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Rechnen gegen die Welle

Geologie. – Der verheerende Tsunami von Weihnachten 2004 hat in der betroffenen Region manches bewegt. Indonesien baut mit deutscher Unterstützung ein Frühwarnsystem auf. Doch an manchen Orten ist die Vorwarnung schwierig, weil die Zeit sehr knapp ist. Auf der Tagung der Amerikanischen Geophysikalischen Union wird diesem Thema deshalb ein breiter Raum zugestanden.

Von Dagmar Röhrlich | 14.12.2006
    Indonesien gehört zu den besonders bebengefährdeten Gebieten, was daran liegt, dass dort die indisch-australische Platte unter die eurasische gleitet. An dieser sogenannten Subduktionszone ereignen sich immer wieder starke Seebeben.

    "”Mit einem Beben an dieser Subduktionszone lösen sich die Spannungen, die sich durch Bewegungen über viele Jahre an der Subduktionszone aufgebaut haben. Bei dem Bruch schnellt der Meeresboden hoch, der dabei auch das Wasser hoch drückt – und dadurch entsteht ein Tsunami.""

    Rund 90 Prozent aller Tsunamis werden durch solche Seebeben an Subduktionszonen ausgelöst, erklärt der russische Wissenschaftler Stephan Sobolev vom Geoforschungszentrum Potsdam. Allerdings muss kein großer Tsunami entstehen. Welche Faktoren bei der Höhe einer Flutwelle entscheidend werden, dem sind Forscher anhand von drei Beben vor Indonesien nachgegangen:

    "”Eines dieser Beben war das Riesenbeben von Weihnachten 2004, das diesen zerstörerischen Tsunami ausgelöst hat. Eine so große Welle ist typisch für ein Rekordbeben der Stärke 9,3. Im März 2005 ereignete sich dort wieder ein schweres Beben, diesmal von der Stärke 8,6. Der Tsunami war aber klein und richtete kaum Schaden an. Das war bei dem dritten Beben im Juli 2006 anders. Es war mit 7,7 zwar das "leichteste", es löste jedoch einen sehr viel größeren Tsunami aus, als wir erwartet hätten. 400 Menschen starben.""

    Eric Geist vom US-amerikanischen Geologischen Dienst USGS in Menlo Park, Kalifornien. Die Beziehung zwischen Erdbeben und Tsunami sei komplex. Es reicht also nicht, für eine Warnung einfach nur die Stärke eines Bebens heranzuziehen, wie es klassischerweise geschieht. Geist:

    "”Um die Beziehung zwischen Beben und Tsunami zu verstehen, muss man etwa wissen, ob der Bebenherd unter tiefem Wasser liegt. Dann ist ein großer Tsunami wahrscheinlich, weil große Wassermassen bewegt werden. So war es bei dem leichtesten der drei Beben. Liegt der Bebenherd unter flachen Wasser, passiert kaum etwas, wie bei dem 8,6er-Beben von 2005.""

    Ob ein Tsunami entsteht, hängt von den Bodenbewegungen beim Beben ab. Die aus den aufgezeichneten Erdbebenwellen heraus zu verstehen, dauert Monate. Die Warnsysteme müssen also auf anderen Daten basieren. Je weniger Zeit zwischen Beben und Ankunft eines Tsunamis vergeht, desto größer ist die Herausforderung – vor allem, wenn in der betroffenen Region viele Menschen leben. Sobolev:

    "Wir sollten ein Warnsystem für die indonesische Stadt Padang aufbauen, die vor diesem Problem steht. Zunächst waren wir pessimistisch, denn uns blieben nur zehn Minuten für eine vernünftige Vorhersage."

    Denn nach einem Seebeben an der Subduktionszone braucht ein Tsunami höchstens eine halbe Stunde bis Padang. Sobolev:

    "Unsere Lage erwies sich als besser als gedacht, denn vor Padang liegt eine Insel, die die Millionenstadt schützen kann: Ereignet sich das Beben jenseits der Insel, hält sie die Wellen ab. Ansonsten läuft der Tsunami ungehindert nach Padang. Wir müssen also wissen, wo sich das Beben ereignet. Das können wir berechnen, weil wir mit GPS die Bodenbewegungen während eines Bebens messen können. So erfahren wir, wo der Bebenherd liegt und wie stark sich die Erde bewegt und daraus lässt sich vorhersagen, was passieren wird. Also bauen wir auf der Insel ein Feld von GPS-Stationen auf, die die Bewegungen in Echtzeit und zentimetergenau messen und so erfahren wir, was am Erdbebenherd passiert."

    Dazu werden die über Satellit an das Rechenzentrum übertragen, und nach sechs, sieben Minuten ist klar, ob Padang von einem Tsunami getroffen wird oder nicht. Aber in den 20 Minuten, die dann noch bleiben, lässt sich keine Millionenstadt evakuieren. Also fordern amerikanische Geologen, dass in der Stadt selbst schützende Plattformen auf Stelzen gebaut werden.