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Recht auf Vergessenwerden
Mangelnde Transparenz bei der Umsetzung

Nach einem bahnbrechenden Urteil des EU-Gerichtshofs zum Schutz der Privatsphäre bietet Google seit dem 29. Mai 2014 das sogenannte "Recht auf Vergessenwerden". Zwar veröffentlicht der Konzern die Zahl der Löschanträge, bislang über 250.000 - von denen 60 Prozent abgeschmettert worden seien -, aber differenziertere Angaben fehlen.

Von Suzanne Krause | 30.05.2015
    Google-Schriftzug auf Computermonitor und Löschungsantrag, Datenlöschung von Google-Suchergebnissen.
    Die Anzeige zum Antrag auf Datenlöschung von Google-Suchergebnissen. (imago/Christian Ohde)
    Seit drei Jahren hilft ReputationVIP vor allem Wirtschafts-Unternehmen, ihren guten Ruf im Internet zu bewahren. Seit Ende Juni 2014 bietet der französische Web-Dienstleister auch für jeden Bürger, der sein "Recht auf Vergessenwerden" wahrnehmen möchte, die kostenlose Plattform "Forget.me". Bertrand Girin, Mitgründer und Präsident von ReputationVIP, bilanziert:
    "Im ersten Jahr der Existenz unserer Plattform haben wir über 60.000 Löschanträge an Google weitergeleitet - 70 Prozent davon wurden abgelehnt."
    Während in Deutschland Verbraucherschutz-Organisationen und Datenschützer lediglich Tipps geben, wo der Lösch-Antrag überhaupt zu finden ist und wie man seinen Wunsch auf Vergessenwerden möglichst erfolgreich vorbringt, bietet "forget.me" Vordrucke für unterschiedlichste Fälle. Standardschreiben, in französisch und englisch, von einem Anwalt rechtlich korrekt und dennoch allgemein verständlich formuliert. Die größte Nachfrage danach kommt aus Großbritannien, gefolgt von Deutschland - knapp jeder 4. Nutzer von 'forget.me' ist Deutscher.
    "Bei knapp zwei Dritteln der Anträge, in 68 Prozent der Fälle, geht es um private Anliegen. Herr und Frau Jedermann bitten darum, dass ihre Telefonnummer nicht mehr in der Suchmaschine auftaucht. Dass nicht mehr gelistet wird, dass sie ihren Job verloren, wie es um ihre Gesundheit oder auch ihre Sexualität bestellt ist und Ähnliches. Als Nächstes folgen Beleidigungen im Internet - das macht elf Prozent der Anträge bei uns aus. Vier Prozent der Nutzer wollen, dass Bilder von ihnen aus dem Internet verschwinden. Und in lediglich drei Prozent der Fälle geht es um die Bitte, Informationen über Strafverfahren, in die man verwickelt ist oder war, zu löschen."
    Zensur für die Pressefreiheit
    Als der Europäische Gerichtshof vor einem Jahr das "Recht auf Vergessenwerden" einführte, klagte beispielsweise die britische Tageszeitung The Guardian, dies bedeute eine Zensur für die Pressefreiheit. Laut den Statistiken von Girins Web-Firma eine unbegründete Sorge.
    "Wir haben bei einer Studie in Deutschland, England und Frankreich alle sogenannten Presse- , also Medien-Webseiten berücksichtigt. Wir haben bei den Lösch-Anträgen unserer Nutzer geschaut, ob sie sich auf Informationen, die die Medien online stellten, bezogen. Das ist bei gerade mal drei Prozent der Anträge der Fall. Und wenn es darum geht, dass jemand, dessen Name in den Medien auftauchte, sich vergessen machen möchte, antwortet Google zu 92 Prozent mit Nein!"
    Klare Regeln, was zu löschen sei, gibt es bis heute keine. Mitte Mai monierten achtzig Experten aus Technik und Datenrecht, in einem offenen Brief in The Guardian die mangelnde Transparenz bei der Umsetzung des 'Rechts auf Vergessenwerden'. Bislang vergeblich plädiert auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, frühere Bundesjustizministerin und Mitglied des 'Lösch-Beirats', dieses Recht über europäische Domänen hinaus weltweit gültig zu machen.