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Rechtsextremismus
Hoyerswerda streitet über Flüchtlinge

Vor mehr als 20 Jahren machte Hoyerswerda mit Ausschreitungen gegen Asylbewerberheime Schlagzeilen. Bis heute kämpft die Stadt mit diesem Image. Nicht ganz zu Unrecht, wie eine aktuelle Bestandsaufnahme zeigt. Aktuell mehren sich die Proteste gegen ein geplantes Asylbewerberheim.

Von Nadine Lindner | 12.12.2013
    "Wir stehen hier vor dem zukünftigen Asylbewerberheim, in der Dillinger Straße, das ist im Altstadtbereich. Eine ehemalige Schule für Körperbehinderte."
    Grit Maroske steht vor der Einfahrt zum künftigen Asylbewerberheim. Anfang des Jahres sollen hier rund 100 Asylbewerber einziehen, noch sind die Handwerker da. Die 44-Jährige hat die Ausschreitungen gegen die Ausländer 1991 miterlebt. Maroske weiß, dass ihre Stadt ein Symbol ist.
    "Für die rechte Szene sicherlich die einer ausländerfreien Stadt."
    Grit Maroske kämpft seit Langem um das Image ihrer Stadt, die bis heute wie keine andere in Deutschland mit ausländerfeindlicher Gewalt verbunden wird. Dabei wählen die meisten in Hoyerswerda links – oder die CDU. Die NPD kam hier bei der vergangenen Bundestagswahl auf nur knapp drei Prozent. Und trotzdem: Es gibt einen harten Kern von 25 Neonazis, die auch gewaltbereit sind. Seit Jahren macht sich Grit Maroske gegen sie stark, hat Bürgerinitiativen gegründet, darunter auch "Hoyerswerda hilft mit Herz". Damit will sie den Rechtsextremen den Wind aus den Segeln nehmen.
    "Ich denke, dass es einen Informationsbedarf gibt, weil die Bevölkerung falsche Vorstellungen hat, wieviel steht einem Asylbewerber zu, welche Leistungen bekommt der, die kommen hier nur her, weil sie Wirtschaftsflüchtlinge sind."
    Rückblende: September 1991. Auf die Planstadt aus DDR-Tagen schaute plötzlich die Welt. Über mehrere Tage belagerte ein grölender Mob ein Wohnheim für Vertragsarbeiter aus Mosambik und Vietnam und ein Flüchtlingsheim. Die Polizei reagierte viel zu spät. Mehr als 30 Menschen wurden verletzt. Über 200 schließlich evakuiert. Viele in Hoyerswerda fühlen sich zu Unrecht stigmatisiert. Die Schlagzeilen von 1991 hat auch Oberbürgermeister Stefan Skora von der CDU im Kopf. Er will nicht, dass sie sich wiederholen, wenn Anfang 2014 das neue Heim eröffnet wird. Zum ersten Mal seit den Pogromen wird dann wieder eine größere Zahl von Flüchtlingen hier leben. Auch Skora will seine Bürger auf die Ankunft vorbereiten, arbeitet dafür eng mit Maroskes Bürgerbündnis zusammen.
    "Im Vorfeld das Thema immer wieder wachhalten und auch informieren."
    Dafür hat Skora sogar eine Hotline ins Rathaus eingerichtet – für Bürgerfragen zum Heim. Damit will Skora dem großen Unmut in sozialen Netzwerken wie Facebook begegnen. Dort hetzen seit dem Frühsommer lokale Rechtsextreme und deren Anhänger kräftig gegen die erwarteten Flüchtlinge. Doch viele in der Stadt – so ist es immer wieder zu hören – haben kein rechtes Vertrauen in die Tatkraft ihres Oberbürgermeisters. Zu wenig offensiv positioniere er sich gegen Ausländerfeindlichkeit, sei zu zögerlich, wirklich im rechtsextremen Milieu durchzugreifen. Noch gut ist vielen hier in Hoyerswerda das junge Paar in Erinnerung, das vor einem Jahr von stadtbekannten Neonazis bedroht wurde. Anstatt gegen die Angreifer vorzugehen, empfahl die Polizei dem Paar, die Stadt zu verlassen. Auch ein geplantes Mahnmal zu den Ausschreitungen von 1991 kommt wegen Streitigkeiten nicht voran.
    "Da hat man sich die Chance etwas vergeben, miteinander ins Gespräch zu kommen."
    Der evangelische Pfarrer Jörg Michel arbeitet im Martin-Luther-King-Haus, nur wenige Meter vom Platz für das geplante Mahnmal entfernt, auch er engagiert sich im Bürgerbündnis. Michel wünscht sich, dass die Stadt offensiv mit ihren Problemen umgeht – anstatt zu hoffen, dass sie von selbst verschwinden. Oberbürgermeister Stefan Skora schwächt ab. Er ist sicher, dass die Hoyerswerdschen aus der Vergangenheit gelernt haben:
    "Die Masse der Bevölkerung ja! Ich hab immer gesagt, ich kann nicht in die Köpfe aller Leute reinschauen, wie die Leute denken. Man kann auch keinen Schalter umstellen, wenn man dieses Thema Asylbewerber ablehnt, dann können wir es nur versuchen."
    Es bleibt zu hoffen, dass der Oberbürgermeister Recht behält. Dass die Menschen hier die richtigen Schlüsse aus 1991 gezogen haben. Auf dem Marktplatz der Stadt klingt das etwas anders:
    "Wer hat denn Hoyerswerda in die Schlagzeilen gebracht? Das waren nur die dümmlichen Medien. Wo zum Großteil auch falsch berichtet wurde."
    "Es haben Arbeitskollegen von mir daneben gewohnt, so dolle war das alles gar nicht."
    Doch Hoyerswerda ist kein Einzelfall: Auch in anderen sächsischen Kleinstädten nutzt die NPD soziale Netzwerke um gegen die neue Flüchtlingsheime aufzuwiegeln. Ideale Bedingungen also, um sich Gehör zu verschaffen: Die Europawahlen stehen an, und im kommenden Jahr wird in Sachsen ein neuer Landtag gewählt, mit der Angst vor Flüchtlingen wollen sie punkten. und was wie spontaner Bürgerprotest aussieht, ist gut durchdacht. Etwa in Schneeberg im Erzgebirge, wo es im Herbst mehrere Demonstrationen gab. Aber auch im so weltoffenen Leipzig gingen Demonstranten gegen ein geplantes Asylbewerberheim auf die Straße.
    Zurück auf den Marktplatz von Hoyerswerda. Dort ist Schneeberg oft Thema. Im neuen Jahr wird man sehen, wie die Bemühungen von Stefan Skora und Maroske aufgehen, und die Stadt den neuen Bewohnern wirklich ein neues Stück Zuhause zu bieten kann. Doch auf dem Marktplatz schauen zwei Frauen skeptisch, ob das klappen kann – ihre Erinnerungen an die Wucht der Anschläge von 1991 sitzen noch sehr tief:
    "Man hat da richtig Angst gekriegt."
    "Im Untergrund denke ich, dass da noch einiges ist."
    "Es schwelt der Herd noch. Das ist noch nicht alles weg."