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Referendum in Griechenland
Partystimmung, Angst und Hoffnung

Die Mehrheit der Griechen hat beim Referendum gegen die EU-Sparauflagen gestimmt. Die Stimmung im Zentrum Athens vor der Abstimmung war aufgewühlt. "Ja"-Sager wie der Rentner Takis mussten sich für ihre Entscheidung häufig rechtfertigen.

Von Panajotis Gavrilis | 06.07.2015
    Demonstranten stehen mit griechischen Fahnen und "Oxi"-Plakaten vor dem angestrahlten Parlament in Athen.
    Anhänger der "Nein"-Kampagne feiern vor dem Parlament in Athen das Ergebnis. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    "Es ist ein starkes Nein, ein starkes NEIN in Ihren Händen!"
    Takis schüttelt den Kopf, als ein Redner mit wütendem Gesichtsausdruck diesen Satz auf dem zentralen Syntagma-Platz in den Athener Himmel brüllt. Daneben singen und tanzen ausgelassen die Menschen der Oxi-Seite, viele schwenken dabei blau-weiße Griechenland-Fahnen.
    "Das ist ein unschönes Bild, ich befürchte, das wird Unruhe geben."
    Unruhe und Ungewissheit, davon gibt es schon genug, meint der 75-Jährige, der in Deutschland Bau-Ingenieurwesen studiert hat. Im Gegensatz zu den meisten hier hat er beim Referendum mit Ja gestimmt. Im karierten Hemd und Jeans, Hände in den Hosentaschen, wirkt Takis verunsichert, hält sich zurück mit seiner Meinung.
    "Fängst du an, für Ja zu sprechen, dann hörst du sofort: Warum willst du Ja? Was bist du? Bist du mit den Deutschen? Was nicht die Wahrheit ist. Die Wahrheit ist, ich möchte keine Unruhe und dass die Leute wieder Arbeit haben."
    An fast jeder Ecke werden Hellenische Fahnen verkauft, Autos und Roller fahren hupend vorbei. Ein Student klopft stolz auf seinen großen Oxi-Sticker, der an seiner Brust klebt.
    "Ich bin her gekommen, um das große Nein zu feiern, das wir gesagt haben. Nein gegen das Spardiktat! Ich hoffe, dass uns dieses Nein dabei hilft, uns von den Zwängen zu lösen, damit wir würdig als Land leben können."
    Auch als Ja-Wähler mit Sparprogrammen nicht zufrieden
    In Würde leben, das wünscht sich Takis auch für die Menschen in Griechenland. Nach seinem Studium in Deutschland arbeitete er als selbstständiger Bau-Ingenieur in Griechenland. In den letzten Jahren wurde ihm zwar die Rente um 500 Euro gekürzt, doch es geht ihm noch verhältnismäßig gut mit 1200 Euro im Monat. Beschweren will er sich nicht, stattdessen wäre er sogar bereit, weitere Einschnitte zu akzeptieren, aber auch als Ja-Wähler ist Takis mit den bisherigen Sparprogrammen nicht zufrieden.
    "Es ist nicht Solidarität. Und schuld daran ist, dass diese Menge, die Griechenland gegeben ist - ohne Kontrolle - zur Hilfe der Banken, nicht der Bevölkerung."
    Noch bevor klar ist, dass die Oxi-Seite mit deutlichem Vorsprung gewinnen würde, ist der Rentner am Anfang des Tages noch zuversichtlich, was den Ausgang des Referendums angeht. Zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter spaziert er in der prallen Mittagssonne zur benachbarten Schule, um wählen zu gehen.
    "Dieser Tag ist sehr bedeutend für das Schicksal dieses Landes."
    Nachdem er sein Kreuzchen bei Nai – also Ja gemacht hat trifft er Kostas, einen alten Studienfreund, der auch gerade gewählt hat.
    "Ich habe für Nein gestimmt. Aber nicht Nein zu Europa oder Nein zum Euro. Nein zur weiteren Austerität. Trotz dieser Maßnahmen, trotz dieser Anleihen, wo ist der Erfolg von diesem Programm?"
    Die Grenze des Zumutbaren
    Kostas, der Maschinenbau in Österreich studiert hat, liest regelmäßig deutschsprachige Zeitungen, informiert sich über die Stimmung in Deutschland. Er hat nichts gegen die Menschen in Deutschland, pflegt sogar enge Kontakte zu seinen Freunden. Doch "die Merkel-Politik", wie er sagt, die lehnt er ab.
    "Ich bin sicher, diese Maßnahmen in einem europäischem Land, Deutschland oder Österreich, das wäre nicht möglich. Nie. Ich muss zugeben, dass natürlich viele Sachen in Griechenland nicht in Ordnung waren. Es muss vieles besser werden und wir tragen auch Schuld für das hier. Aber irgendwo muss es auch eine Grenze geben."
    Die Grenze des Zumutbaren findet für Takis auf einer Seitenstraße neben seinem Haus statt, wenn der Wochenmarkt abgebaut wird.
    "Wenn die Bauern weg gehen, bevor die Müllabfuhr kommt, dann siehst du die Leute, die auf dem Boden suchen. Wassermelone, Tomaten. Essen von der Straße. Wovon soll die Bevölkerung leben? Von 20 Euro am Tag? Das reicht nicht. Lebensmittel von den Geschäften werden immer knapper."