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Rebound-Effekt bei Energienutzung
Sparen, um mehr zu konsumieren

Energieeffizienz heißt das Zauberwort, mit dem die Bundesregierung den Energieverbrauch bis 2050 halbieren will. Und sinkt die Stromrechnung dank LED-Leuchten, bleibt Geld übrig. Zum Beispiel für mehr oder längere Beleuchtung - ein Rebound-Effekt tritt ein und der ist Gift für die Klimabilanz.

Von Susanne Kuhlmann | 22.05.2018
    Weihnachten 2017 in Walschleben: Mario Leicht hat fünf Kilometer Lichterketten verlegt, 120000 LEDs verbaut, die Fenster sind ein Adventskalender, seit Anfang Dezember besuchten rund 3000 Besucher das Haus.
    120.000 LEDs hat ein Hausbesitzer in Walschleben verbaut - das entspricht fünf Kilometer Lichterketten. (imago / Karina Hessland)
    Der Kühlschrank in der Küche läuft permanent, und wie sich das auf die Stromrechnung auswirkt, hängt von seinem Energieverbrauch ab. Doch das heißt nicht, dass ein neuer und sparsamerer Kühlschrank den Energieverbrauch des betreffenden Haushalts auf jeden Fall verringere, beschreibt Georg Unger vom ClusterEnergieforschung NRW. Diese Einrichtung ist bei der nordrhein-westfälischen Landesregierung angesiedelt.
    "Sie kaufen sich einen neuen Kühlschrank mit der entsprechenden Effizienzklasse, stellen den in Ihrer Küche auf, haben jetzt noch den alten. Was machen Sie mit dem? Den stellen Sie in den Keller, lassen ihn schön durchlaufen, um Ihre Getränke zu kühlen."
    Einsparungen werden wieder investiert
    Ein klassisches Beispiel für den Rebound-Effekt. Rebound meint Rückprall oder Rückstoß. Ein weiteres Beispiel:
    "Sie wechseln Ihre Lampen in Energiesparlampen, was aber zu dem psychologischen Effekt führt: Es kostet weniger. Also schalten Sie das Licht weniger aus. Sieht man häufig, dass die Lichter länger brennen."
    Forscher sprechen dann von direkten Rebound-Effekten. Die indirekten schildert Dr. Henning Wilts vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.
    "Die noch problematischeren indirekten Rebound-Effekte entstehen, weil sowohl Unternehmen als auch Haushalte durch die effizienteren Produkte Geld sparen. Wird dieses eingesparte Geld zum Beispiel für längere Flugreisen ausgegeben, kann die Klimabilanz einer Energiesparmaßnahme schnell negativ ausfallen."
    30 bis 80 Prozent gehen durch Rebound-Effekt verloren
    Prinzipiell ist die Effizienzsteigerung sinnvoll, weil sie dazu führt, dass weniger Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, beschreibt Georg Unger. Doch die indirekten Effekte sind erheblich.
    "Wenn man davon ausgeht, dass die Europäische Union das Ziel hatte, 20 Prozent Energieeffizienzsteigerungen - die werden dann umgerechnet in die politischen Ziele. Wenn dann aber in einzelnen Bereichen 30 bis 80 Prozent durch den Rebound-Effekt verloren gehen, können Sie sich ausrechnen, um wie viel diese Einsparungen nicht umgesetzt werden konnten. Und das bedeutet natürlich, dass man in anderen Bereichen, zum Beispiel dem Ausbau der erneuerbaren Energien weitaus mehr tun muss, um die gesteckten Ziele zu erreichen."
    Verlust von einem Viertel der Einsparmöglichkeiten
    Wie stark der Rebound-Effekt die Einsparungen schmälert, ist nicht leicht zu ermitteln. Die Schätzungen sind nur grobe Annäherungen.
    "Bei den direkten Rebound-Effekten wissen wir zum Beispiel beim Thema Heizung, beim Thema Verkehr oder Beleuchtung, dass sie etwa 10 bis 30 Prozent betragen. Das heißt, wir verlieren etwa ein Viertel der Einsparmöglichkeiten durch Rebound-Effekte."
    "Rebound-Effekt per se ja nicht schlecht"
    Die Dimension der indirekten Rebound-Effekte ist noch schlechter abzuschätzen. Denn wenn Menschen häufiger verreisen oder mehr konsumieren, muss das nicht unbedingt an eingesparten Stromkosten liegen, erläutert Georg Unger vom ClusterEnergieforschung NRW.
    "Reden wir wirklich von einem Rebound-Effekt oder reden wir von Wachstum? Und zwar Wachstum, was auch gewünscht ist, was aber aus anderen Arten entsteht. Zum Beispiel durch Arbeitsteilung, Industrie 4.0, Bevölkerungswachstum etc., wo der Rebound-Effekt per se ja nicht schlecht ist."
    "Wir brauchen eine ökologische Steuerreform"
    Führt technischer Fortschritt zu umweltschonenderem Wirtschaften? Oder brauchen wir mehr Selbstbeschränkung, um bis zur Mitte des Jahrhunderts den Ausstoß von Treibhausgasen um 80 oder 90 Prozent zu senken? Das hält der Weltklimarat für geboten. Henning Wilts vom Wuppertal Institut über mögliche politische Konsequenzen:
    "Für die Politik bedeutet das Thema Rebound-Effekt vor allem, dass wir uns nicht auf rein technische Lösungen verlassen können werden. Was wir unbedingt brauchen ist eine ökologische Steuerreform: Arbeit muss entlastet werden, Energie und Ressourcen müssen noch stärker belastet werden. Hier sagen die heutigen Preise bei Weitem noch nicht die ökologische Wahrheit, was dazu führt, dass unser Konsum vor allem die Umwelt in den Ländern belastet, wo unsere Produkte hergestellt werden."
    Ökosteuern gezielt einsetzen
    Georg Unger vom ClusterEnergieforschung NRW hat Ideen, wofür dieses Geld verwendet werden könnte.
    "Ich müsste dann schauen, inwiefern ich dieses eingenommene Geld sinnvoll einsetze. Dass man dadurch versucht, gezielt zum Beispiel aufzuforsten, in Umweltmaßnahmen zu investieren oder auch vielleicht in Kindergärten, Schulen und dergleichen zu investieren."