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Rechtsruck
Österreich debattiert Umgang mit der wiedererstarkten FPÖ

Mit rechten Parolen hat die FPÖ bei den Landtagswahlen in der Steiermark und im Burgenland Wahlkampf gemacht - und das mit enormem Erfolg. Auf 27,1 Prozent kamen sie in der Steiermark, 15,9 Prozent erreichten sie im Burgenland. Dort will die SPÖ als stärkste Partei eine Koalition mit den Rechtspopulisten eingehen. Das bringt die Österreicher nun aber doch auf die Straße.

Von Ralf Borchard | 10.06.2015
    FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache
    FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache (dpa / picture-alliance / Erwin Scheriau)
    "Nein zu rot-blau."
    Vertreter der Jungsozialisten, der Jugendorganisation der Sozialdemokraten, demonstrieren vor der Parteizentrale in Wien. Die Empörung über die Koalition mit der rechten FPÖ im Burgenland ist groß:
    "Die Politik der FPÖ ist menschenverachtend. So was kann man nicht unterstützten."
    "Die FPÖ ist nicht nur im Burgenland, sie ist in ganz Österreich untragbar. Und es ist schlicht und ergreifend eine Frechheit, dass die SPÖ in eine Koalition mit der FPÖ steigt."
    Der angesprochene Ministerpräsident des Burgenlands, Landeshauptmann Hans Niessl, kann die Aufregung nicht verstehen. Er sagt:
    "Es ist auch aus demokratiepolitischen Gründen nachvollziehbar, dass die stärkste Partei den Landeshauptmann stellt und dass die Partei, die am meisten dazugewinnt, auch in einer Koalition vertreten ist."
    Einen SPÖ-Parteitagsbeschluss, nach dem Koalitionen mit der rechten FPÖ auf allen Ebenen ausgeschlossen sind, ignorierte Niessl schlicht. Dem blamierten Parteichef, Bundeskanzler Werner Faymann, bleibt nur übrig, festzustellen:
    "Auf Bundesebene gibt es keine Zusammenarbeit mit der FPÖ."
    Faymann, der schon vor Monaten eine Nachfolgedebatte am Hals hatte, steht jetzt wirklich am Abgrund, meint der Politikberater Thomas Hofer:
    "Es ist auch so, dass man sieht, dass er machtlos ist in der eigenen Partei. Er konnte das als Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender nicht verhindern. Also da merkt man schon das mangelnde Gewicht, das er derzeit auf die Bretter bringt. Deswegen braucht er sich jetzt auch nicht zu wundern, dass die ersten in der Partei schon seinen Rücktritt verlangen."
    Doch woher kommt die neue Stärke der FPÖ? Fragt man in der Steiermark nach, wo die Rechtspopulisten noch viel deutlicher dazugewonnen haben als im Burgenland, lauten typische Antworten:
    "Es sind die Ausländerthemen gewesen."
    "Ich denk, das ist ein Zeitgeist im Augenblick, weil die Großparteien die Dinge einfach nicht mehr beim Namen nennen. Man laviert herum, man redet, aber man spricht die Dinge einfach nicht an."
    "Die Ausländerpolitik, die hat sicher gut gezogen. Also da sind viele der Meinung: FPÖ."
    Für Politikberater Thomas Hofer ist das Entscheidende die Schwäche von Sozialdemokraten und Volkspartei, die im Bund eine große Koalition bilden - und bei den heiklen Themen nicht den Mut haben, offensiv eigene Positionen zu vertreten:
    "Man imitiert das Thema Nummer eins der Freiheitlichen, nämlich das Thema Migration, Zuzug, Asylanten, und versucht ihnen damit, das Wasser abzugraben. Der Effekt ist nur der genau gegenteilige, indem man nämlich dieses Thema aufnimmt, macht man natürlich die FPÖ stärker, denn in diesem Politikbereich ist die FPÖ nicht zu überholen, da ist sie der Schmied, und die anderen sind nur der Schmiedl, und das sieht man dann auch an den Wahlergebnissen."
    Wird die FPÖ auch auf Bundesebene wieder so stark wie zu manchen Zeiten des verstorbenen Jörg Haider? Von 2000 bis 2006 regierte die Partei unter ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel bereits mit. Zum heutigen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sagt Politikberater Hofer:
    "Strache ist von der Kapazität her sicherlich kein zweiter Haider. Haider war um einiges noch talentierter. In Wahrheit lebt Heinz-Christian Strache noch immer von dieser inhaltlichen und politikstrategischen Aufbauarbeit von Jörg Haider. Aber er verwaltet das ganz gut. Und Ironie am Rande ist, dass zum Beispiel in der Steiermark Jörg Haider Zeit seiner politischen Karriere nie auch nur annähernd auf diese 27 Prozent des Heinz-Christian Strache aktuell gekommen ist."
    Und die Politikwissenschaftlerin Kathrin Steiner-Hämmerle betont, dass in manchen Wählergruppen die FPÖ schon seit Jahren auch auf Bundesebene Nummer eins ist:
    "Wenn wir zum Beispiel junge Männer betrachten als Gruppe, dann ist die FPÖ dort schon längst die stärkste Partei, und ich glaube, es gibt viele Länder, wo man gut beobachten kann, was passiert, wenn sich gerade junge Männer in der Politik nicht ernst genommen fühlen, auch in ihren Entscheidungen."
    Die Zeitung "Der Standard" hat kurz nach den jüngsten Landtagswahlen eine bundesweite Umfrage in Auftrag gegeben. Ergebnis: Die FPÖ liegt vorn, mit 28 Prozent, vor SPÖ und ÖVP mit je 23 Prozent. Würde heute gewählt, wäre die Mehrheit für die jetzige Große Koalition dahin.