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Reform der Medienaufsicht in Großbritannien

Wie in Deutschland wirft die private Konkurrenz auch in Großbritannien den Öffentlich-Rechtlichen vor, durch eine allzu expansive Digitalstrategie den Wettbewerb zu verzerren. Dem will die BBC mit einer Politik der mehr oder weniger freiwilligen Selbstbeschränkung begegnen. Dazu soll beispielsweise jeder einzelne neue oder stark veränderte Service nach Kriterien wie Reichweite, Qualität, und Wirkung einem "Public Value Test" unterzogen werden.

Von Günter Herkel | 07.07.2007
    Verantwortlich für den "Public Value Test" ist eine neue Aufsichtsinstitution, der BBC Trust. Das zwölfköpfige Gremium löste in der neuen, für zehn Jahre gültigen Charter das bisherige rundfunkratähnliche Board of Governors ab. Der Trust-Vorsitzende, die Mitglieder werden von der Regierung für fünf Jahre ernannt, ist zugleich Vorsitzender der BBC. Das ebenfalls neue Executive Board sorgt für die praktische Umsetzung der vom Trust vorgegebenen Unternehmensziele. Matteo Maggiore, BBC-Verantwortlicher für EU und Internationale Politik

    "Es ging darum, ein effizientes Regulierungsorgan zu schaffen, das sich nicht in erster Linie am Interesse des Managements orientiert, sondern im Interesse der Lizenzgebührenzahler arbeitet. Das führte zur Gründung des BBC Trust als getrenntem Organ mit eigenem Personal."

    Wie in Deutschland sind auch auf der Insel Verhandlungen über die Höhe der künftigen Rundfunkgebühr, in Großbritannien heißt sie "license fee", stets ein Politikum. Das unlängst vom Parlament beschlossene neue License-Fee-Abkommen blieb um einiges hinter den Vorstellungen der BBC-Spitze zurück. Die derzeit bei 136 britischen Pfund oder knapp 200 Euro pro Jahr liegende Rundfunkgebühr wird in den nächsten Jahren stufenweise nur geringfügig unterhalb der Inflationsrate angehoben. Maggiore gibt sich dennoch zufrieden.

    "Das Prinzip der Lizenzgebühr wurde nach dreijähriger Debatte beibehalten. Das gibt ausreichend Planungssicherheit, zumindest für die nächsten sieben Jahre. Dann wird darüber neu verhandelt."

    Luke Crawley, stellvertretender Generalsekretär der Mediengewerkschaft BECTU, teilt diese Zufriedenheit nicht. Er sieht einen Zusammenhang zwischen dem aus BBC-Sicht unzureichenden Gebührenabkommen und der regierungskritischen Irak-Berichterstattung der BBC. Nach einem für den Sender negativen Bericht der von der Blair-Regierung eingesetzten Hutton-Kommission waren im Jahr 2005 Intendant Greg Dyke und der Vorsitzende des rundfunkratähnlichen BBC-Board of Governors, Gavyn Davis, zurückgetreten.

    "Die Regierung war der Ansicht, die BBC habe über diese Vorgänge nicht korrekt informiert. Nach der Publikation des Hutton-Berichts, der sehr stark die Sichtweise der Regierung widerspiegelte, wollte Blair sich rächen. Ich glaube, das neue Gebührenabkommen läuft eindeutig auf eine Bestrafung der BBC für ihre Irak-Berichterstattung hinaus."

    Auch der Privatfunk und der Telekommunikationssektor haben eine neue Aufsicht. Mit dem Communications Act 2003 wurde die bisher zersplitterte Regulierung im Bereich der elektronischen Kommunikation dem Office of Communications (Ofcom) übertragen. Die rund 700 Köpfe starke Behörde hat die Oberhoheit über den gesamten Frequenzbereich, vergibt Lizenzen und sorgt für die Einhaltung bestimmter Standards im Rundfunk. Dass unsere vergleichsweise zahnlosen Landesmedienanstalten vom britischen Beispiel einiges lernen können, belegen die strengen Sanktionen der Ofcom bei Lizenzverstößen. Trevor Barnes vom für Programmüberwachung zuständigen Content Board:

    "Soeben haben wir einen ziemlich drastischen Strafbescheid an Channel Five geschickt. Wir werden ihnen ein Bußgeld von 300.000 Pfund abknöpfen für schlechtes Benehmen."

    Der mehrheitlich von RTL kontrollierte Sender hatte nach Auskunft von Barnes in den auch hierzulande sattsam bekannten Call-In-Sendungen über einen längeren Zeitraum hinweg massiv gegen Programmauflagen verstoßen. Äußerst marktorientiert gibt sich die Aufsichtsbehörde dagegen beim Umgang mit freiwerdenden digitalen Übertragungskapazitäten. Ofcom-Vorstandsmitglied Ian Hargreaves outet sich als überzeugter Anhänger von Frequenzversteigerungen.

    "Ofcom steht für das Prinzip: Der beste Weg, das Frequenzspektrum aufzuteilen, läuft über einen Marktprozess, vorzugsweise eine Auktion. Auf diese Weise lässt sich herausfinden, für wen die Frequenz den höchsten Wert besitzt."

    Natürlich müssten auch andere Überlegungen in die Frequenzvergabe mit einfließen. Letztendlich gehe es um die optimale Nutzung des Frequenzspektrums. Im United Kingdom werde die Hälfte aller Frequenzen vom Militär kontrolliert. Das, so Hargreaves, sei doch eine riesige Verschwendung nationaler Ressourcen.