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Raumschiff aus Stein

Planetologie. - Manche Forscher glauben, dass das irdische Leben einst per Meteorit von fremden Planeten gekommen ist. Doch dafür hätten die ursprünglichen Mikroben heftige Meteoriteneinschlägen überstehen müssen. Ob das realistisch ist, haben Forscher am Ernst-Mach-Institut im baden-württembergischen Holzen untersucht - und zwar zusammen mit Sprengstoffspezialisten.

Von Björn Schwentker | 11.04.2007
    " So. Hier sind wir im kleinen Splittergarten des Ernst-Mach-Instituts in Holzen und hier werden Druckbelastungsversuche von Biomaterialien durchgeführt. "

    Geophysiker Ulrich Hornemann steht in einem dunklen Holzverschlag, etwa so geräumig wie eine Garage. Aus Balken, dick wie Bahnbohlen, ist vor ihm ein hüfthohes Gestell aufgeschichtet. Darauf stellt er eine zylindrische Metallkapsel, handgroß. Darin eingeschlossen sind die Sporen von Bakterien. Gleich soll eine auf dem Zylinder angebrachte Sprengladung explodieren, um die Mikroben extrem zusammenzuquetschen.

    " 30 Gigapascal, das sind verständlich 300.000 Atmosphärendruck. 300.000 Atmosphärendruck. Das ist ein Druck, der also im normalen technischen Leben bei uns nicht vorkommt. Aber das sind die Drücke, die halt eben bei Meteoriteneinschlägen auftreten. "
    Ulrich Hornemann will die so genannte "Panspermie-Hypothese" überprüfen: Demnach stammt das irdische Leben von anderen Planeten, etwa vom Mars. In einem großen Brocken Marsgestein, den ein heftiger Meteoriteneinschlag aus dem Planeten schlug, könnten einfache Einzeller bis zur Erde gereist sein - wo sie die Evolution des komplexen Lebens begründeten. Unklar ist aber, ob Mikroben eine Explosion auf dem Mars überleben würden, die ausreicht, um ein Stück aus ihm herauszuschlagen. Das simulieren die Forscher in ihrer Kammer.

    Hornemann: " Herr Will, haben Sie die Ladung schon? "

    Sprengmeister Will: " Das ist jetzt die Sprengladung, hier. "

    Hornemann: " Das ist jetzt die Ladung, hier sehen Sie, hier oben kommt jetzt der Zünder rein. "

    Die Sprengladung ist installiert. Nun darf keiner mehr in ihrer Nähe sein. Alle eilen in den dickwandigen Messbunker, der neben dem Holzverschlag steht. Der Sprengmeister hat schon den Finger am roten Knopf:

    "Achtung: drei, zwo, eins."

    Der Stahlbehälter mit den Mikroben ist ordentlich verbeult. Die Forscher werden ihn umständlich aufbohren müssen, um überhaupt noch an die Sporen im Inneren zu gelangen. Dann werden sie auf eine Nährlösung gelegt, um zu sehen, ob sie keimen - also ob sie noch leben. Genauso haben es die Wissenschaftler auch schon mit anderen Bakteriensorten gemacht. Jedesmal änderten sie die Temperatur und die Stärke der Explosion - um so verschiedene Meteoriteneinschläge zu simulieren. Die Tests ergaben: Mikroben sind wahre Überlebenskünstler, sagt Cornelia Meyer von der Humboldt-Universität in Berlin, die bei den Druckversuchen mitarbeitet.

    " Also das Ergebnis sieht sehr gut aus, sie überleben wirklich wahnsinnig viel. Erstaunlich viel, das hätten wir nicht gedacht. Also die Sporen, die wir heute beschossen haben, die überleben in dem Gestein auf jeden Fall schon mal bis 40 Gigapascal. "

    Das ist immerhin 400 000facher Luftdruck. Trotzdem überleben immer noch einige Prozent der eingequetschten Sporen. Doch um heil auf der Erde anzukommen, müssten außerirdische Mikroorganismen nicht nur den unsanften Abflug vom fremden Planeten überstehen. Sondern auch die lange Reise in ihrem steinernen Raumschiff durchs unbehagliche All: Dort herrschen Vakuum und eisige Temperaturen, und es gibt tödliche Strahlung. Andere Forschergruppen haben bereits ganze Bakterienkolonien für Jahre in den Weltraum geschossen, um sie auch unter den dortigen Extrembedingungen zu testen. Ergebnis: Die Mikroben sind nicht tot zu kriegen. Stimmt es also, dass Organismen aus dem All einst der Samen für irdisches Leben waren? Fast alle Einwände gegen die Panspermie-Hypothese haben die Forscher inzwischen ausgeräumt. Nur einer bleibt, sagt Cornelia Meyer:

    " Sicher ist man natürlich nicht, wir wissen natürlich immer noch nicht, ob es Leben auf dem Mars gibt, oder gab. Was wir sagen können: Wenn es jemals Leben gegeben hat, dann hätte es auch auf die Erde kommen können. "