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Reaktion auf Regierungserklärung
Türkei wirft Deutschland Erdogan-Feindseligkeit vor

Die Regierungserklärung von Angela Merkel stößt in der Türkei auf Kritik. Die Kanzlerin hatte Nazi-Vergleiche türkischer Politiker als unzumutbar bezeichnet. Präsidentensprecher Ibrahim Kalin sprach von einer Erdogan-Feindseligkeit und einer Anti-Türkei-Stimmung in Deutschland.

Von Christian Buttkereit | 09.03.2017
    Der türkische Ministerpräsident Erdogan spricht in ein Mikrofon und zeit auf eine türkische Flagge hinter ihm.
    Der türkische Präsident Erdogan will Auslandstürken treffen, um für sein Referendum zu werben. (AFP)
    Die Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Merkel stößt in der Türkei auf ein kritisches Echo. Mehrere hochrangige Politiker warfen Deutschland vor, mit zweierlei Maß zu messen: Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte dem Fernsehsender NTV Türk, die Türkei bezeichne die deutsche Bundesregierung nicht als nationalsozialistisch. Allerdings erinnerten ihre Methoden an die Nazi-Zeit.
    Bundeskanzlerin Merkel hatte jeglichen Vergleich der Bundesregierung mit Praktiken aus der Nazi-Zeit als deprimierend und unzumutbar bezeichnet. Was für die Türkei unzumutbar ist, machte Präsidentensprecher Ibrahim Kalin daraufhin deutlich:
    "Jenen, die eine NEIN-Kampagne führen, werden alle Pforten geöffnet und sämtliche Mittel zur Verfügung gestellt. Einschliesslich der PKK und anderer Terrororganisationen. Politiker aus dem anderen Lager werden bei ihrem Wahlkampf für ein JA beim Referendum behindert. Das ist da eigentlich Unzumutbare."
    Vorwurf der Erdogan-Feindseligkeit in Deutschland
    Kalin sprach auch von einer unzumutbaren Anti-Türkei-Stimmung und Erdogan-Feindseligkeit in Deutschland. Hakan Celik, Kolummnist der inzwischen regierungsnahen Zeitung Hürriyet erklärt, was Erdogan und andere Politiker meinen, wenn sie das heutige Deutschland in einem Atemzug mit der Hitler-Dikatur nennen:
    "Der Nazi-Vergleich des türkischen Staatspräsidenten bezieht sich nicht auf die gegenwärtige Bundesregierung. Vielmehr hat die türkische Regierung die Wahrnehmung, dass all die Praktiken, die wir dieser Tage in Bezug auf die Türkei beobachten eine Assoziation zu den Praktiken der Nazi-Aera durchaus zulassen."
    Türkisches Wahlgesetz verbietet Wahlkampf im Ausland
    Allerdings stehen diese Praktiken sogar im Einklang mit dem türkischen Wahlgesetz. Darauf wiesen der Vertreter der Oppositionspartei CHP in der Wahlkommission, Mehmet Hadimi Yakupoglu und der Grünen-Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu heute hin. Tatsächlich heißt es in Artikel 94/A des Wahlgesetzes
    "Im Ausland und in Vertretungen im Ausland kann kein Wahlkampf betrieben werden."
    Mit Blick auf das Referendum am 16. April hatte die Wahlkommission präzisiert, dass Wahlkampf im Ausland in geschlossenen Räumen nicht gestattet sei. Zudem seien Wahlkampfansprachen auch auf offenen Plätzen nicht zulässig. Wahlkampfmaterialien dürften nicht verteilt und in Printmedien dürfe keine Wahlwerbung geschaltet werden. Da sich die Regierungspartei AKP daran bisher nicht gehalten hat, dürfte auch die Ankündigung von Staatspräsident Erdogan weiter Bestand haben:
    "Ich habe den starken Wunsch, mich mit den Auslandstürken zu treffen. Meine Mitarbeiter bereiten das gerade vor.
    Wann Erdogan wohin kommen will, steht offenbar noch nicht fest. Ministerpräsident Yildirim hatte bereits Mitte Februar vor Tausenden Türken in Oberhausen für die Verfassungsänderung geworben. Er kündigte heute an, dass der seit Ende Juni 2016 geltende Ausnahmezustand voraussichtlich noch einmal um weitere drei Monate verlängert werde.