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Referendum Griechenland
"Ein Stück weit geschockt vom Ergebnis"

Le Pen in Frankreich, Wilders in den Niederlanden und Die Linke in Deutschland - nach dem klaren Ausgang des Referendums in Griechenland seien es vor allem die Extremisten Europas, die nun jubelten, sagte Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion im EU- Parlament, im DLF. "Ein Gemisch, das Europa beschädigen will."

Manfred Weber im Gespräch mit Jasper Barenberg | 06.07.2015
    Manfred Weber (CSU), der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament im Juli 2014
    Manfred Weber (CSU), der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament (picture-alliance / dpa / Tobias Hase)
    Dabei sei es äußerst wichtig, dass Europa nach dem "Nein"-Ausgang des Referendums nun keinen Schaden nehme, sagte Manfred Weber. Vonseiten der EU-Staaten werde es nun weniger Bereitschaft geben, Griechenland entgegenzutreten. Gleichwohl sagte der EVP-Fraktionsvorsitzende: "Verhandeln muss man immer, entscheidend ist nur: Über was redet man." Die anderen Demokratien Europas hätten nun ebenso das Recht, ihre Ideen möglichen Vorschlägen aus Griechenland entgegenzustellen.
    Am gestrigen Sonntag hätten die Griechen "höhere Renten per Referendum erzwungen", sagte Weber. Die Frage sei nur, ob zum Beispiel Staaten wie die Slowakei, die ein deutlich geringeres Rentenniveau habe als Griechenland, bereit seien, das zu finanzieren.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Von der Entscheidung Athens, die Verhandlungen zu beenden und eine Volksabstimmung abzuhalten, waren die Partner schon vor den Kopf gestoßen und in Berlin wie in Brüssel haben sie klar gemacht, dass sie sich ein Ja zu Kompromissen mit den Geldgebern wünschen und vor den Folgen einer Ablehnung gewarnt. Jetzt muss die Koalition in Berlin, jetzt müssen die EU-Kommission, Parlament und Euroländer mit einem klaren Nein umgehen. Am Telefon ist Manfred Weber von der CSU, der EVP-Fraktionsvorsitzende im Europäischen Parlament. Guten Morgen.
    Manfred Weber: Guten Morgen, Herr Barenberg.
    Barenberg: Morgen gibt es den Sondergipfel und auch Beratungen der Euro-Finanzminister. Sollen sie dort ein neues Angebot in Richtung Athen schicken zu weiteren Verhandlungen?
    Weber: Wir sind als Europäer und als Europäische Union zunächst natürlich ein Stück weit geschockt vom gestrigen Ergebnis, die Eindeutigkeit. Und wenn man sich auch die Wirkungen jetzt politisch anschaut, dann muss man sehen, wer europaweit jubelt. Das sind leider Gottes die Extremisten. Es ist Le Pen, es ist Strache in Österreich, es ist Wilders und bei uns in Deutschland Die Linke, die jubelt, und das zeigt sehr deutlich, da ist leider Gottes ein Gemisch jetzt unterwegs in der öffentlichen Debatte, die Europa beschädigen wollen, und deswegen müssen wir jetzt klug vorgehen. Europa darf keinen Schaden nehmen. Wir müssen der Demokratie in Griechenland, die gestern gesprochen hat - das gilt es zu respektieren -, jetzt die Demokratie von 18 weiteren Staaten entgegenstellen. Auch die haben das Recht, jetzt ihre Wünsche zu formulieren.
    "Die anderen Eurostaaten haben das gleiche Recht, jetzt ihre Forderungen auf den Tisch zu legen"
    Barenberg: Sie haben gesagt, man müsse jetzt Schaden von Euro und von Europa abwenden. Wäre es ein Schaden, jetzt wieder zu verhandeln?
    Weber: Es ist nie ein Schaden zu verhandeln und miteinander zu reden. Ehrlich gesagt, angesichts der Konfrontation der letzten Wochen denkt man sich ja oft, dass der frühere Kompromiss, den Europa immer wieder zustande gebracht hat, dieses mühsame, stundenlange, bis in die Nacht hinein sitzen und miteinander beraten, was man früher bei Europa oft kritisiert hat, dass man sich das jetzt wieder zurückwünscht, sozusagen den Weg zum Kompromiss und nicht zur Konfrontation, so wie wir ihn leider aus Athen jetzt gesehen haben. Nichts desto trotz wie gesagt: Verhandeln muss man immer. Entscheidend ist nur, über was redet man, und die anderen Eurostaaten haben das gleiche Recht, jetzt ihre Forderungen auf den Tisch zu legen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da mehr Bereitschaft heute da ist nach dem Ausgang, Griechenland entgegenzukommen. Ich glaube eher, dass die Bereitschaft da sinkt.
    Barenberg: Macht es denn für Sie keinen Unterschied, dass Alexis Tsipras jetzt aus Athen anreist mit diesem Votum einer klaren Mehrheit von 61 Prozent der Bevölkerung im Rücken? Muss das nicht Folgen haben für die Bereitschaft, Zugeständnisse zu machen und dem Rechnung zu tragen?
    Weber: Na ja. Wenn ich mir heute die Situation in Griechenland vergegenwärtige, auch die humanitären Fragen, die auf dem Tisch liegen, dann wundert das Ergebnis eigentlich niemanden. Dass die Menschen dort weitere Sparbeschlüsse nicht wollen, dass sie keine Strukturreformen akzeptieren, das ist nicht die große Frage, weil auch in Portugal hätten die Menschen das gerne alles vermieden. Auch im Baltikum hätten die Menschen das alles gerne vermieden, was in den letzten Jahren an Strukturreformen gemacht worden ist. Aber sie haben es erduldet und heute sind diese Regionen, Spanien, Portugal, Irland und das Baltikum, unsere Wachstumslokomotiven. Wir haben in der Eurozone ja insgesamt eine positive Entwicklung, Stabilität und auch Wachstum, und deswegen überrascht das Ergebnis nicht, stärkt aus meiner Sicht auch Tsipras nicht, weil das erwartbar war. Der entscheidende Punkt ist jetzt, dass die anderen Staaten auch ihre Forderungen auf den Tisch legen. Im Moment, muss man aber klar sagen, fehlt viel Fantasie, wie man die Enden wieder zusammenbringt. Es wurde provoziert, denken Sie nur daran, dass Varoufakis noch von Terroristen gesprochen hat, wenn er über die Geldgeber geredet hat in den letzten Tagen. Deswegen fehlt leider Gottes aktuell die Fantasie, wie wir am Ende wieder zusammenkommen. Entscheidend ist, dass wir die Griechen zunächst respektieren und die anderen Demokratien ihre Positionen dagegenhalten.
    "Die gestrige Abstimmung hat leider zu mehr Konfrontation geführt"
    Barenberg: Und ich verstehe Sie richtig, schon aus Prinzip und mit Blick auf andere Reformländer, Programmländer wie Portugal oder Spanien kann man sich jetzt nicht auf weitere Zugeständnisse gegenüber Athen einlassen?
    Weber: Es steht ja ganz praktisch die Frage im Raum, dass die Menschen in Griechenland gestern höhere Renten per Referendum erzwungen haben. Sie haben gesagt, ich will keine weiteren Rentenkürzungen mehr. Die Rentenhöhe wurde per Demokratie beschlossen. Jetzt ist die Frage, ob die Italiener, die Spanier, die selbst wirtschaftliche Probleme haben, die Slowaken, die ein deutlich geringeres Rentenniveau haben als die Griechen, ob die bereit sind, das zu bezahlen. Das glaube ich nicht und deswegen hat die gestrige Abstimmung leider zu mehr Konfrontation geführt und es wird immer schwieriger, eine gemeinsame Lösung zu finden, und die EZB wird jetzt auch Schwierigkeiten haben, rein rechtlich weitere Liquidität bereitzustellen.
    Barenberg: Ganz gewiss. - Zum Schluss noch die Frage nach der Rolle des IWF, der ja unter anderem einen Schuldenschnitt von 30 Prozent ins Spiel bringt. Sind Sie dafür?
    Weber: Ich bin nicht dafür, dass wir jetzt über einen Schuldenschnitt reden. Die Konditionen waren so, dass bis 2020 kein einziger Euro hätte zurückgezahlt werden müssen, und die Zinssätze für Griechenland sind die besten in Europa, die wir haben. Insofern besteht heute überhaupt kein Druck aufgrund der Altlasten, der Altschulden. Was heute im Raum steht ist die Frage, ob das griechische Volk bereit ist, die notwendigen Veränderungen für einen stabilen Haushalt, dass wir zumindest nicht neue Schulden verursachen, und die notwendigen Strukturreformen in der Wirtschaft vorzunehmen, damit das Land wieder auf die Füße kommt.
    Barenberg: Manfred Weber von der CSU, EVP-Fraktionschef im Europäischen Parlament. Danke für das Gespräch heute Morgen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.