Dienstag, 23. April 2024

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Rechtsunsicherheit für junge Wissenschaftler beenden

Engels: Ein Paukenschlag war das gestern, der aus Karlsruhe zu vernehmen war. Das Bundesverfassungsgericht folgte einer Klage mehrerer Bundesländer und erklärte die von Bundesbildungsministerin Bulmahn vorgesehene Regelung für die Juniorprofessur für verfassungswidrig. Mit dieser Juniorprofessur soll es ja bekanntlich jungen Wissenschaftlern ermöglicht werden, auch ohne Habilitationsschrift schnell eine wissenschaftliche Karriere zu machen. Am Telefon ist die Bundesbildungsministerin selbst. Guten Morgen, Frau Bulmahn.

28.07.2004
    Bulmahn: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Frau Bulmahn, Sie sagten gestern, das Urteil richte sich nicht gegen die Juniorprofessur an sich, und in der Tat sprachen sich ja die Richter nur gegen die Art und Weise aus, mit der der Bund in Länderbelange eingegriffen habe. Feststeht aber dann doch, dass diese Niederlage erst mal zu Ihren Lasten geht, oder sehen Sie darin irgendetwas Gutes?

    Bulmahn: Nun, sie geht ja vor allen Dingen leider zu den Lasten der jungen Wissenschaftler. Deshalb werde ich auch sehr schnell eine neue Novelle vorbereiten. Das ist notwendig, damit die Rechtsunsicherheit, die jetzt entstanden ist für die jungen Wissenschaftler, nicht auf deren Rücken ausgetragen wird, sondern damit wir wieder Rechtssicherheit herstellen. Das ist im Übrigen auch notwendig, weil sonst die Länder auch nicht handeln können.

    Engels: Gescheitert ist das Gesetz aber nun mal an Verfahrensmängeln. Sie kritisieren nun auch zu Recht, dass die jungen Wissenschaftler jetzt erst mal leiden. Aber haben Sie das nicht absehen können, dass Ihre Regelung zu weit in Länderrecht hineinreicht?

    Bulmahn: Nein, das war nicht absehbar. Das wird auch deutlich daran, dass in dem Minderheitenvotum des Bundesverfassungsgericht drei Verfassungsrichter hier eine dezidiert andere Auffassung vertreten als die Mehrheit, die Auffassung, die wir auch vertreten, die im Übrigen ja auch nicht vom Himmel gefallen ist. Das Gesetz entspricht ja zum einen den Empfehlungen des Wissenschaftsrates, aber auch der Expertenkommission, die ich eingesetzt hatte, die ein Jahr lang diesen Gesetzesentwurf erarbeitet hat. In beiden Gruppen, sowohl im Wissenschaftsrat als auch in der Expertenkommission, waren die Länder vertreten und haben von daher auch an dem Gesetz selber mitgewirkt.

    Engels: Das Bundesverfassungsgericht hat Ihnen ja durchaus zugestanden, die Eckdaten für eine Juniorprofessur zu bestimmen, die Ausgestaltung aber den Ländern zu belassen. Wie soll denn nun das neue Gesetz aussehen, damit es diesmal schnell und vor allen Dingen sicher durchgeht?

    Bulmahn: Nein, das Bundesverfassungsgericht sagt ganz ausdrücklich, dass in einem Bundesrahmengesetz auch die nicht Eckdaten festgelegt werden sollten, sondern dass wir hier praktisch Skizzen entwerfen könnten. Von daher ist es einfach auch notwendig, dass wir ganz sicherlich in der Föderalismusdiskussion auch miteinander diskutieren, welche Rechte eigentlich in Zukunft dann Bund und Länder jeweils haben sollten. Wenn ein Rahmenrecht nur noch dafür ausreicht, Leitbilder zu entwerfen - so die Rechtssprechung der Mehrheit des Bundesverfassungsgerichtes -, dann ist ein Rahmenrecht nichts mehr Wert.

    Engels: Das sprechen Sie an, Skizzen und Leitbilder sind möglicherweise zu wenig. Fürchten Sie denn, dass wir einen Flickenteppich von Länderregelungen zum Juniorprofessor bekommen, die es möglicherweise dann erschweren, von einem Bundesland als Juniorprofessor ins andere zu wechseln?

    Bulmahn: Also ich gehe davon aus, dass der Konsens, den Bund und Länder ja hatten in der Vorbereitung und auch in der Entwicklung dieses Gesetzes, dass wir nämlich jungen Wissenschaftlern wie international üblich auch in Deutschland früher eigenständige Forschung und Lehre ermöglichen wollen und diesen Karriereweg eröffnen wollen, dass dieser Konsens weiterhin besteht. Deshalb sage ich auch ausdrücklich, dass wir jetzt zügig eine neue Novelle vorbereiten werden, auch vorbereiten müssen. Es geht ja vor allen Dingen um die Frage, wie wir in Zukunft eine Bundeseinheitlichkeit in den wichtigen Fragen, zum Beispiel Abschlüsse, Zugang zu den Hochschulen, bei den arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland erhalten wollen. Das ist eine Frage, die jetzt eine noch größere Rolle in der Föderalismuskommission spielen wird.

    Engels: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat gestern kritisiert, nun sei zu fürchten, dass nun wieder die besten Nachwuchswissenschaftler abgeschreckt würden, weil eben keine klare Regelung derzeit besteht. Sehen Sie die Gefahr auch?

    Bulmahn: Ich sehe schon die Gefahr, dass, wenn wir hier nicht zu vergleichbaren Regelungen kommen wie sie in Europa in vielen anderen Ländern bestehen - international sowieso -, nämlich jungen Wissenschaftlern genau diese Arbeitsmöglichkeiten zu eröffnen, dass dann Deutschland an Attraktivität für exzellente junge Wissenschaftler erheblich verlieren wird. Ich sage noch einmal ausdrücklich, deshalb ist es auch so wichtig, dass wir zügig diesen Karriereweg jetzt rechtlich absichern. Die Rechtsunsicherheit, die jetzt entstanden ist, muss schnell beseitigt werden.

    Engels: Und das geht ja weiter. Ab 2010 sollte ja ursprünglich die Juniorprofessur zur Regel werden und dann die alte Habilitation ablösen. Ist das überhaupt noch erreichbar oder vom Tisch?

    Bulmahn: Wir werden jetzt in Gesprächen mit den Ländern erörtern, wie wir praktisch die Regelung fassen. Ich sage ganz ausdrücklich, das ist entscheidend, auch dass jetzt schon im Gesetz deutlich unterschiedliche Karrierewege genannt worden sind, die Juniorprofessur als Regelvoraussetzung. Aber ich habe auch in den Debatten darauf hingewiesen - im Gesetzestext steht es ausdrücklich drin -, dass auch zum Beispiel eine entsprechende wissenschaftliche Tätigkeit in der Wirtschaft oder in der Hochschule als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder in einer außeruniversitären Einrichtung durchaus der Weg zur Professur sein kann. Entscheidend ist immer die wissenschaftliche Leistung, unabhängig davon, in welchem Dienstverhältnis sie erbracht worden ist. Entscheidend ist die wissenschaftliche Leistung, die in der Berufung durch die Hochschule selber dann auch bewertet wird. Ich hoffe, dass es darüber auch keinen Dissens geben wird, dass das der entscheidende Punkt sein wird, der auch in Zukunft dann die Rolle spielen wird für eine Berufung, für ein Berufungsverfahren.

    Engels: Und ab 2010, denken Sie, ist es machbar, dass dann die alte Habilitation keine Rolle mehr spielt?

    Bulmahn: Ich glaube, dass viele Hochschulen - das zeigt ja zum Beispiel auch sowohl das Votum in der Deutschen Forschungsgemeinschaft als auch der Humboldt-Universität oder der Hochschulrektorenkonferenz - diesen Karriereweg auch für ihre jungen Nachwuchswissenschaftler wollen. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir ihn auch in Zukunft nutzen werden.

    Engels: Kommen wir nun aufs Grundsätzliche. Sie wollen - das haben Sie eben gesagt - ein neues Hochschulrahmengesetz auf den Weg bringen. Wäre es nicht konsequenter dieses Rahmengesetz komplett abzuschaffen, weil Sie sowieso nichts mehr bewirken können?

    Bulmahn: Das Problem ist, dass die Länder zur Zeit auch nicht handeln können. Das heißt, auch die Länder, die die Juniorprofessur wollen, könnten nicht handeln, wenn wir nicht das Hochschulrahmengesetz novellieren, denn jetzt gilt ja wieder das alte, das vierte Hochschulrahmengesetz. Deshalb brauchen wir eine Novelle, damit praktisch die Juniorprofessuren rechtlich abgesichert sind. Grundsätzlich habe ich ja schon selber vor einem guten Jahr vorgeschlagen, dass das Hochschulrahmengesetz entfällt und wir stattdessen die wichtigen Punkte, die ich eben genannt habe, bundesgesetzlich regeln, nämlich die Zulassung zur Universität, die Abschlüsse und die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen, also das Dienstrecht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in Deutschland - das würde ich allerdings für hochproblematisch halten - 16 unterschiedliche arbeitsrechtliche Regelungen haben, das heißt, dass wir ein Dienstrecht haben, was in Nordrhein-Westfalen ganz anders ist als in Thüringen, und dass es dann für junge Wissenschaftler einfacher ist, innerhalb Europas zu wechseln als innerhalb der Bundesrepublik. Das kann nicht die Zielsetzung und eine sinnvolle Wissenschaftspolitik sein.

    Engels: Die letzten Monate waren nicht gerade erfolgreich für Sie. Das Eliteuniprogramm steckengeblieben, die Juniorprofessur nun als Eckpfeiler der Hochschulreform gescheitert. Machen Sie Ihren Job noch lange?

    Bulmahn: Ich mache meinen Job noch lange, weil ich davon überzeugt bin, dass dies der richtige Weg war, und die Reaktionen aus der Wissenschaft selber zeigen es ja im Übrigen auch, dass dieser Karriereweg gewollt wird, dass er ein guter Karriereweg ist. Es ist halt die Studie der Humboldt-Universität noch hervorzuheben, wo die Betroffenen diesen Karriereweg sehr positiv beurteilen. Da lohnt es sich dann auch der Sache Willen, wenn man ab und zu auch mal Rückschläge erhält. Im Ergebnis wird es richtig sein, was wir hier auf den Weg gebracht haben. Man muss eben einfach auch in der Wissenschaftspolitik wie in der übrigen Politik auch den langen Atem haben. Den habe ich.

    Engels: Vielen Dank für das Gespräch.