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Reaktionen auf die Landtagswahlen
Ursachenforschung am Tag danach

Für die etablierten Parteien ist das starke Abschneiden der rechtspopulistischen AfD bei den Landtagswahlen in drei Bundesländern ein Schock. Wie konnte die Partei plötzlich so stark werden? In den Ländern und in Berlin beginnt die Nachlese. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einem schweren Tag für die CDU.

14.03.2016
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht auf einer Pressekonferenz nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht auf einer Pressekonferenz nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. (AFP / Odd Andersen)
    Die Parteichefin sagte, es habe Licht und Schatten gegeben. Klar sei aber: "Gestern war ein schwerer Tag für die Christlich Demokratische Union." Das alles dominierende Thema der Wahl sei die Flüchtlingspolitik gewesen, sagte Merkel. Für die Menschen sei das Thema noch nicht abschließend gelöst. "Viele Menschen haben den Eindruck, dass diese Welt in großer Unordnung ist." Zudem habe die massenhafte sexuelle Gewalt gegen Frauen in der Silvesternacht in Köln eine große Verunsicherung bei den Menschen ausgelöst.
    Merkel sagte weiter, das gute Ergebnis für die AfD liege am "Protestverhalten" einerseits wegen der Flüchtlingsfrage, andererseits wegen einer Skepsis gegen etablierte Strukturen. Für die Union sei noch Arbeit zu leisten. Die CDU-Chefin betonte, der Bundesvorstand sei sich einig, dass man sich argumentativ mit der AfD auseinander setzen müsse - aber auch klar abgrenzen. Die AfD sei ein Problem für die Union, aber kein existenzielles Problem.
    Seehofer: "Es geht um den Bestand der Union"
    CSU-Chef Horst Seehofer betonte, es habe überhaupt keinen Sinn, daran vorbeizureden, was der zentrale Grund für die Verluste der CDU bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sei: "Die Flüchtlingskrise", sagte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer in München. Und er schob gleich nach, dass die Union "lange brauchen" werde, um die Entwicklungen der vergangenen Monate wettzumachen. Aus Seehofers Sicht geht es "um den Bestand der Union".
    Er kündigte eine härtere Gangart an. Der bisherige "Protest light" der CSU habe zu einer Renaissance der FDP geführt und dazu, dass sich die AFD sich im zweistelligen Bereich etabliert hat. Die CSU werde "mit allen Kräften darauf hinwirken", dass die Flüchtlingspolitik geändert werde.
    Im Deutschlandfunk hatte bereits CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer am Morgen die Forderung seiner Partei nach einem Umdenken in der Flüchtlingspolitik wiederholt. Der Zuzug müsse begrenzt werden. "Deswegen müssen wir auch den Mut haben, national zu entscheiden", sagte Scheuer im DLF.
    In Baden-Württemberg hat die CDU 12 Prozentpunkte im Vergleich zur letzten Landtagswahl eingebüßt. In Rheinland-Pfalz 3,4 und in Sachsen-Anhalt 2,7 Prozentpunkte. Unterstützung bekam erhielt Merkel vom Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer. Er sagte im Deutschlandfunk, er sei sicher, dass ihre Politik in letzter Konsequenz goutiert werde.
    "Zwei Klatschen, die uns schmerzen"
    Bei der SPD hat das Wundenlecken ebenfalls begonnen. Abgesehen von der Freude über den Wahlsieg von Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz blicken die Sozialdemokraten auf deutliche Verluste - in Sachsen-Anhalt knapp elf Prozentpunkt und gut zehn in Baden-Württemberg. Von "zwei Klatschen, die uns schmerzen", sprach SPD-Vizeparteichef Thorsten Schäfer-Gümbel im DLF.
    Der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel schob das schlechte Abschneiden in Sachsen-Anhalt darauf, dass die Bereitschaft zur Protestwahl dort besonders groß gewesen sei. In Baden-Württemberg haben sich seiner Einschätzung nach der SPD zugewandte Wähler doch dazu entschieden, die Grünen zu wählen, um einen Ministerpräsidenten von der CDU zu verhindern.
    "Wir werden alles dafür tun, dass wir das demokratische Zentrum in Deutschland stabil halten", sagte der SPD-Chef in Berlin mit Blick auf mögliche Konsequenzen nach den Wahlen. Die Sozialdemokraten wollten Kernthemen wieder stärker betonen - dazu gehörten der Erhalt einer liberalen Gesellschaft und sozialer Zusammenhalt. "Wir werden den Populisten nicht hinterherlaufen", so Gabriel. Dass Gabriel selbst Konsequenzen nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei ziehen sollte, dafür gebe es keinen Grund, sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley im ZDF-Morgenmagazin.
    Bei der Linken ist man ebenfalls enttäuscht über die Ergebnisse der Landtagswahlen. Man habe mehr erwartet, sagte die Parteivorsitzende Katja Kipping im DLF. Es sei schwierig in einem Klima des Rechtsrucks und der Entsolidarisierung Wahlkampf zu betreiben. Jeder müsse sich fragen, was man der AfD entgegensetzen könne.
    Die Grünen hoffen dagegen auf positive Effekte nach den Landtagswahlen. Von den Parteifreunden im Südwesten könne man lernen, sagte Bundestags-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Montag dem Sender NDR Info. In Baden-Württemberg konnten die Grünen zwar mit sechs Prozent deutlich zulegen, in Rheinland-Pfalz mussten sie allerdings ein Minus von rund 10 Prozentpunkten hinnehmen. Mit Blick auf die AfD sagte Parteichef Cem Özdemir im Deutschlandfunk, die Partei habe Stimmen von denjenigen erhalten, die Zweifel an Gesellschaftsordnung und am System haben. Er sagte, wir müssten uns um deren Probleme kümmern. Der Grünen-Chef forderte von der AfD Leistungen in den Parlamenten, in die sie eingezogen seien.
    Petry: "Bürger wollen einen Politikwechsel"
    Einzig bei der AfD gibt es keinen Grund für Traurigkeit. AfD-Chefin Frauke Petry sagte im Deutschlandfunk die Ergebnisse sagten "etwas darüber aus, dass die AfD eine gesamtdeutsche Partei ist und dass Bürger in allen Regionen Deutschlands einen Politikwechsel wollen". Auf die Frage, ob der Erfolg der AfD in Sachsen-Anhalt nun den innerparteilichen Machtkampf zwischen Petry und dem thüringischen Landeschef Björn Höcke entschieden habe, sagte Petry: "Es geht hier gar nicht um Machtkampf". Höcke hatte den Spitzenkandidaten der Rechtspopulisten in Sachen-Anhalt unterstützt. Beide gehören zum rechtsnationalen Flügel der Partei. Höcke hatte wegen umstrittener rechtspopulistischer Äußerungen die Kritik Petrys und des Bundesvorstands auf sich gezogen.
    (pr/hba/jasi)