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Raus in die Provinz!

Die Fachhochschulen weisen einen beträchtlichen Zuwachs an Studierenden auf, so dass die Studierendenzahlen im Wintersemester 2005/2006 im Vergleich zum Vorjahr um knapp drei Prozent auf beinahe 70.000 stiegen. Das ist auch in Bayern so: die Fachhochschule Deggendorf mit einem Zuwachs von 10,6 Prozent ist Spitzenreiter. Doch was zeichnet eine FH wie Deggendorf aus, damit sich so viele Studierende angezogen fühlen?

Von Susanne Lettenbauer | 04.05.2006
    "Ich studiere in Deggendorf, weil das näher von Haus ist. Nette Professoren, viele nette Leute, die ich von früher kenn. Es ist nicht so überlaufen wie woanders."

    Kurze Wege, wenige Studenten, reichlich Praktikumsplätze - in Deggendorf herrscht heile Hochschulwelt glaubt man den Studierenden auf dem geschotterten Campushof unter sorgsam beschnittenen Bäumen. Schmale Säulen vor den alphabetisch geordneten Eingängen demonstrieren klassizistische Ambitionen. Rechts die Donau, links der Bayerische Wald. Unternehmen wie Neoplan MAN tummeln sich gerade auf der Jobbörse 2006. Über 50 Unternehmen aus der Region sind's in diesem Jahr geworden, der Grund?

    "Wir haben schon seit lagem Kontakt zur FH. Haben auch schon einige eingestellt. Gut finde ich, dass wir über Praktika und Diplomarbeiten herauskristallisieren können, wer passt und wer nicht. Das ist ideal für beide Seiten."

    Die Meinung von Kurt Tistl, Neoplan, hört man häufig: Die Unternehmen bekämen die Möglichkeit auf die Ausbildung Einfluss zu nehmen, die Studierenden kämen so frühzeitig zu den Praktika, dass die Geeigneten rechtzeitig spezialisiert werden könnten.
    Außerdem sei der Kontakt zu den Professoren unkompliziert, denn man kenne sich ja in der Gegend. Die Drittmitteleinwerbung funktioniert deshalb fast von allein - als praktische Firmenwerbung:

    "Wir sind grob gesagt mit 200 Firmen von Passau bis Regensburg und München bis Villach in Kontakt: Infineon ist überall, die Firma Zollner ist auch in Budapest, die Firma Mühlbauer ist weltweit vertreten. Wenn sie eben zu diesen Firmen Kontakt pflegen, um ihre Studenten unterzubringen, dann sind die Studenten ja innerhalb ihrer Firma wieder mobil und das kann auf der ganzen Welt sein."

    Reinhard Höpfl leitet seit 1996 die Fachhochschule Deggendorf. Als Präsident der eigentlich für 1000 Studierende konzipierten FH muss er sich mittlerweile Gedanken machen, wie er seine bald 3000 Schützlinge unterbringen kann, bei gleichem Etat:

    "Präsident Reinhard Höpfl: Man hat natürlich erstmal ein Problem, man muss es nur in den Griff bekommen. Wir sind da schon gerüstet und wollen weiterwachsen. Unser Ziel ist ja, dass wir auf 4000 Studierende kommen und sukzessive jedes Jahr 200 mehr aufnehmen."

    Baumanagment, Baurecht, Mechatronik, International Managment, Energietechnik heissen die begehrtesten Fächer. Auch die Medientechnik zieht vor allem deutschlandweit die Fachoberschulabsolventen an, denn...:

    "Unsere Philosophie heißt "Provinz ist geil",..."

    ...sagt Prof. Ernst Jürgens, einst Inhaber einer Filmproduktionsfirma in Köln, jetzt Lehrstuhlinhaber Medientechnik.
    Fünf Jahre ist er jetzt in Deggendorf, hat in einer ehemaligen LKW-Garage ein Fernsehstudio eingerichtet, produziert Firmenpräsentationen und Werbeclips u.a. zu Stützstrümpfen. Besonderen Spaß macht seinen 300 Studierenden das 14tägige Livemagazin "Tiefenrausch":

    "Also wenn ich Köln an der FH gesagt hätte ich will ein Medienatelier, aus dem heraus ich live senden kann, möglichst noch quer über die Strasse, die hätten mich in die offene Psychiatrie eingewiesen. Hier ist das anders. Da heisst es, macht mal. Ich bin ins Stadtcafé gegangen und habe die Besitzerin gefragt wo man die Makler findet. Da hat sie gesagt, da drüben ist der Maklerstammtisch."

    Praktika beim ZDF, live Sendungen im Lokalfernsehen, Werbespots für Mittelstandsfirmen - der Studiengang Medientechnik der Fachhochschule im niederbayerischen Deggendorf macht es möglich. Und das ist nur ein Beispiel aus vier Fachbereichen. In den deutschen Tourismusstudiengängen belegt die Donaustadt regelmäßig Spitzenplätze und im neuesten Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) spielen fünf Studiengänge ganz vorn mit.
    Kein Wunder, dass die Bewerber für ein Studium am bayerischen Wald mittlerweile nicht nur aus Deutschland kommen.