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Reaktionen aus Brüssel zur Wahl
Hoffnung auf Deutschland als Stabilitätsanker der EU

Die Stimmengewinne der AfD und die Verluste von CDU und SPD werden im europäischen Ausland sorgenvoll beäugt. Jetzt richten sich die Hoffnungen auf die Bildung einer proeuropäischen Regierung, die dringend benötigte Reformen in der EU vorantreibt.

Von Bettina Klein | 25.09.2017
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) läuft am 25.09.2017 auf einer Bühne an einer Wand mit der Aufschrift "CDU" vorbei.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Tag nach der Wahl. EU-Kommissionspräsident Juncker hofft, dass sie schnell eine "stabile Regierung auf die Beine kriegt". (picture alliance / dpa / Gregor Fischer)
    Das 82-Millionen-Einwohner-Land in der Mitte Europas wird gebraucht, und zwar für die politische Stabilität des Kontinents. Das wird heute deutlich in den Reaktionen, in denen sich Anerkennung für einen weiteren Wahlsieg der deutschen Kanzlerin mischen mit einer gewissen Sorge um den Zulauf einer rechten Partei. Und einer gewissen Unsicherheit darüber, wann sich da, wie welche Regierung in Berlin zusammenfinden wird.
    "Es kommt jetzt darauf an - da Deutschland ein Stabilitätsanker in der Europäischen Union war und es bleiben muss, und ich bin überzeugt mit Frau Merkel auch bleiben wird – es kommt jetzt darauf an, so schnell wie möglich eine stabile Regierung auf die Beine zu kriegen."
    Stabilität und Kontinuität gewünscht
    Kommissionspräsident Jean Claude Juncker zeigte sich heute mittag besorgt angesichts der Kräfteverschiebung im Bundestag. Die AfD müsse ernst genommen werden. Wer aber Populisten nachäfft, der werde selbst zum Populisten:
    "Wer jetzt denkt in Europa, speziell in Deutschland, wäre der Moment gekommen, genau das zu sagen, was die Extreme Rechte sagt, der irrt sich fundamental und bringt Europa in große Gefahr."
    Juncker geht jedoch davon aus, dass aus die gestandenen Parteien in Deutschland daran nicht interessiert sind, die Staatsräson in der Bundesrepublik Deutschland sei immer proeuropäisch gewesen. Doch davon abgesehen ist wenig klar. Welchen Kurs trägt eine künftige Bundesregierung in Europa mit?
    "Permanenter Euro-Länderfinanzausgleich wäre eine rote Linie"
    Ein permanenter Euro-Länderfinanzausgleich wäre eine rote Linie, heißt es bei den Liberalen, ebenso ein Eurozonenbudget. Über die Rolle eines Finanzministers in der EU werde man reden müssen. Doch schon vor der Wahl hatte der bisherige Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff gleichzeitig angemahnt, die deutsch-französische Achse zu stärken und vor einem ständigen erhobene Zeigefinger aus Deutschland gewarnt.
    "Wir müssen aufpassen, in Deutschland nicht in eine Debatte hineinzurutschen, in der der Bevölkerung suggeriert wird, nur Deutschland mache solide Politik, nur Deutschland sei moralisch einwandfrei, nur Deutschland wisse, wo es politisch langgehe - das wird in Europa nicht goutiert…"
    Warten bis zur Landtagswahl in Niedersachsen
    In anderen Fragen wie der Flüchtlingspolitik gibt es jedoch erhebliche Unterschiede zum potenziellen dritten Koalitionspartner. Die grüne Fraktionsvorsitzende im Europaparlament Ska Keller.
    "Klar ist natürlich auch, dass das für uns Grüne das ein ganz, ganz wichtiger Punkt ist, mehr Solidarität in Europa, mehr Zusammenhalt und auch progressive Reformen für Europa."
    Was das genau bedeutet, werden die nächsten Wochen zeigen. Vermutlich wird man sich auch in Brüssel bis nach den Landtagswahlen in Niedersachsen am 15. Oktober gedulden müssen, um zu erfahren, welche Politik sich in Berlin auch für Europa abzeichnet.