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Raumsonde "Philae"
Puzzlespiel mit Kometenstaub

Kometen sind urtümliche Körper, die normalerweise am Rand des Sonnensystems kreisen. Als die Raumsonde "Philae" auf einem Kometen landet, erwarten die Forscher Erkenntnisse darüber, wie die Bausteine des Lebens zur Erde gelangten. Von ersten Ergebnissen sind sie enttäuscht - doch eine Hoffnung bleibt.

Von Karl Urban | 31.07.2015
    Eine ESA-Grafik zeigt das Landegerät "Philae"
    Eine ESA-Grafik zeigt das Landegerät "Philae" (afp / ESA)
    "Wenn man so ein bisschen weiter weg guckt, da draußen im Universum. Was gibt es denn viel? Wasserstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff, Stickstoff. Das gibt es alles schon."Fred Goesmann ist Physiker und Ingenieur. Vor allem aber hat er ein Faible für organische Moleküle auf Kometen. "Und wenn man das da draußen nur in hinreichender Menge hat, es ein bisschen allein lässt mit ein bisschen ultravioletter Strahlung und ein bisschen Kälte, dann verbindet sich das schon irgendwie. Das kann da gar nicht dran vorbei."
    Deshalb ließ er mit seinen Kollegen vom Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung eine chemische Schnüffelnase auf Komet Tschurjumow-Gerasimenko landen, an Bord der Raumsonde "Philae". Inständig hofften die Forscher mit ihrem Instrument namens COSAC, in einer entscheidenden Frage weiterzukommen: Sind die Bausteine des Lebens aus dem All zur Erde gelangt?
    Erste Untersuchung von organischem Staub
    "Der Plan war: Wir werden vom Orbiter abgestoßen und fallen runter. Während der Fallphase wird COSAC nicht eingeschaltet. Unmittelbar nach dem Aufprall aber wohl. Also 20 Minuten, halbe Stunde danach. Schnüffeln." Es kam ganz anders, was die detaillierte Auswertung jetzt zeigt. Nicht einmal eine Sekunde lang berührte "Philae" am 12. November 2014 den Boden. Der Lander landete nicht, sondern prallte ab. Erst zwei Stunden später blieb er schließlich in einer dunklen Ecke des Kometen stecken, wo er bis heute liegt. Aber der erste Hüpfer war trotzdem ein Glück für Fred Goesmann: Dabei wirbelte "Philae" rund 400 Liter Staub auf. Und ein Teil davon gelangte durch ein Rohr an der Unterseite des Landers zur Schnüffelnase COSAC. "Das erste Massenspektrum das war eigentlich so gedacht: Messen wir mal was. Danach geht es dann richtig los. Es hat sich herausgestellt, dass das eigentlich das saftigste Spektrum war."
    Es war die erste Untersuchung von organischem Staub direkt auf einem Kometen. Und es blieb die einzige – "Philaes" Schnüffelnase lieferte später kaum noch verwertbare Daten. Goesmanns Team musste also alles aus dieser einen Messung herausholen. Das Massenspektrometer hatte die vielen organischen Verbindungen in geladene Fragmente zerlegt. Aus ihrem Zahlenverhältnis mussten die Forscher nun ableiten, von welchen Molekülen sie ursprünglich stammten. Ein Puzzlespiel. "Das ist so, als wenn irgendeine Horde Viecher durch den Matsch getrottelt ist und alle Spuren sind irgendwie ineinander."
    Um diese Daten zu entwirren, berechnete zuerst ein Mathematiker in Goesmanns Team, wie wahrscheinlich bestimmte Moleküle vorkommen könnten. "Dann stehen da eine Reihe von Zahlen. Und dann fangen Chemiker an, völlig aus dem Nichts zu denken. Mal angenommen, wir würden irgendwelche Atome zusammenwürfeln. Was ergäbe sich? Und dann kochen wir das so, dass wir einen Datensatz haben, von dem wir glauben, der ist halbwegs plausibel."
    Alle Moleküle wurden schon vorhergesagt
    Die Forscher fanden letztlich 16 organische Moleküle, darunter vier Verbindungen die nie zuvor auf Kometen nachgewiesen wurden. Das ist etwa Acetamid, das bei der Bildung der Nukleinsäure für das Erbgut eine Rolle spielt. Trotzdem sind die gefundenen Moleküle eher einfach und allesamt schon von Kometensimulationen vorhergesagt worden. "Was man schon vorher aus Kometen weiß, von Fernerkundungen, so ganz unplausibel ist das nicht. Das ist aus meiner Ansicht überzeugend, weil langweilig."
    Ausgerechnet für komplexere Moleküle, die vielleicht als Grundbausteine des Lebens gedient haben könnten, lieferte "Philaes" Nase keine belastbaren Daten. Für Fred Goesmann gibt es aber einen Hoffnungsschimmer. Denn sein Instrument wurde in der kurzen Zeit nach der Landung gar nicht voll ausgereizt. Deshalb hofft der Forscher weiter, dass COSAC in den nächsten Wochen vielleicht noch einmal Kometenstaub schnüffeln darf. Dafür müsste es aber gelingen, den Lander zum Arbeiten zu bewegen, was zumindest in den letzten sechs Wochen nach "Philaes" Winterschlaf scheiterte.