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Referendum
Sagt Ungarn Ja zu Orbans Flüchtlingskurs?

In Ungarn sind 8,3 Millionen Bürger dazu aufgerufen, in einem Referendum über die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union abzustimmen. Sie sollen entscheiden, ob ihr Land umverteilte Flüchtlinge aufnimmt. Umfragen rechnen mit einem "Nein" - allerdings könnte der Volksentscheid an einer niedrigen Wahlbeteiligung scheitern.

02.10.2016
    Ungarns Ministerpräsident Victor Orban beim EU-Gipfel in Bratislava, Slowakei.
    Ungarns Ministerpräsident Victor Orban beim EU-Gipfel in Bratislava, Slowakei. (dpa / EPA / Filip Singer)
    Die ungarische Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban weigert sich hartnäckig, den EU-Beschluss über eine Umverteilung von Flüchtlingen umzusetzen - das Land hat bisher keinen einzigen Asylsuchenden nach dem Verteilungsmechanismus aufgenommen. Seit Monaten wirbt Orban für ein "Nein" der Ungarn zur EU-Flüchtlingspolitik. Mit den Flüchtlingen könnten Terroristen ins Land kommen, hieß es unter anderem in der Kampagne. Menschenrechtsorganisationen werfen der Regierung vor, damit gezielt Ängste der Bevölkerung zu schüren.
    Tatsächlich müsste Ungarn nach dem Verteilungsschlüssel nur rund 2.300 von insgesamt 160.000 Flüchtlingen aufzunehmen, deren Umverteilung 2015 in Brüssel beschlossen wurde. Für Orban geht es bei dem Volksentscheid dennoch um viel. Sämtliche Umfragen rechnen mit einer Mehrheit für seinen anti-europäischen Kurs. Laut einer Befragung des Publicus-Instituts von gestern wollen allerdings nur 46 Prozent der Ungarn überhaupt zur Abstimmung gehen. Damit der Volksentscheid gültig ist, müsste die Beteiligung aber bei mindestens 50 Prozent liegen. Die Wahllokale schließen um 19 Uhr Ortszeit (18 Uhr MESZ). Mit Ergebnissen wird im Laufe des Abends gerechnet.
    EU-Parlamentspräsident kritisiert "gefährliches Spiel"
    Orban rief die Bürger gestern noch einmal eindringlich dazu auf, seinen Kurs zu unterstützen. Flüchtlinge bezeichnete er erneut als "Bedrohung" für "Europas sichere Lebensweise". Die Ungarn hätten daher die "Pflicht", sich der gescheiterten Politik der "Elite in Brüssel" entgegenzustellen, schrieb Orban in der Zeitung "Magyar Idok".
    EU-Parlamentspräsident Martin Schulz kritisierte das Referendum und sprach in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe von einem "gefährlichen Spiel". Zudem drohte Schulz Ländern, die sich in der Flüchtlingskrise unsolidarisch zeigten, mit finanziellen Nachteilen. Die Nettozahler in der EU trügen auch die Hauptlast bei der Flüchtlingspolitik, betonte der SPD-Politiker. Wenn einige Empfängerländer meinten, sie hätten einen Anspruch auf Solidarität, sie selbst müssten aber nicht solidarisch sein, werde das bei der Überprüfung der EU-Finanzplanung sicherlich diskutiert werden.
    Österreich will Umverteilung aussetzen
    Österreichs Außenminister Sebastian Kurz forderte die Europäische Union dagegen auf, nicht länger an der Umverteilung von Flüchtlingen auf alle Mitgliedstaaten festzuhalten. "Das Ziel ist völlig unrealistisch", sagte Kurz der "Welt am Sonntag". Das Flüchtlingsproblem lasse sich nicht durch eine Verteilung nach Quoten lösen, meinte der ÖVP-Politiker. Hinzu komme, dass die Debatte den Zusammenhalt der gesamten Europäischen Union gefährden könne. "Sie ist ein gefährlicher Spaltpilz, der für Unruhe, Missverständnisse und Anfeindungen sorgt."
    (jasi/kr)