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Rechtsextremismus in Polen
Ermittlungen nach Hakenkreuz und Hitler-Gruß

TV-Recherchen über die Organisation "Stolz und Moderne" sorgen seit dem Wochenende für Aufsehen, Hitler-Huldigung inklusive. Aufmerksam wird auch die Reaktion der Regierung verfolgt: Ihr wurde oft vorgeworfen, rechtsradikale Gruppierungen gewähren zu lassen. Doch das ist dieses Mal anders.

Von Florian Kellermann | 24.01.2018
    Robert Winnicki spricht auf einer Demo zu einer Menschenmasse, er hält ein zu einem Galgen geknotetes Seil in der Hand.
    Robert Winnicki gehört der Organisation "Nationale Bewegung" an. Sein Assistent war der ehemalige Vorsitzende der Organisation "Stolz und Moderne". (dpa/picture alliance/Jerzy Dabrowski)
    Eine gespenstische Szene: Ein brennendes aus Holz gezimmertes Hakenkreuz, davor zeigen zwei Personen den Hitlergruß. Ein Mann in einer SS-Uniform hält eine Rede:
    "Ein paar Worte über Adolf Hitler. Er war einer der besten Strategen, Anführer und Geister aller Zeiten."
    Aufgenommen haben die Szene Journalisten des privaten Fernsehsenders TVN. Sie zeigt Mitglieder der Organisation "Stolz und Moderne" in einem Wald in Oberschlesien. Der 20-minütigen Fernsehbeitrag über die rechtsextreme polnische Szene zeigt auch deutsche und polnische Neonazis gemeinsam bei einem Musikkonzert. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki fand deutliche Worte:
    "Ich möchte den Journalisten danken, die solchen Dingen nachspüren. Die jungen Leute, die solche Symbole zeigen und benutzen, zeigen nicht nur ihr Unwissen, sondern sie sollten auch bestraft werden. In Polen gibt es nicht die geringste Toleranz für nationalsozialistische oder faschistische Symbole."
    Reaktion der Regierung fällt entschlossener aus
    Die Staatsanwaltschaft ermittelt, das Justizministerium will ein Verbot der Organisation. Polnischen Kommentatoren ist aufgefallen, dass die Regierung damit anders reagierte als im vergangenen November. Als bei einem Marsch von Nationalisten in Warschau auch rassistische Transparente zu sehen waren. Nur der Kulturminister und der Präsident hatten das damals klar verurteilt. Für Pawel Kowal, früher Mitglied der rechtskonservativen Regierungspartei PiS, reine Taktik:
    "Die PiS wollte die radikale Rechte nicht gegen sich aufbringen. Nun aber will die Partei ihr Image ändern, außerdem häufen sich jetzt die Vorfälle von extremistischem Verhalten. In der PiS gibt es Leute, die sehr empfindlich darauf reagieren und die bisher wohl ruhig gestellt wurden."
    Für das neue Image der PiS steht der neue Premier Morawiecki, der seit Dezember im Amt ist.
    Doch so einfach will die Opposition die PiS nicht davonkommen lassen. Der Vorsitzende der rechtsliberalen Bürgerplattform Grzegorz Schetyna sagte über das Material von TVN:
    "Das ist eine Warnung an diejenigen, die solches Verhalten tolerieren und nicht reagieren. Die noch versuchen, daraus politisches Kapital zu schlagen."
    Rechtsextremismus nicht erst jetzt ein Problem
    Experten weisen allerdings darauf hin, dass schon frühere Regierungen den Rechtsextremismus nicht ernst genug genommen haben. Rafal Pankowski von der Organisation "Niemals wieder", die diese Szene beobachtet:
    "Ich wundere mich ein bisschen, dass alle sich wundern. Neofaschismus gibt es in Polen seit Jahren. Nehmen wir die Musikfestivals, die der Film auch zeigt und bei denen faschistische Parolen zu hören sind. Dahinter steckt eine ganze Infrastruktur."
    Brisant ist der Fernsehbericht auch, weil er eine Verbindung aus dieser Szene ins Parlament aufzeigt. Der ehemalige Vorsitzende der Organisation "Stolz und Moderne" in Oberschlesien war Assistent des Abgeordneten Robert Winnicki. Winnicki gehört der Organisation "Nationale Bewegung" an. Einige deren Mitglieder kamen über die Liste der rechtspopulistischen Partei Kukiz‘15 in den Sejm.
    Rafal Pankowski: "Robert Winnicki hat immer wieder bei Behörden interveniert, um neofaschistischen Gruppen zu helfen. Er hat dagegen protestiert, dass die Polizei das Musikfestival "Adlernest" beobachtet."
    Doch auch gegen die Besucher dieses Festivals im vergangenen Jahr hat die Staatsanwaltschaft - aufgrund des Fernsehberichts - nun ein Verfahren eingeleitet.