitzungen, in denen verhaltenstherapeutisch das Leben ohne Rauch trainiert wird. Arztgespräche oder Medikamente dagegen werden von den meisten Kassen nicht bezahlt. Hermann Brenner hat untersucht, wie effektiv diese nicht geförderten Maßnahmen sein könnten. 600 Raucher nahmen an der Studie teil. Für manche wurden die Arzneikosten übernommen, andere mussten selbst bezahlen:

    "In der Gruppe von Teilnehmern, bei denen eine solche Erstattung angeboten wurde, ist innerhalb eines Jahres die Aufhörquote auf das Vierfache hochgegangen."

    Ein deutlicher Effekt. Genauso positiv wirkte ein einfaches Gespräch mit dem Arzt darüber, wie das Aufhören gelingen kann. Doch viele Ärzte sind auf diese Anforderung kaum vorbereitet:

    "Die bösen Folgen des Rauchens sind, denke ich, inzwischen wirklich doch fast jedem bekannt. Aber es besteht eine erhebliche Wissenslücke in der Frage, wie kann man den Leuten am effektivsten dabei helfen, mit dem Rauchen aufzuhören."

    Hermann Brenner hat viele Hausärzte zum Thema befragt. Seit kurzer Zeit erst taucht das Thema ausreichend in der Medizinerausbildung auf, seit wenigen Jahren erst werden Weiterbildungen für niedergelassene Ärzte angeboten. Doktor Martina Pötschke-Langer vom Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle der Weltgesundheitsorganisation betont:

    "Das ärztliche Gespräch ist für den Patienten von sehr großer Bedeutung, und das bedeutet, dass die Ärzteschaft noch wesentlich aktiver werden muss und eindringlicher mit Patienten sprechen muss, vor allem wenn es um Patienten geht, die bereits Tabakfolgekrankheiten haben."

    Zwar sei Nikotinsucht im Vergleich zu anderen Abhängigkeiten nicht die aggressivste Suchterkrankung, urteilt Hermann Brenner, aber:

    "Was die Besonderheit beim Rauchen ist, ist, dass es eine Sucht ist, die eben in der Bevölkerung extrem weit verbreitet und von allen Süchten, die wir kennen, sicherlich die mit den höchsten Folgekosten ist - und zwar nicht nur im Sinne von monetären Folgekosten, die finanziellen Folgen also, sondern auch in Bezug auf die Krankheiten, die dadurch verursacht werden, und da steht das Rauchen sicher an oberster Stelle."