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re:publica 2018
Chancen und Fallstricke der Digitalisierung

Die Whistleblowerin Chelsea Manning hat mit einer Warnung vor den Gefahren der Künstlichen Intelligenz die Konferenz für Netzkultur re:publica eröffnet. Mehr Transparenz von Algorithmen und eine Auseinandersetzung mit Konzernen wie Facebook forderte dann Konferenzgründer Markus Beckedahl.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Ralf Krauter | 02.05.2018
    Chelsea Manning beim Fireside Chat mit der Moderatorin Geraldine de Bastion auf der re:publica 2018
    Chelsea Manning beim Fireside Chat mit der Moderatorin Geraldine de Bastion auf der re:publica 2018 (Deutschlandradio / Simon Detel)
    Ralf Krauter: Den Eröffnungstalk bei der Konferenz für Netzkultur re:publica in Berlin hielt heute Chelsea Manning. Manning ist eine Whistleblowerin, die im Jahr 2010 über 400.000 elektronische Dokumente der US-Streitkräfte zum Irak-Krieg und 90.000 Dokumente zum Afghanistan-Einsatz auf Wikileaks veröffentlichte. Dafür wurde sie zu 35 Jahren Haft verurteilt und dann als eine der letzten Amtshandlungen von Barack Obama begnadigt. Chelsea Manning sprach heute über Ihre Zeit in Haft, aber auch über das, was sie in Zukunft persönlich vorhat. Manfred Kloiber in Berlin, hat sie sich denn in Berlin auch zu den Themen geäußert, die auf der re:publica bis Freitag noch besprochen werden?
    Manfred Kloiber: Ja, das hat sie, wenn auch nur sehr grundsätzlich und prinzipiell - und zwar zum Thema Künstliche Intelligenz. Da hat sie pauschal die Gefahr heraufbeschworen, dass solche Technologien in der falschen Hand ob ihrer Intransparenz viele Probleme bereiten können, die für sie ein systematischer Weg hin zu autokratischen Strukturen sind. Wie gesagt, die Technologie-Kritik war sehr grundsätzlich angelegt und ehrlich gesagt war das Publikum auch mehr an ihrem Schicksal im Gefängnis interessiert und an der Geschlechstumwandlung, die sie während der Haft machte - sicher ein persönlich sehr schwieriger und mutiger Schritt. Der eigentliche netzpolitische Aufschlag kam dann gleich als nächstes mit dem Vortrag von re:publica-Gründer Markus Beckedahl.
    Forderung nach Transparenz von Algorithmen
    Krauter: Hat auch der Kritik an Künstlicher Intelligenz geübt?
    Kloiber: Ja das hat er - und zwar hat er die Debatte über die Transparenz von Algorithmen aufgenommen. Für ihn ist es schlicht demokratiegefährdend, dass zum Beispiel Banken die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden mit völlig undurchsichtigen Scoring-Algorithmen einschätzen, dass die Polizei Straftäter mit Predictive Policing Algorithmen entlarven will oder dass Plattformen wie Facebook oder Twitter Inhalte automatisch mit komplett geheimgehaltenen Regeln beurteilen - ohne jegliche Kontrolle dieser Regeln. Sein Gegenmittel lautet Transparenz: Er fordert die Transparenz solcher Algorithmen, die das Leben der Menschen beeinflussen und er fordert auch die Einrichtung einer Behörde, die solche Algorithmen hinsichtlich ihrer demokratiegefährdenden Wirkung beurteilen können.
    Krauter: Da verweisen ja ganz viele Experten auf die neue Datenschutz-Grundverordnung, die Ende Mai vollends in Kraft tritt und vieles auch in diesem Bereich besser machen soll.
    Kloiber: Ja, das wird auch von den Netzaktivisten eingeräumt - vieles wird besser, zumal man demnächst seine Rechte an seinem Wohnort geltend machen kann und nicht am Sitz der beklagten Unternehmen. Das ist ein entscheidenden Vorteil - auch umfangreiche Klagerechte für Verbraucherschutzorganisationen sind da ein Plus - aber: Die Datenschutzbehörden seien völlig überfordert. Beckedahl zum Beispiel bemängelt, dass das föderale Nebeneinander von kleinen Landes- und Bundesdatenschutzbehörden schlicht subopitmal sei, wenn es darum gehe, sich mit Konzernen wie Facebook auseinander zu setzen.
    Facebook-Monopol durch Zerschlagung verhindern
    Krauter: Diese Auseinandersetzung nimmt ja mittlerweile auch sehr aggressive Formen an. So haben ja Ex-Facebook Pionieren die Aktion #deletefacebook ins Leben gerufen. Gab es solche Tendenzen auch auf der re:publica?
    Kloiber: Ja, und Beckedahl hat da etwas ins Spiel gebracht, was es in den 80er-Jahren in den USA schon einmal gab. Da wurde nämlich der Telefonriese AT&T zerschlagen. Warum sollten nicht auch Facebook mit seinen Tochterunternehmen Whatsapp zum Beispiel zerschlagen werden, damit es nicht zu einem Facebook-Monopol komme. Die gleiche Frage müsse man auch bei Google stellen. Darüber hinaus müsse man auch überlegen, ob in Zukunft nicht zum Beispiel aus der Haushaltsabgabe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk neue Systeme für die soziale Kommunikation finanziert werden können.