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REACH soll vor Giften schützen

Die neue EU-Chemikalienverordnung REACH ist in Kraft. Verwaltet und überwacht werden die neu erhobenen Daten und die Einhaltung der lange umstrittenen Vorschriften von der eigens dafür eingerichteten Europäischen Chemikalienagentur in Helsinki.

Von Ralph Ahrens | 01.06.2007
    Helsinki ist seit heute die Chemie-Hauptstadt Europas. Denn dort residiert jetzt die Europäische Chemikalienagentur. Diese Behörde soll REACH, also die EU-Verordnung zur Anmeldung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien, managen. Gerd Romanowski vom VCI, dem Verband der Chemischen Industrie.

    "Die Agentur ist bei der Umsetzung von REACH extrem wichtig. Sie ist die Stelle, die REACH im Grunde in allen seinen Bestandteilen durchzuführen und letztendlich zu überwachen hat und die Funktionsfähigkeit von REACH sicherzustellen hat. Deswegen kommt der Agentur in Helsinki die zentrale Bedeutung bei der Umsetzung von REACH zu."

    Die eigentliche Arbeit der Agentur beginnt im Juni 2008. Dann werden Chemiefabriken all jene 30.000 Stoffe nach Helsinki melden, von denen sie auch künftig mehr als eine Tonne jährlich herstellen wollen. Anschließend werden die Firmen dann umfangreiche Unterlagen an die Agentur schicken, in denen sie etwa erklären, wie gefährlich ihre Substanzen sind und wie diese sicher eingesetzt werden können. Die Agentur wird diese Unterlagen verwalten und mit Hilfe von Experten aus den EU-Staaten prüfen. Das ist viel Arbeit. Gerd Romanowski:

    "Ich gehe davon aus, dass die Agentur so ausgestattet sein wird und so aufgestellt sein wird - und verantwortlich dafür ist die Kommission -, dass sie ihre gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben problemlos erfüllen kann."

    Ob die Agentur ihre Aufgaben reibungslos erledigen kann. auch wenn dort in drei Jahren 450 Mitarbeiter arbeiten, hält Mecki Naschke vom Europäischen Umweltbüro allerdings für fraglich. Denn

    "das Gesetz wurde mühsam ausgehandelt und ist an vielen Punkten. Leider. auch bewusst vage geworden. Und das wird jetzt alles in den nächsten Monaten und Jahren interpretiert werden müssen - nach und nach. Und davon hängt ab, wie effektiv es am Ende sein wird."

    Ein Beispiel: Besonders besorgniserregende Stoffe, also etwa Stoffe, die Krebs auslösen oder sich in der Natur anreichern, sollten durch harmlosere Stoffe ersetzt werden, aber nur dann, wenn diese Alternativen verfügbar sind. Mecki Naschke:

    "Jetzt ist eben die Frage, wie breit ist diese Verfügbarkeit interpretier?. Im europäischen Markt ist die Frage, ist denn für das polnische Unternehmen der Ersatzstoff aus Portugal verfügbar, oder ist es eher nicht verfügbar? Das muss alles interpretiert werden."

    Für Gerd Romanowski vom VCI ist klar, das entscheidet jedes Unternehmen für sich selbst.

    "Wenn ein Hersteller oder Importeur einen Stoff wirtschaftlich und technisch nicht für sinnvoll hält als mögliche Alternative für einen anderen gefährlichen Stoff, dann ist dieser Stoff als Alternative nicht geeignet, und dann wird der nicht als Substitutionsmöglichkeit in die behördliche Prüfung einbezogen."

    Dieser Punkt ist noch nicht endgültig geklärt. Zurzeit diskutieren Experten in Gremien der EU-Kommission darüber, ob ein Unternehmen gezwungen werden kann, eine sicherere Chemikalie etwa aus Portugal oder Deutschland einzusetzen. Es gibt noch viel mehr offene Fragen, betont Gerd Romanowski:

    "Beispielsweise ist derzeit umstritten die Frage, was ist eigentlich ein Stoff, der registrierpflichtig ist? Was ist eigentlich die Abgrenzung oder die Definition für einen Stoff im Sinne der REACH-Verordnung?"

    Für Chemiefabriken sind Antworten auf solche Fragen wichtig, denn davon hängt oft ab, welche Pflichten sie erfüllen müssen. Die Klärung solcher Fragen wird die Agentur zeitlich und personell aber sehr belasten, fürchtet Umweltschützerin Mecki Naschke:

    "Das heißt für uns, dass Aufgaben, die nicht zum absoluten Mindestpensum gehören, wahrscheinlich nicht unbedingt zeitnah erledigt werden. Und das sind aber leider dann oftmals die Aufgaben, die aus Umweltsicht die wichtigeren wären"

    nämlich etwa alle jene Stoffe zu finden, die sich in Mensch und Tier anreichern können. Denn diese Stoffe sollten aus Sicht von Umweltverbänden möglichst nicht mehr eingesetzt werden.