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Red-River-Gorge-Flusslandschaft
Naturbrücken, Kalksteinhöhlen und abends Linedance

Im US-Bundesstaat Kentucky gibt es mit der Red-River-Gorge-Flusslandschaft ein Naturparadies, das zum Wandern und Klettern einlädt. Der Fluss und das Wasser haben Höhlen und Sandsteinskulpturen geformt - zum Beispiel einen Felsen, der auf einer Fläche in der Größe etwa eines DIN-A4-Blattes balanciert.

Von Rita und Rudi Schneider | 18.10.2015
    Die Natural Bridge
    Die Natural Bridge (Rudi und Rita Schneider)
    Im Osten von Kentucky, gerade mal 140 Meilen von dem Ort entfernt, wo Abraham Lincoln das Licht der Welt erblickt hat, mäandert der Red River gemächlich vor sich hin. Einer der Gründe, warum Naturfreunde aus der ganzen Welt zur Red River Gorge kommen, ist das Werk dieses Flusses, über Jahrtausende unglaubliche Sand- und Kalksteinformationen geschaffen zu haben. Die Cliffs links und rechts des Flussbettes sind bis zu 70 Meter hoch. Durch die Erosion sind aber auch natürliche Felsbögen und Brücken entstanden, erzählt uns Brian Gasdorf, dessen Vorfahren aus Deutschland kommen:
    "In einem Radius von zehn Meilen gibt es hier ungefähr 200 solcher natürlichen Felsenbrücken oder -bogen. In ganz Amerika gibt es keine Region, wo es so viele solcher Steinbögen in einer Flusslandschaft gibt. Wir nennen es Land of the Arches."
    Brian ist Naturkundler an der Red River Gorge. Brian schwingt seinen Rucksack auf den Rücken und wir ziehen los. Man sollte nicht glauben, dass der ruhig dahin fließende Red River solche Formen - kann man sagen - ausgewaschen hat. Steter Tropfen höhlt den Stein. Das Resultat ist hier ein Feuerwerk an Formen und Farben. Ami Atkins hat diese wunderbare Landschaft mit ihrer Familie vom Fluss aus entdeckt:
    "Wir waren mit dem Kanu auf dem Fluss. Mein Mann und die Mädchen waren dabei und jeder hatte sein eigenes Boot. Das war unglaublich interessant. Man hört die Vögel singen, wir haben sogar Biber oder Schlangen im Wasser gesehen. Es ist so eine beruhigende Stimmung in der Natur."
    Brian schmunzelt, offensichtlich hat das Wort Biber bei ihm Erinnerungen wach gerufen:
    "Wer sich mit Bibern auskennt, der weiß, wenn man ihnen zu nahe kommt, dann spritzen sie Wasser mit dem Schwanz und tauchen ab. Wenn man ruhig und geduldig ist, dann kann man sie bis zu einer Entfernung von drei Metern beobachten. Wir sehen auch Otter im Fluss, die allerdings viel seltener sind."
    Unglaubliche Formen im Sandstein
    Wechseln wir von der ruhigen Erkundung des Flusses zur Kletterpartie der Felsen, deren Basis an machen Stellen bis ins Wasser herunter reicht. Einer der Gründe, warum die Leute aus der ganzen Welt zur Red River Gorge kommen, sind die variantenreichen natürlichen Sandsteinfelsen. Für die Kletterer hat dieser Sandstein mit seinen unglaublichen Formen einzigartige Eigenschaften. Ian Teal, der die Kletterlandschaften der Red River Gorge wie kaum ein anderer kennt, treffen wir an einem traumhaften Ausblick:
    "Wir stehen jetzt hier am Rand eines Cliffs und schauen hinunter in diese wunderbare Flusslandschaft. In der Red River Gorge haben wir Klettermöglichkeiten aller Schwierigkeitsgrade. Die Grade 5/6 sind für Anfänger mit vielen einfachen Varianten. Das lässt sich steigern bis zum Grad 5/13. Die Leute kommen aus der ganzen Welt, um hier zu klettern."
    Die Red River Gorge ist als Kletterlandschaft so beliebt, weil es Sandstein ist. Der Unterschied zum Granit ist beispielsweise die Tatsache, dass der Sandstein perfekte Formen für die Finger und Fußspitzen zum Klettern bildet. Diese Bedingungen sind für Kletterschulen ideal, da man hier im direkten Umfeld perfekte Bedingungen für die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade findet.
    Reiseführer Brian Gasdorf.
    Reiseführer Brian Gasdorf. (Rudi und Rita Schneider)
    "Wir haben viele Besucher aus Deutschland, die wegen des Felskletterns kommen, besonders im Winter. Ich finde es immer interessant, welche Fremdsprachen man hier hört. Da vorne sind junge Schweden, vorhin habe ich Franzosen getroffen. Hier ist eine sehr offene Atmosphäre. Manche schließen hier lebenslange Freundschaften und treffen sich immer wieder in der Gorge."
    Freundschaften schließen ist das Stichwort. Wir treffen an der Hemlock Lodge, die über dem Fluss am Berghang klebt, Hanna Wilk. Hanna ist deutsche Austauschschülerin und auf einem Motorrad mit ihren Gasteltern unterwegs, denn unten im Tal verläuft eine sich mit dem Fluss windende Straße, die besonders bei Bikern mit und ohne Motor beliebt ist.
    "Wir sind mit dem Motorrad unterwegs, seit acht Uhr morgens. Ich möchte auf jeden Fall nicht noch mal wieder Auto fahren, wenn man jetzt mal mit dem Motorrad hier durchgefahren ist. Das ist einfach ... Man genießt den Moment, vor allem mit dem schönen Wetter, das macht Spaß."
    Hemlock-Lodge als Ausgangspunkt für Wanderungen
    Die Hemlock-Loge ist auch der Ausgangspunkt der verschiedenen Wanderrouten zum Highlight des Naturparks, der Natural Bridge. Brian schwingt seinen Rucksack über die Schulter, greift zum Wanderstock und los geht 's. Die Natural Bridge liegt etwa 90 Meter oberhalb der Lodge. Auf dem Weg nach oben gibt es viel Interessantes zu sehen, sagt Brian:
    "Die Pflanzen hier an der Natural Bridge sind sehr interessant. Man kommt auf dem Weg nach oben durch sechs verschiedene Gesteinschichten. Man kann dann sehr schön sehen, welche unterschiedlichen Pflanzen und Bäume in den jeweiligen Schichten wachsen. Wir haben oft Wissenschaftler und Studenten hier, die dieses Zusammenspiel in der Natur untersuchen und dokumentieren."
    Der Balanced Rock in Kentucky.
    Der Balanced Rock in Kentucky. (Rudi und Rita Schneider)
    Während wir einen regelrechten Rhododendron Wald durchwandern, schwirren Kolibris um uns herum:
    "Die Kolibris, die rund um uns herum fliegen, sind hier sehr verbreitet. Sie lieben den Nektar. Dieser farbenprächtige hier vorne ist ein Männchen. Die Weibchen sind nicht so glühend wie die Männchen. Ihre Farben ändern sich je nach Sonneneinstrahlung und glühen richtig, das sieht wirklich toll aus."
    Entlang der aufsteigenden Route finden sich fast um jede Ecke unglaubliche Steinformationen, eine davon ist der Balanced Rock, einem Koloss, der an seiner Basis fast auf einem Din-A4-Blatt ruht:
    "Das ist einer der Landmarken der Natural Bridge. Hier gibt es viele dieser auffälligen und deshalb sehr bekannten Sandsteinformen. Der Balanced Rock ist wie die anderen Formen durch das Auswaschen des Sandsteins entstanden. Einige Schichten im Sandstein sind härter, andere sind weicher und waschen sich schneller aus, so entstehen diese wunderbaren Formen. Er steht zwar jetzt in der Balance, aber das muss nicht für immer sein, ein kleines Erbeben könnte dafür sorgen, dass er kippt und runter ins Tal stürzt.
    Beachtliches Höhlensystem
    Das Wasser hat nicht nur diese wunderbaren Formen durch Auswaschen entstehen lassen, sondern auch ein beachtliches Höhlensystem:
    "Wir sind jetzt in der Natural-Bridge-Höhle. Es ist sehr viel kühler als draußen. Das ist Kalkstein, der durch seine Wasserdurchlässigkeit solche Höhlen bildet. An den Wänden dort oben können Sie Fossile sehen. Wir haben auch Fledermäuse und Salamander in dieser Höhle, die sehr weitläufig ist. Wir achten sehr darauf, dass die Tiere möglichst nicht gestört werden. Es ist interessant, zu sehen, was sie zum Überleben brauchen. Der Boden ist ziemlich steinig, seien Sie vorsichtig wenn wir weitergehen."
    Die kühle Luft in der Höhle war eine willkommene Erholung, bevor wir uns auf den letzten etwas schweißtreibenden Aufstieg begeben. Aber das Ziel ist jede Anstrengung wert:
    "Wir stehen hier unter der Natural Bridge. Sie ist ein natürlicher Sandsteinbogen und mit sehr großen Ausmaßen. Sie ist etwa 30 Meter breit und 20 Meter hoch. Man kann sie oben überqueren. Hier an der Seite gelangt man durch diese enge Spalte nach oben. Wir nennen sie Fat Mans Squeeze. Sie ist wirklich sehr eng und sie ist eine natürliche Spalte im Felsen."
    Das Fat Mans Squeeze an der Natural Bridge in Kentucky.
    Das Fat Mans Squeeze an der Natural Bridge in Kentucky. (Rudi und Rita Schneider)
    Brian hat nicht übertrieben. Beim Hinaufklettern durch diese Spalte passt die Kamera- und Mikrofontasche nur noch auf den Rücken. Die Mühe lohnt sich allemal, denn der Blick von oben ist überwältigend. Jason Scott hat es vor mir geschafft und bewundert die Gestaltungskräfte der Natur:
    "Ehrlich, zu wissen, dass das eine Form ist, die die Natur geformt hat, ohne Einfluss des Menschen, die ist einfach gewaltig. Ich bin gerade oben drübergelaufen. Sie hat kein Geländer, sie haben sie so belassen, wie die Natur sie gemacht hat, das ist wirklich cool."
    Cool, Jason sagt es, und setzt sich vorsichtig an den geländerlosen Rand der Abbruchkante. Unser Blick wandert hinunter ins Tal, zur Hemlock Lodge, von wo unser Aufstieg begann. Eine nette Geschichte verbindet die Lodge mit der Natural Bridge. Brenda Johnson erzählt sie uns:
    "Das Zimmer 112 ist unser Zimmer für Leute, die hier ihren Honeymoon verbringen, und dann oft jedes Jahr wiederkommen. Einer der Honeymooners hat letztes Jahr seine Frau verloren. Nun kommt er trotzdem wieder hier her, wandert auf die Natural Bridge und winkt ihr im Himmel zu. Es freut mich so sehr, dass er seine Trauer damit überwindet."
    Linedance auf der Insel.
    Linedance auf der Insel. (Rudi und Rita Schneider)
    Brenda erzählt uns, was man abends nach einem solchen Wander- und Klettertag in der Red River Gorge tut. Unten, mitten im Fluss befindet sich eine kleine Insel mit einer Bühne und Tanzfläche. Dort treffen sich jung und alt zum Linedance.
    Linedance ist hier offensichtlich sehr beliebt. Es fällt auf, dass sowohl Kindergartenkinder oder die sonst so coole Smartphone Generation neben ihren Eltern mitsamt den Großeltern gekonnt und mit großem Spaß wunderbare Figuren zu den Banjo- und Fiddleklängen tanzen.
    Mittlerweile ist der goldene Mond über der Szene aufgezogen und die Sterne spiegeln sich im Red River. Grillen und Frösche haben ihr eigenes Konzert und am Campfire erzählen sich die Wanderer und Kletterer von den Erlebnissen dieses ausklingenden Tages.