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Referendum
Die Schlacht um Schottland

Die Schotten können beim Referendum am 18. September für die Unabhängigkeit ihres Landes stimmen. Vor einer möglichen Loslösung Schottlands vom Vereinigten Königreich wird der Ton nun schärfer. Aus London kommen Warnungen vor schwerwiegenden wirtschaftlichen Konsequenzen.

Von Jochen Spengler | 17.02.2014
    Die Schlacht um Schottland wird verbissener und die Gegner der Unabhängigkeit verfolgen eine Art Abschreckungsstrategie. Lebensmittelkonzerne, Versicherungsunternehmen und Banken warnen vor den negativen wirtschaftlichen Folgen einer Trennung. Bob Dudley, Chef vom Erdölkonzern BP, einem der wichtigsten Investoren in Schottland mahnte.
    "Was wird mit der Währung geschehen, was ist mit den Verbindungen zu Europa? Alle Unternehmen sind besorgt. Meine persönliche Ansicht ist: Großbritannien ist groß – es sollte zusammenbleiben."
    Immerhin dämmerte es dem britischen Premierminister David Cameron, dass eine Angstkampagne allein vielleicht nicht reicht, die Schotten vom Verbleib im United Kingdom zu überzeugen. Reichlich spät versuchte er es vor zehn Tagen mit der Beschwörung einer positiven gemeinsamen Zukunft und einem Appell an die Gefühle.
    "Zusammen stehen diese Inseln für mehr als die Summe ihrer Teile – unser brillantes Vereinigtes Königreich… Wir haben es zusammen aufgebaut, Stein für Stein, Schottland, England, Wales und Nordirland. Dies ist unser Heim und ich könnte nicht ertragen, es auseinandergerissen zu sehen. Wir haben nur noch sieben Monate unser United Kingdom zusammen zu halten und das außergewöhnlichste Land der Geschichte zu retten. Lasst uns dem Schottischen Volk sagen: Wir wollen, dass ihr bleibt."
    Bei Unabhängigkeit: Keine gemeinsame Währung mehr
    Doch Camerons Zuckerbrot folgte sogleich wieder die Peitsche. Am meisten schwang sie George Osborne, der konservative Schatzkanzler. Er erteilte der Absicht der Schottischen Nationalisten unter Alex Salmond, auch nach einer Unabhängigkeit das Britische Pfund als gemeinsame Währung behalten zu wollen, eine klare Absage.
    "Wenn die Nationalisten sagen, dass das Pfund ebenso ihres sei, wie das des Rest-UK, glauben sie dann ernsthaft, dass ein unabhängiges Schottland darauf bestehen kann, dass die Steuerzahler einer Nation, die man gerade verlassen hat, die Währung dieses neuen unabhängigen Landes stützen, dass sie die Interessen dieses unabhängigen Landes bei der Zinsfestlegung berücksichtigen, dass sie hinter dessen Banken als letzter Kreditgarant und hinter dessen Regierung stehen, wenn diese Kredite für öffentliche Ausgaben braucht. Das ist schlicht absurd. Wenn Schottland das United Kingdom verlässt, dann verlässt es auch das Pfund."
    Osborne wurde in dieser Haltung nicht bloß vom liberalen Koalitionspartner unterstützt, sondern auch von der Labour-Opposition und deren Finanz-Sprecher Ed Balls. Die SNP solle schnellstens einen Alternativ-Plan vorlegen; entweder für den Beitritt zum Euro oder für eine eigene Währung. Doch Schottlands First Minister Alex Salmond hat Cameron einen Beschwerdebrief geschrieben und wies die konzertierte Aktion als Bluff, Getöse und Drangsalierung zurück.
    "Bluff, weil das, was sie jetzt und was sie am Tag nach dem Ja zur Unabhängigkeit sagen, zwei völlig unterschiedliche Dinge sind. Getöse, weil wir nicht glauben, dass George Osborne ausgerechnet im nächsten Wahljahr englischen Unternehmen, die Güter nach Schottland ausführen, durch das Nein zur gemeinsamen Währung mehrere hundert Millionen Pfund neuer Belastungen zumuten will. Und Drangsalierung, weil die Zeiten vorbei sind, in denen Westminster-Minister Schottland diktieren konnten. Das wird für die betreffenden Parteien spektakulär nach hinten losgehen."
    Tatsächlich mehren sich die Zeichen, dass die Negativkampagne der Unabhängigkeitsgegner den Trotz der Schotten befördern könnte. Der frühere Labour-Regierungschef von Schottland und strikte Unabhängigkeitsgegner Henry McLeich befürchtet eben dies. Wie Salmond glaubt auch McLeich, dass eine Währungsunion im Interesse beider Staaten liegt und funktionieren würde.
    "Bei der Intervention des Schatzkanzlers geht es vor allem um Angstmache und eine Vermischung von Fakten und Fiktion. Meine Sorge ist, dass Leute, die eigentlich mit Nein stimmen würden, in die Arme der Separisten getrieben werden. Das größte Problem der Unionisten ist, das Westminster seit der Einheit 1707 die Gemeinsamkeit im Königreich nicht ernst nimmt. Es ist keine schottische Angelegenheit, sondern viele spüren, dass die Union selbst im Niedergang ist. Wenn Ihr ein Nein wollt, gebt uns eine Vision für die Zukunft."
    Doch die Angstmache geht weiter. Gestern erst sagte EU-Kommissionspräsident Barroso in der BBC, es werde extrem schwierig, wenn nicht gar unmöglich für ein unabhängiges Schottland, der EU beizutreten.