Dienstag, 23. April 2024

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Referendum Schottland
"Das hilft den Pro-Europäern in Großbritannien"

Großbritannien werde nun förderaler, sagte Simon McDonald, der britische Botschafter in Deutschland, im DLF. Heute habe eine neue Phase im Prozess der Dezentralisierung begonnen. Der Verbleib Schottlands nütze dabei den Pro-Europäern - auch mit Blick auf das geplante Referendum über einen Verbleib Großbritanniens in der EU.

Simon McDonald im Gespräch mit Christoph Heinemann | 19.09.2014
    Roter Anstecker mit der Aufschrift "No thanks"
    Das Logo der Unabhängigkeitsgegner. (picture alliance / dpa / Andy Rain)
    Christoph Heinemann: Mitgehört hat Simon McDonald, der Botschafter des Vereinigten Königreichs in Deutschland. Guten Tag!
    Simon McDonald: Guten Tag, Herr Heinemann.
    Heinemann: Herr Botschafter, sind Sie erleichtert?
    McDonald: Ich freue mich darüber. Das war das beste Ereignis, glaube ich. Es war ein klarer Sieg, ein klares Ja für die Union. Und das hilft Großbritannien insgesamt.
    Heinemann: Haben die Drohungen aus Politik und Wirtschaft gewirkt?
    McDonald: Das ist vielleicht Ihre Analyse.
    Heinemann: Das war meine Frage!
    McDonald: Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, dass am Ende die wichtigsten Faktoren waren die ökonomische Lage, die ökonomische Lage Schottlands innerhalb Großbritanniens, innerhalb Europas. Und das internationale Ansehen. Schottland ist stärker als Teil Großbritanniens als unabhängig als Land.
    Heinemann: Aber die Regierung in London hatte schon Druck aufgebaut.
    McDonald: Die Regierung in London hat mehr Eigenständigkeit geboten, das ist wahr. Und heute hat ein neues Verfahren begonnen. Aber wir müssen ein bisschen länger auf die Einzelheiten warten. Sicher geht es um Steuerpolitik, Sozialausgaben und so weiter. Aber es ist mehr Autonomie für Schottland und andere Teile Großbritanniens.
    Heinemann: Andere Teile - heißt das, Großbritannien wird föderaler?
    McDonald: Ich glaube schon. Deutschland ist vielleicht ein Vorbild, ist nicht das einzige Vorbild, aber wir werden mehr dezentralisiert.
    Heinemann: Herr Botschafter, die britische Regierung ist spät aufgewacht, erst als Umfragen das Ja-Lagers in Führung sahen. Hat London dieses Referendum unterschätzt?
    McDonalds: Ich glaube, nein. Ich glaube, dieser Prozess der Dezentralisierung hat schon mehrere Jahre gedauert. Es hat mit einem Parlament in Edinburgh Ende letzten Jahrhunderts begonnen. Die Übertragung der Kräfte von London an Schottland ist ein langer Prozess. Heute hat hier eine neue Phase begonnen.
    Heinemann: Eine neue Phase. - Angus Robertson, Mitglied des britischen Unterhauses, sitzt dort für die Scottish National Party. Er hat uns jüngst erklärt, dass Schottland der bedeutendste westeuropäische Ölproduzent ist und dass gleichzeitig die Lebenserwartung in einigen Stadtteilen von Glasgow unterhalb der des Gazastreifens liegt. Kümmert sich die Regierung in London zu wenig um die Bürgerinnen und Bürger im Norden?
    McDonald: Ich glaube, die Regierung in London kümmert sich um Schottland genau wie um andere Briten. Wir haben Probleme, sicher, aber nicht nur in Glasgow, auch in Großstädten in England, Wales und Northern Ireland. Und die Regierung kümmert sich um alle Briten.
    Heinemann: Aber haben Sie Verständnis dafür, dass Menschen, die in solchen Stadtteilen leben, in einem Land, das potenziell sehr reich ist, dass diese Menschen von London die Nase voll haben?
    McDonald: Das war das Zeichen aus Glasgow. Glasgow und Dundee haben für die Unabhängigkeit gewählt, aber diese zwei Städte sind nur zwei Teile von Schottland. Es gibt insgesamt 32 Bezirke in Schottland und 28 haben für die Union gewählt.
    Heinemann: Schottland ist jetzt gespalten, 45 zu 55. Wie kann man die Gräben überwinden?
    Der britische Botschafter in Deutschland, Simon McDonald, posiert am 08.02.2012 lächelnd in Berlin.
    Über Sir Simon McDonald
    Geboren 1961 in Salford, Großbritannien. Der Diplomat ist seit 2010 Botschafter für Großbritannien in Deutschland. Seit 1982 ist er im britischen diplomatischen Dienst tätig und hat dort wechselnde Positionen weltweit innegehabt, unter anderem in Dschiddah, Riadh, Bonn, Washington und Tel Aviv. McDonald ist "Knight Commander of the Order of St. Michael and St. George".
    McDonald: Sicher ist es gespalten, aber am Ende war das Ergebnis ziemlich klar. Die Union hat mit Abstand gewonnen. Zehn Prozent ist ein klarer Sieg. Aber jetzt müssen wir nach vorne blicken. Der Wahlkampf war sehr wichtig, das Ergebnis war sehr spannend. Aber die Arbeit, die Aufgabe für die Zukunft ist am wichtigsten heute.
    Heinemann: Herr Botschafter, blicken wir nach vorne. Die Schotten sind mehrheitlich pro-europäisch. In absehbarer Zeit könnte die englische Mehrheit im Königreich für den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union stimmen. Müssten sich die Schotten das dann bieten und gefallen lassen?
    McDonald: Das ist reine Spekulation. Wir haben ein Referendum hinter uns. Wenn die Konservativen nächstes Jahr gewinnen, kommt wahrscheinlich ein zweites Referendum. Aber es ist in zwei oder drei Jahren und ich glaube, es gibt keine Verbindung zwischen diesen zwei Referenden. Aber die Schotten sind wahrscheinlich ein bisschen pro-europäischer als andere Briten. Und weil sie bleiben, hilft das den Pro-Europäern in Großbritannien insgesamt.
    Heinemann: Aber es könnte passieren, dass die pro-europäischen Schotten gemeinsam mit dem Rest des Königreichs aus der EU austreten müssten?
    McDonald: Wie gesagt, das ist reine Spekulation. Das ist eine Frage für einen anderen Tag.
    Heinemann: Herr McDonald, gestatten Sie mir eine persönliche Frage noch?
    McDonald: Ja.
    Heinemann: Ihr Nachname klingt für uns Normalgermanen verdächtig schottisch. Verspüren Sie auch ein klein wenig Bedauern über den Ausgang des Referendums?
    McDonald: Absolut nicht. Mein Name ist eigentlich der bekannteste schottische Name, aber meine Familie ist eine britische Familie. Ich bin in England geboren, ich bin Brite und stolz darauf und für mich persönlich war dieses Ergebnis das beste und ich bin wirklich glücklich.
    Heinemann: Also keine familiären Bindungen jenseits des Hadrianswalls?
    McDonald: Ich habe familiäre Verbindungen und meine Familie ist glücklich auch.
    Heinemann: Simon McDonald, der Botschafter des Vereinigten Königreichs in Deutschland. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!
    McDonald: Danke schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.