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Recycling
Regenfilter aus Altreifen

Rund 570.000 Tonnen Altreifen fallen in Deutschland pro Jahr an. Die Hälfte davon wird von der Zementindustrie verbrannt, denn Altreifen besitzen mehr Energie als Kohle. Die andere Hälfte wird als Beimischung für Straßenbeläge oder als Füllung für Kunstrasen verwendet. Doch neuerdings kommen sie auch als Regenfilter zum Einsatz.

Von Maren Schibilsky | 04.04.2017
    Auf einer Halde in Altenberg (Sachsen) liegen unzählige entsorgte Altreifen
    Altreifen sind ein wertvolles Material fürs Recycling: Forscher von der Bauhaus-Universität in Weimar haben jetzt Regenfilter aus dem Material entwickelt. (dpa / picture-alliance / Arno Burgi)
    Am Ortsrand von Mellingen unweit von Weimar. Forscher der Bauhausuniversität haben hier auf einem 28 Quadratmeter großen Versuchsfeld eine neue Regenfilteranlage eingebaut. Sie besteht aus einem Edelstahlzylinder von einem Meter Durchmesser, der in einem Betonschacht sitzt. Darin befinden sich drei verschiedene Filterschichten, die durch Lochplatten voneinander getrennt sind. Das Herzstück ist die unterste Schicht: 50 Zentimeter Gummigranulat.
    Gunther Aselmeyer vom Fachbereich Grundbau hat diesen Regenfilter mitentwickelt. "Wir haben in Laborversuchen das Material getestet und verifizieren können, dass das Material eben Mineralölkohlenwasserstoffe und andere Verbindungen gut zurückhält."
    Vorteile des Gummis
    Gummigranulat als Ölbinder. Doch ist nicht der einzige Grund, warum die Forscher auf dieses neue Filtermaterial setzen. "Gummi ist elastisch, sodass bei Starkregen das Granulat leicht zusammengedrückt wird. Dadurch kann der Filter mehr Wasser aufnehmen. Außerdem besitzen die vier Millimeter kleinen Granulatkörner eine zerklüftete Oberfläche, so dass besonders viele Schadstoffe gebunden werden können", erzählt Projektleiter Karl Josef Witt.
    "Man kann aus allen möglichen Materialien Filter bauen. Meistens wird aber Aktivkohle verwendet, die sehr teuer ist und kurze Standzeiten hat, weil sich die Oberfläche zusetzt. Man sagt, der Filter erschöpft sich und schlägt dann durch, d.h. er kann nichts mehr zurückhalten, weil die Oberflächenkräfte erschöpft sind. Da haben wir hier bessere Konditionen."
    Filter wie in einem Siphon
    Doch Gummi ist kein Alleskönner. Beim Rückhalt von Schwermetallen schnitt das neue Filtermaterial schlecht ab. Daher haben die Forscher ein mehrstufiges System entwickelt. Über dem Gummigranulat befindet sich eine 40 Zentimeter dicke Schicht Mineralgestein aus Zeolith und eine dünne Schicht Aktivkohle.
    Gunther Aselmeyer demonstriert die Funktionsweise des Filters. "Wir haben einen Durchfluss durch das Filterelement von unten. Im Gummigranulat werden vor allem die Mineralölkohlenwasserstoffe adsorbiert. Das Wasser fließt nach Passieren des Gummigranulates in die Zeolith-Körnung, wo Zink und Kupfer adsorbiert werden. Und dann zum Schluss passiert es eben die Aktivkohleschicht und läuft dann zur Versickerung in den Boden."
    Die Forscher nutzen in ihrem Filter das Aufstromprinzip wie in einem Siphon. Das Wasser sieht glasklar aus, wenn es aus dem System kommt. Projektleiter Karl Josef Witt: "Er funktioniert ganz gut als Prototyp. Wir sind mit allen Eigenschaften zufrieden. Wir werden noch weiter testen, um für die serienmäßige Herstellung alle Zweifel bereinigt zu haben."
    Günstiger als herkömmliche Filter
    Bis Juli läuft der neue Regenfilter auf dem Versuchsfeld in Mellingen noch im Probebetrieb. Dann soll er zur Marktreife gebracht werden, erklärt Johann Schmidschneider von der Herstellerfirma Lauterbach Kießling. "Wir prüfen, wie wir das möglichst kostengünstig produzieren können. Wir denken, dass wir im Frühjahr 2018 mit der Produktion beginnen und ihn dann in größeren Mengen produzieren können."
    Der neue Regenfilter aus Gummigranulat soll um ein Zehntel kostengünstiger werden als herkömmliche Filter. Er kann unter jedem Straßengully eingebaut werden. Vor allem unter großen Parkplätzen soll er zum Einsatz kommen. Dort, wo sich Regenwasser besonders stark mit Ölresten vermischt, meint Gunther Aselmeyer von der Bauhaus-Universität Weimar. "Der Filter wird unter Flur eingebaut, damit man an der Oberfläche außer der Schachtabdeckung nichts sieht und es sind Flächen bis 2000 Quadratmeter vorgesehen, die angeschlossen werden können."
    Die Forscher gehen davon, dass der neue Regenfilter bis zu drei Jahre in Betrieb sein kann ohne dass sich seine Schadstoffaufnahmefähigkeit erschöpft. Dann muss auch dieses System ausgetauscht werden.