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Rechtsextremismus
Sorge um die Mitte der Gesellschaft

Rechtsextrem-motivierte Straftaten sind im vergangenen Jahr in Deutschland um 23 Prozent gestiegen. Im Westen passieren solche Delikte eher im städtischen Raum, in Nordrhein-Westfalen hat vor allem Dortmund damit zu kämpfen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat dort ein Projekt gegen Rechtsextremismus des Fußballvereins Borussia Dortmund besucht.

Von Moritz Küpper | 15.07.2015
    Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maiziere (CDU) am 13. 7. 2015 in Berlin bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Jahresberichts der Bundespolizei.
    Bundesinnenminister Thomas de Maiziere macht sich Sorgen über die Schnittmengen von Rechtsextremismus und Rechtspopulismus. (Imago / Reiner Zensen)
    Der Einblick in die Praxis beginnt mit einem Wunsch: "Wir müssen erst mal gedanklich wegschalten, weil ganz ehrlich: Wir sind ganz unter uns." Doch so ganz richtig ist das, was Johannes Böing, der diesen Workshop im Lernzentrum von Borussia Dortmund leitet, da sagt, nicht. Denn hier, direkt unter der Südtribüne des Dortmunder Stadions, drängen sich die Kameras und Mikrofone. Der Grund: Im Stuhlkreis, in dem eine Gruppe Schüler Platz genommen hat, sitzt auch Thomas de Maiziere. Der Innenminister ist sommerlich gekleidet, trägt einen beigen Anzug und eine grüne Krawatte. Er ist aus Berlin gekommen, um sich die Dortmunder Fan-Arbeit einmal anzuschauen: "Ich möchte Euch mal fragen, habt ihr das Wort Diskriminierung schon einmal gehört?"
    Böing geht mit den Kindern spielerisch verschiedene Begriffe durch. "90 Minuten gegen Rechts", so der Name dieses Leuchtturmprojektes, in dem spielerisch Prävention geleistet wird, so Leiter Johannes Böing: "Wir erreichen hier 4.000 junge Leute im Jahr zu verschiedenen Themen der politischen Jugendbildung und wenn der Minister vorbeikommt, zeigt das natürlich nochmal, dass wir mit der Zielsetzung nicht so ganz falsch liegen können."
    Es war die Initiative des Ministers, der Fanarbeit des BVB, aber auch Dortmund einen Kurz-Besuch abzustatten. "Die Rechtsextremen versuchen, den Fußball sich nutze zu machen und die Anhänger anzusprechen und deswegen geht jetzt der Verein umgekehrt und sagt: Das hat mit Fußball nichts zu tun, Fußball ist Integration und Vielfalt."
    Gerade Dortmund hat Probleme mit Rechtsextremismus
    De Maziere sitzt nun in seinem Dienstwagen, auf dem Weg zur nächsten Station, einem Redaktionsbesuch im WDR-Studio Dortmund. Gerade in Dortmund tritt das Problem aktuell besonders verschärft auf: Im Moment läuft die Diskussion, ob die Partei Die Rechte, die auch im Dortmunder Stadtrat sitzt, verboten werden soll. Das NRW-Innenministerium prüft dies, dazu will sich der Bundesinnenminister nicht äußern, er hat vielmehr die gesamtgesellschaftlichen Strömungen im Blick: "Der organisierte Rechtsextremismus ist für ein großes Land wie Deutschland objektiv eigentlich kein großes Problem. Was mir Sorgen macht, ist die Schnittmenge zum Rechtspopulismus. Das sozusagen teilweise Hineinkriechen in die Mittelschicht."
    Klammheimliche Sympathie, aber auch die innere Zustimmung, so die Beobachtung des Ministers, nehmen zu. Dieses ließe sich zwar nicht zählen oder mit dem Verfassungsschutz ergründen, aber aktuell diskutierte Themen wie Flüchtlinge oder Asyl würden einen Nährboden bieten: "Deswegen ist mal der wichtigste Beginn, dass man das Thema nicht totschweigt, dass man das offen anspricht, wo es ein Problem gibt."
    Doch während die Probleme vielleicht anderswo eher versteckt auftreten, ist das Thema in Dortmund allgegenwärtig: Bis zu 100 aktive Rechtsextreme treten hier auf, bis zu 30 von ihnen sind gewaltbereit. Von kritischen Journalisten erschienen fiktive Todesanzeigen, vor Flüchtlingsheimen gibt es nationale Mahnwachen. Wie die Medien mit dem Problem umgehen sollen, wird der Minister gefragt: Thematisieren oder eher keine Bühne bieten? Für de Maiziere gibt es nur einen Umgang: "Wir müssen zunächst mal versuchen, dass der Rechtsextremismus nicht sozusagen von rechts in die Gesellschaft kriecht, dafür braucht man eine klare Kante und eine klare Absage."
    Das sei bisweilen mühsam und schmerzhaft. Er wünsche sich allerdings auch eine offenere Diskussion: "Was ich jedenfalls wichtig finde im Bereich Rechtspopulismus, nicht Rechtsextremismus, dass wir wieder streiten und argumentieren. Und das ist etwas, an dem, glaube ich, müssen wir jetzt arbeiten."