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Real-Driving-Emissions-Tests
ADAC analysiert Abgaswerte im Straßenbetrieb

Die VW-Abgasaffäre ist nun gut ein Jahr her. Als Konsequenz daraus will die EU ab 2017 per Gesetz härtere Emissionstests unter Praxisbedingungen vorschreiben: die sogenannten Real-Driving-Emissions-Tests, kurz RDE, die direkt auf der Straße erhoben werden. Der ADAC hat im Vorgriff seinen Ecotest angepasst und die realen Abgaswerte bei einigen Fahrzeugen untersucht.

Von Bernd Schlupeck | 06.12.2016
    Abgase entweichen den Auspuffrohren eines Autos (Jaguar) am 2201.2004 in Frankfurt am Main.
    Als Konsequenz aus den im September 2015 aufgedeckten illegalen Manipulationen des VW-Konzerns bei den Abgaswerten will die EU ab 2017 sogenannte Real-Driving-Emissions-Tests einführen (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Eine Halle des ADAC-Technikzentrums im Gewerbegebiet Landsberg am Lech: Werkzeuge liegen auf Tischen herum, an einer Seite sind Reifen bis zur Decke gestapelt, vor einem dunklen Oberklassewagen steht ein junger Mann - wuschelige Kurzhaarfrisur, Dreitagebart.
    "Mein Name ist Matthias Gall und meine Aufgabe beim ADAC ist die Betreuung der RDE-Messungen."
    RDE ist die Abkürzung für Real Driving Emissions. Das heißt der Ingenieur untersucht, ob Fahrzeuge die auf dem Prüfstand gemessenen Abgaswerte auch im regulären Straßenbetrieb einhalten. Das Prüfverfahren soll ab kommendem Jahr europaweit gelten.
    Matthias Galls Helfer ist ein mobiles Messsystem, montiert auf die Anhängerkupplung des Viertürers und über ein Rohr mit dem Auspuff verbunden. Der Ingenieur öffnet den Deckel.
    "Die Kiste ist circa 40 auf 50 Zentimeter groß und wiegt so um die 15 Kilogramm. Hier sieht man die ganzen Anschlüsse, die für eine Messung notwendig sind, zum Beispiel das Kabel für die Steuerung im Innenraum mit dem Notaus und ein Kabel, das an die Onboard-Diagnose-Schnittstelle des Fahrzeugs geht und den Anschluss für Wetter- und GPS-Daten."
    Das eigentliche Problem sind die Stickoxide
    Im eigentlichen Messmodul werden Abgasproben entnommen und die Werte für Kohlenmonoxid und -dioxid sowie NOx, also Stickoxide, in Milligramm pro Kilometer ermittelt. Anschließend landen die Daten auf einem Tablet. Das klemmt Matthias Gall nun in eine Halterung an der Windschutzscheibe im Inneren des Testwagens. Er zieht das Hallentor hoch, steigt ein und startet.
    "Hier sieht man jetzt nach dem Motorstart, dass die Schadstoffanteile hoch gegangen sind, gerade der CO/CO2-Anteil. Und auch die NO's sind leicht angestiegen."
    Der Ingenieur fährt eine Weile durch das Gewerbegebiet. Im künftigen Fahrtzyklus Worldwide harmonized Light-Duty Vehicles Test Cycle, abgekürzt WLTC, würde dies eine Stadtfahrt simulieren. Mit jedem Schalten und Gas geben schwanken die NOx-Werte auf dem Tablet. Die Ziffern in der Spalte für Kohlenmonoxid und -dioxid bleiben nahezu konstant.
    Bei der eigentlichen RDE-Messung geht es nur um die Schadstoffe: NO und NO2 bei Dieselfahrzeugen. Zum Beispiel, wenn man jetzt hier Gas gibt - das ist immer ein bisschen zeitversetzt, weil das Abgas immer ein bisschen braucht bis es durch die Anlage geht - sieht man deutlich, dass die NO's bei diesem Fahrzeug nach oben gehen. CO ist eigentlich gar kein Problem bei den meisten Fahrzeugen und der CO2-Ausstoß dient lediglich zur Auswertung, ob die Messung im gültigen Korridor der Prüfstandsmessungen liegt oder nicht.
    Nach gut vier Kilometern ist die Testfahrt zu Ende. Solch ein Ausflug wäre zu kurz für die korrekte Abgasmessung. Denn der neue Fahrtzyklus schreibt künftig mindestens 23 Testkilometer in 30 Minuten vor. Beim ADAC-Ecotest auf Basis des WLTC legen die Fahrzeuge gut 90 Kilometer in unterschiedlichen Fahrsituationen zurück. Und das jeweils mit 200 Kilogramm Zuladung.
    Können Real-Driving-Emissions-Tests Manipulation künftig verhindern?
    Momentan müssen Dieselfahrzeuge dabei einen Stickoxid-Grenzwert von 80 und Benziner von 60 Milligramm pro Kilometer einhalten. Für die Straßenwerte wird ein sogenannter Konformitätsfaktor von 2,1 multipliziert. Das soll Abweichungen während der Tests Rechnung tragen und Autoherstellern den Übergang erleichtern:
    "Zum Beispiel der Wert von einem Diesel auf dem Prüfstand beträgt 80 Milligramm pro Kilometer; auf der Straße heißt das, müsste dieser bei knapp 170 Milligramm pro Kilometer liegen."
    Den Stickoxid-Grenzwert von 168 Milligramm pro Kilometer müssen ab 2017 alle Modelle mit einem Antrieb nach Euro-6-Norm einhalten, erklärt Matthias Gall. Für Neufahrzeuge gilt er voraussichtlich erst ab 2019.
    In den folgenden Jahren soll der Konformitätsfaktor dann noch verschärft werden. Ob die Real-Driving-Emissions-Tests künftig Manipulation gänzlich verhindern können, bleibt allerdings abzuwarten.