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Rechtsextreme besetzen Naturschutzthemen

NPD und andere Neonazi-Gruppen sind gegen Agro-Gentechnik und fordern besseren Artenschutz. Das alles steht auch in Programmen der Grünen und von Umweltverbänden. Bleiben die Argumente also richtig, auch wenn sie aus rechtsextremem Munde kommen? Nein.

Von Ludger Fittkau | 31.01.2012
    "Deutsche Landschaften sind Kulturlandschaften". Die Auseinandersetzung mit diesem Satz von der Homepage der NPD bildet den Einstieg in die neue, gut gemachte Broschüre zu Rechtsextremisten, die das Feld des Naturschutzes besetzen wollen. Zu sich stark ähnelnden Fotos von Weinbauregionen in Frankreich, Spanien, Chile und Deutschland erinnert der Text daran, dass führende Naturschützer in der Nazizeit "deutsche Landschaften" in Osteuropa planten. Aus Sicht der Nazis zeigten die Osteuropäer aufgrund ihrer "rassischen Minderwertigkeit" auch "kulturelles Unvermögen" und vernachlässigten deshalb auch ihre Landschaften. Durch die Eroberung des Ostens sei der vermeintlich überlegene "deutsche Mensch" in der Lage, eine gepflegte "deutsche" Kulturlandschaft herzustellen. Herausgeberin der Broschüre ist die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken:

    "Es ist nur die deutsche Kulturlandschaft gemeint, also Deutsche haben die hohe Kultur hervorgebracht, andere Landschaften zählen dann gar nicht mehr, ob sie jetzt in Brasilien liegen oder in der Antarktis. Und tatsächlich ist dann auch andere Landschaft, wie zum Beispiel die Steppe, ein verkommener Raum, wo dann die Deutschen im Rahmen der Hitlerherrschaft unter Zuhilfenahme von Zwangsvertreibungen, Zwangsarbeit und Mord eine Besiedlung stattfinden ließen, die dann auch bedeutete, man wollte dort eine quasi deutsche Kulturlandschaft wieder aufbauen und die verkommene Steppe ersetzen."

    "Heimatschutz" ist ein weiteres Schlagwort rechtsextremer Umweltbewegter. Die Deutsche Volksunion (DVU) benutzt es – wie es heißt - gegen "EU-Gleichschaltung" und "Masseneinwanderung". Der Begriff "Heimat" wird in der Argumentationshilfe der rheinland-pfälzischen Landesregierung nicht vollständig den Rechtsradikalen überlassen. Aber es wird daran erinnert, dass schon an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein stark antiindustriell und antiurban aufgeladener "Heimatschutz" -Begriff entstand.

    Heimat war für die Nazis nicht mehr in erster Linie eine konkrete Stadt oder die eigene Familie, sondern eine rassisch begründete Abstammungsgemeinschaft und der von ihr besiedelte Raum – "Blut und Boden". Ulrike Höfken:

    "Wenn die rechten Naturschutz als Heimatschutz bezeichnen, dann sagen sie: die Europäische Union oder die Masseneinwanderung - die zerstört den Bezug zum Boden."

    Dass letzte kleine Kapitel der 34 Seiten umfassenden Mainzer Broschüre "Naturschutz gegen Rechtsextremismus" mahnt zum vorsichtigen Umgang mit dem Begriff "Artenschutz". Der Begriff Naturschutz stamme aus dem 19. Jahrhundert und sei damit älter als der "Artenschutz". Für letzteren stammt laut Broschüre der älteste Nachweis nämlich aus dem Jahre 1936. Von Hans Klose, in der Nazizeit Leiter der Reichsstelle für Naturschutz. Kontext war die Erhaltung des "deutschen Waldes" auch durch die sogenannte "Ausmerzung rassisch minderwertiger Bestände". Die grüne rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken will den Artenschutz nicht zum Unwort erklären. Aber:

    "So ein Merkposten ist nicht schlecht, dass man sich auch davor hüten muss, wie solche Begriffe gebraucht oder missbraucht werden können."

    Auch wenn viele Naturschutzargumente der Rechtsradikalen sich auf den ersten Blick nicht von Positionen der Grünen oder demokratischer Naturschutzverbände unterscheiden: Die Mainzer Broschüre macht exemplarisch klar, wie anders der ideologische Boden ist, auf dem Rechtsradikale mit ihren Ideen von "Heimatschutz" gegen angeblich fremde Rassen und Kulturen stehen – gegen eingewanderte Pflanzen, Tiere oder letztlich auch Menschen.

    Vor allem für Schulen oder Jugendverbände im Umweltschutz ist die neue Broschüre "Naturschutz gegen Rechtsextremismus" empfehlenswert.

    Links bei Deutschlandradio.de:

    "Naturschutz in Braun" (Interview mit dem Journalisten Toralf Staud vom 11. Januar 2012)