Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Raumfahrt
Deutsche Mond-Mission will Apollo-Landestelle besuchen

Als die US-Astronauten der Mission Apollo 17 im Jahr 1972 als bislang letzte Menschen den Mond betraten, ließen sie später ihr Mond-Auto sowie die Landefähre zurück. Ein Team deutscher Wissenschaftler und Ingenieure fragt sich nun, wie es auf diesem außerirdischen Schrottplatz heute aussehen mag. Das ließe sich nur auf einem Weg herausfinden: hinfliegen und nachgucken.

Von Guido Meyer | 27.06.2016
    Die Sichel des zunehmenden Mondes
    Ans Ziel gelangen soll der deutsche Mondlander mithilfe einer Falcon-9-Rakete der Firma SpaceX. (dpa-Zentralbild/ Patrick Pleul )
    Apollo 17 startete am 14. Dezember 1972 zurück zur Erde. "Wir sind auf dem Weg, Houston!" Und ihr Auto – das haben sie im Tal Taurus–Littrow geparkt, ungefähr auf Höhe des Mond-Äquators.
    Einspielung "Mondsong" von Nena: "Kommt doch noch mal vorbei / Und holt Euer altes Auto ab."
    Gesagt – getan. Eine Gruppe, die sich Part-Time-Scientists nennt, hat – wie der Name vermuten lässt – einen Teil ihrer Zeit darin investiert, Rover zu entwickeln, die zum Mond fliegen sollen. Gelingt dies vor Ablauf des kommenden Jahres, würden sie damit den Lunar X Prize gewinnen. Er ist mit 20 Millionen Dollar dotiert. Den Preis bekommt das Team, dem es als ersten gelingt, einen privat finanzierten Rover über die Mondoberfläche rollen zu lassen. Bis dahin sponsert Audi die Entwicklung des Part-Time-Scientists-Teams.
    "Dort steht seit über 40 Jahren das Mondfahrzeug herum. Und eine der spannenden Fragen, die wir erkunden wollen, ist zum Beispiel, was ist eigentlich mit denen in 40 Jahren auf der Mondoberfläche geschehen? Ist das von Mikrometeoriten total zerschossen? Hat die Strahlung die verschiedenen Materialien zersetzt? Das ist etwas, was wir mit unserer Kamera, die wir am Rover haben, untersuchen können."
    Karsten Becker ist einer der 35 Part-Time-Scientists aus Berlin. Völlig unabhängig von der europäischen Raumfahrtagentur ESA oder anderen staatlichen Einrichtungen hat das Team eine eigene Mondmission konzipiert. Sie besteht aus einer Landefähre und zwei Rovern. Die sollen möglichst nahe an die Apollo-17-Landestelle und an das amerikanische Mondauto heranfahren, erklärt der Geschäftsführer der Part-Time-Scientists, Robert Böhme.
    "Das Mondauto kam deshalb als Ergebnis dabei raus, weil es halt aus so vielen Materialien besteht, die heute eigentlich kaum einer noch nutzen würde. Da sind quasi Plastikstühle drauf, da sind Ledergurte dran, da ist Nylon, da ist Duck Tape zum Zusammenhalten. Ganz ehrlich – wenn man das heute jemandem erzählen würde, würde der sagen 'nee, nie im Leben bauen Sie damit ein Mondauto'."
    "Materialforschung in diesem Rahmen hat noch nie jemand beschrieben"
    Der Mond hat keine Atmosphäre. Somit kann dort oben nichts verrotten, rosten oder schimmeln. Dennoch: Noch nie ist jemand zurückgekehrt zu den Wracks der 60er- und 70er-Jahre.
    "Wenn wir verstehen, wie sich die Materialien nach 43 Jahren Aussetzung zur Mondatmosphäre entwickelt haben, dann weiß man, welche Materialien für eine Mondbasis geeignet sind. Was wollen die denn überhaupt nehmen? Was nehmen die für eine Eingangstür? Kann man da Plastik nehmen? Kann man da Nylon nehmen? Kann man da Ledergurte nehmen? Materialforschung in diesem Rahmen hat noch nie jemand beschrieben."
    Es wird jedoch Materialforschung aus der Ferne werden. Denn die Raumfahrtwracks auf dem Mond haben heute Museumscharakter. Deswegen hat die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA Vorschriften erlassen, wie nah sich andere Sonden ihrem Schrott nähern dürfen, erklärt Karsten Becker.
    "Es gibt einen 200-Meter-Umfang um die Landestelle von Apollo, wo man nicht reinfahren darf. Und zusätzlich gibt es noch ein Zwei-Kilometer-Sperrgebiet, wo man nicht reinfliegen darf. Das heißt, wenn wir zu Apollo 17 hinfliegen wollen, müssen wir südlich davon vorbeifliegen und da dann halt so zwei bis drei Kilometer entfernt landen."
    Bindend sind diese Richtlinien aus dem Jahr 2013 jedoch nicht. Der Mond gehört nicht zum staatlichen Hoheitsgebiet der Vereinigten Staaten. Er unterliegt damit nicht der amerikanischen Gesetzgebung. Ans Ziel gelangen soll der deutsche Mondlander mithilfe einer Falcon-9-Rakete der Firma SpaceX. Einen Namen hat er auch schon: Autonomous LandIng and NAvigation Module – kurz: ALINA.
    "Wir stehen hier vor unserer Landefähre. Die heißt ALINA. Das ist ein kreisrundes Landegerät. Das hat einen Durchmesser von ungefähr zweieinhalb Metern. Wenn man sich den Lander anschaut, dann sieht man, dass der vor allem aus Tanks besteht, die halt den ganzen Sprit haben, den man braucht, um halt auf dem Mond zu landen."
    Außen an ALINA sind die beiden baugleichen Rover angebracht, die das Wettrennen um den Lunar X Prize aufnehmen sollen. Die Part-Time-Scientists sind das einzige deutsche Team in diesem Wettstreit. Möglicherweise werden sie jedoch nicht vor dem ersten Quartal 2018 starten - und damit nach Ablauf der Wettbewerbsfrist. Doch auch dann wollen die Enthusiasten das Projekt auf jeden Fall durchziehen.