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Reform der Reform?

Dem Bologna-Prozess wird vorgeworfen, zu einer Verschulung des Studiums zu führen und den Leistungsdruck so zu erhöhen, dass nur noch wenig Zeit und Luft bleibt für den Blick aus dem Elfenbeinturm. Bei der Bologna-Nachfolgekonferenz im belgischen Leuven werden wohl auch die Vertreter europäischer Studentenverbände den Finger in die Wunde legen.

Armin Himmelrath im Gespräch mit Regina Brinkmann | 27.04.2009
    Regina Brinkmann: Mehr Basisarbeit für Bologna fordert also Peter Greisler, Leiter der deutschen Bologna-Follow-up-Gruppe. Und nicht nur diese Gruppe prüft, wie gut oder wie schlecht die Reform umgesetzt wird. Bei der Bologna-Nachfolgekonferenz im belgischen Leuven werden wohl auch die Vertreter europäischer Studierendenverbände den Finger in die Wunde legen. Für uns in Leuven ist mein Kollege Armin Himmelrath. Herr Himmelrath, Sie haben bereits mit einigen Studierenden gesprochen, die an dieser fünften Nachfolgekonferenz teilnehmen. Mit welchen Erwartungen und Forderungen gehen Sie in dieses Treffen?

    Armin Himmelrath: Das hängt natürlich sehr stark davon ab, in welchem Land diese Studierenden beheimatet sind. Sie haben sich deshalb auch hier schon in der gesamten vergangenen Woche in Brüssel getroffen, ganz in der Nähe von Leuven, um das mal so ein bisschen untereinander auszuloten und auszutarieren, wo denn die Probleme mit dem Bologna-Prozess liegen. Und da ist in dieser Woche im Rahmen eines Seminars eine wirklich relativ lange Mängelliste zusammengekommen. Das Wichtigste ist für die Studierenden, für den Dachverband der europäischen Studierendenverbände, die soziale Dimension, also die Angst, dass im Bologna-Prozess Hürden aufgebaut werden, die dann irgendwelche Menschen, irgendwelche jungen Menschen vom Studium abschrecken könnten. Das soll verhindert werden. Dann nennen sie die Punkte, die eben auch in dem Beitrag schon kamen, also Probleme mit der Mobilität, mit dem Weg ins Ausland. Die Studienpläne sind so vollgepackt, dass im Grunde keine Zeit bleibt, ein Semester mal jenseits der Grenzen zu studieren. Hinzu kommen die in vielen Fällen noch fehlende Vergleichbarkeit der Studienleistungen, dass also Universitäten untereinander die Studienleistungen nicht so leicht anerkennen, wie sich Studierende das erhoffen. Und die Studierenden sprechen sich europaweit auch gegen Studiengebühren aus. Und einer, der sich dort sehr engagiert, ist, Caesar Michaischusch, er kommt aus Rumänien, leitet dort den studentischen Dachverband, und er benennt noch ein weiteres Thema, nämlich die Frage, ob man Universitäten in Europa europaweit in Rankings miteinander vergleichen soll.

    O-Ton Caesar Michaischusch

    Himmelrath: Er sagt, dass sie diese Rankings genau ja ablehnen aus dem Grunde, weil Studenten das nicht wollen, dass eben die Universitäten und ihre Leistungen auf eine kurze Nummer reduziert werden, sondern er sagt, wir brauchen da wesentlich mehr Kriterien als eben nur einen Ranglistenplatz. Und das ist ein Thema, was die Politiker sehr gerne nach vorne bringen wollen, sie haben nämlich in ihrem Entwurf für das Abschlusskommunikee hier reingeschrieben, dass im Rahmen des Bologna-Prozesses eben ein europaweites Ranking, eine Rangliste der Universitäten und Hochschulen erstellt werden soll.

    Brinkmann: Stichwort Politiker, für Deutschland wird Bundesbildungsministerin Annette Schavan am Konferenztisch in Leuven sitzen. Welchen Verbesserungsbedarf sieht sie beim Bologna-Prozess?

    Himmelrath: Also sie legt sich da in den Vorgesprächen nicht so wahnsinnig fest. Es gibt ein paar Themen, die eben, na ja, umstritten oder zumindest diskussionswürdig sind. Das ist zum Beispiel dieses Ranking. Das ist auch die Frage, wie geht man eigentlich mit diesem Termin 2010 um? Es war ja mal gesagt worden, dass dieser Bologna-Prozess bis 2010 beendet, abgeschlossen sein soll, das ist nun völlig klar, dass das nicht geht. In Deutschland zum Beispiel sind ja die Medizinstudiengänge, auch Jura, auch viele Lehramtstudiengänge noch nicht umgestellt. Also da sagt sie, wir legen uns erst mal nicht auf einen Termin fest, das ist klar, es gibt noch viel zu tun, das wird auch noch Arbeit für die nächsten Jahre sein, der Prozess geht also über 2010 auf jeden Fall weiter. Und was sie auch sagt, ist, dass wir aufpassen müssen, aus deutscher Sicht, dass die Doktorandenausbildung nicht zu sehr verschult wird, denn das ist eine Idee, die gibt es schon hier bei einigen Staaten, dass sie sagen, wir verstehen eigentlich die Promotion, die Doktorandenausbildung, so als dritte Phase des Studiums. Und da sagt Frau Schavan, macht sie nicht mit.

    Annette Schavan: Es gibt unterschiedliche nationale Traditionen, es gibt auch unterschiedliche Wissenschaftskulturen. Und es muss auch in Zukunft so sein, dass die Phase der Promotion auch die Phase sein kann, in der jemand mit seinem Projekt und seinem Thema beschäftigt ist. Also keine Verschulung, Vielfalt auch hier.

    Himmelrath: Und das ist eine klare Kampfansage an eben Länder wie zum Beispiel England, die sagen, wir würden gerne auch für diesen Promotionszeitraum so etwas wie verbindliche Rahmenrichtlinien vorgeben.

    Brinkmann: Es gibt ja viele Mahner und Warner rund um Bologna. Einen radikalen Kurswechsel zum Beispiel, das forderten jetzt die Delegierten beim Gewerkschaftstag der Bildungsgewerkschaft GEW. Werden solche Forderungen eigentlich Gehör finden, wird es also eine klarere Form der Reform geben?

    Himmelrath: Also zunächst mal werden diese Forderungen wahrgenommen, ich bezweifle allerdings, dass sie hier auf dieser Konferenz ab morgen dann auch tatsächlich umgesetzt werden. Es gibt ja eine ganz breite Gruppe von Mahnern - die GEW haben Sie erwähnt. Mit dabei bei denen, die den Bologna-Prozess gerne mal für ein Weilchen aussetzen wollen würden, ist ja auch der Deutsche Hochschulverband, also die Professorenlobby. Es gibt ganz neu eine Erklärung von insgesamt technisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaften aus Deutschland, unter anderem die Gesellschaft deutscher Chemiker mit dabei, die alle sagen, wir müssen da vorsichtig sein, wir geben da im Grunde, wenn wir die Strukturen in Deutschland komplett auf Bologna umstellen, geben wir ein Pfund aus der Hand, da haben wir doch eigentlich gute Strukturen, mit denen wir arbeiten können. Also es gibt viele Kritiker, das wird auch wahrgenommen, aber sie haben, glaube ich, kaum eine Chance hier, auch dann ins Abschlusskommunikee ihre Positionen hinein zu bekommen, einfach deshalb, weil natürlich in den Landesdelegationen und auch in der deutschen Delegation vor allem diejenigen sitzen, die den Bologna-Prozess ganz klar befürworten.

    Brinkmann: Wie kommen denn am Ende die Forderungen für die Verbesserungen des Bologna-Prozesses aus den Reihen der Studierenden und der Politiker zusammen? Gibt es da einen Austausch oder konferiert man aneinander vorbei?

    Himmelrath: Es ist ein bisschen seltsam und es hängt auch da von den Ländern ab. Es gibt Delegationen für die einzelnen Länder, in denen sind auch immer ein, zwei Studierende mit drin. Die deutsche Delegation aber zum Beispiel hat sich noch kein einziges Mal getroffen, da ist heute Abend um 18 Uhr das erste Abstimmungsgespräch, terminiert für eine halbe Stunde, um eine gemeinsame Linie zu finden. Das ist relativ wenig. Andere Länder gehen da viel offensiver mit um, da gibt es schon lange Kontakte zwischen Studierenden und den Ministerien. Das ist in Deutschland nicht so ausgeprägt.

    Brinkmann: Armin Himmelrath, vielen Dank nach Leuven, wo heute schon ein bisschen und ab morgen wohl ganz ausführlich und offiziell über den Stand der Bologna-Reformen gesprochen und beraten wird. Und mehr dazu auch heute Abend im "Hintergrund" hier im Deutschlandfunk um 18:40 Uhr.