Freitag, 29. März 2024

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Reform des EU-Urheberrechts
"Das werden sich nur große Unternehmen leisten können"

Der Verband der Internetwirtschaft, eco, kritisiert die Einigung auf das neue EU-Urheberrecht. So sorge eine Uploadfilter-Lösung dafür, dass große Privatunternehmen in Zukunft "entscheiden, was wir noch sehen und hören und lesen dürfen", sagte der eco-Vorstandsvorsitzende Oliver Süme im Dlf.

Oliver Süme im Gespräch mit Sebastian Wellendorf | 14.02.2019
    Screenshot Google
    Die Reform des europäischen Urheberrechts sieht keine konkreten Uploadfilter vor, macht sie aber wahrscheinlich. (Screenshot Google)
    Sebastian Wellendorf: Es ist entschieden, die EU hat sich auf ein neues Leistungsschutzrecht geeinigt. Noch handelt es sich um eine vorläufige Einigung, die Mitgliedstaaten müssen zustimmen. Einerseits geht es um Texte externer Verlage. Die müssen von Suchmaschinen bezahlt werden, wenn sie dort veröffentlicht werden. Und es geht um Plattformen wie Youtube, auch sie sollen für geschützte Werke haften, die bei ihnen auftauchen. Heißt: einfach so hochladen, ohne Klärung der Rechte Dritter geht nicht mehr. Und gewährleisten sollen das die vieldiskutierten Uploadfilter.
    Die Befürworter der neuen Regelung, also etwa der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, sprechen von einem großen Tag für unabhängigen Journalismus und die Meinungsvielfalt. Der deutsche Verhandlungsführer, Axel Voss (CDU), sieht die Wildwest-Zustände endlich beendet. Die Gegner des Uploadfilters sehen das freie Internet in Gefahr. Und zu diesen Gegnern gehört auch der Verband der Internetwirtschaft, ECO.
    Oliver Süme, was kritisieren Sie als ECO-Vorstandsvorsitzender an der geplanten Uploadfilter-Lösung?
    Oliver Süme: Die Uploadfilter-Lösung, die dort jetzt eingeführt werden soll, ist eine ganz fundamentale Abkehr von Prinzipien, die wir bisher im Rechtsrahmen fürs Internet gehabt haben. Sie bedeutet nichts anderes, als dass eine Infrastruktur aufgebaut werden muss, die vor Veröffentlichung bestimmter Inhalte überprüft, ob vermeintliche Urheberrechtsverletzungen vorliegen und erst dann eine Veröffentlichung von Inhalten zulässt. Und damit werden ganz entscheidende Rechtsfragen in die Hände von privaten Unternehmen gelegt, die mit viel Geld und technischem Aufwand eine Infrastruktur aufbauen müssen, die fehleranfällig sein wird. Und die im Ergebnis dazu führt, dass Privatunternehmen in Zukunft entscheiden, was wir noch sehen und hören und lesen dürfen. Und das wird das Internet, so wie wir es bisher kennen, fundamental ändern.
    Wellendorf: Verstehe ich das richtig – es geht einerseits um Zensur und andererseits ist es eine Frage des Geldes?
    Süme: Und hinzu kommt eben der zweite Aspekt des Eingriffes und Einflusses auf Meinungs- und Informationsfreiheit, weil eben auch Dinge mit aufgefiltert werden, die vielleicht in den Bereich der Satire gehen, die vielleicht aber auch keine Urheberrechte verletzen, eine Software oder ein Algorithmus aber glaubt, dass Verletzungen stattfinden können. Das führt zu einer Filterung von Inhalten, zu der Einschränkung der Verfügbarkeit von Informationen und wird eine fundamentale Veränderung mit sich bringen.
    Wellendorf: Sie sprechen jetzt zwei Aspekte an, welcher ist denn jetzt der ausschlaggebende aus Ihrer Sicht? Ist es einfach nur teuer, solche Methoden, Uploadfilter einzurichten? Oder geht es da auch um die Zensur des Internets?
    Süme: Es geht um beide Aspekte: Denn die Infrastruktur, die da erforderlich ist, die werden sich nur große Unternehmen leisten können. Und die werden das auch tun. Das wird dazu führen, dass viele kleine und mittelständische Anbieter, die wir gerade in Europa haben, weil dieser Markt sehr stark von amerikanischen Großunternehmen geprägt wird, aus dem Markt weiter verdrängt werden.
    "Die Kleinen werden klein gehalten"
    Wellendorf: Aber genau darauf soll das neue Leistungsschutzrecht ja Rücksicht nehmen, dass zum Beispiel kleine Unternehmen, Start-ups, etc., von den Uploadfilter-Lösungen und von dem Zwang dieser Filter-Lösung ausgenommen werden sollen.
    Süme: Das ist auch prinzipiell ein sinnvoller Ansatz. Es führt aber trotzdem dazu, dass die Kleinen klein gehalten werden, und wenn sie eine gewisse Schwelle, die ja bereits bei zehn Millionen Jahresumsatz erreicht ist, eben auch eine solche Infrastruktur einführen müssen. Und Unternehmen dieser Größenordnung sind natürlich nicht ansatzweise zu vergleichen mit den großen Plattformen, weder von den finanziellen Mitteln her, noch von den technischen Mitteln, die sie zur Verfügung haben, um eine solche Infrastruktur aufzubauen.
    Wellendorf: Sie sprechen in dem Zusammenhang von einem Hemmnis für die Digitalisierung in Europa. Aber dennoch, ich gehe jetzt nochmal auf die Gegenposition: Dass Urheber, also Textautoren und Autoren oder zum Beispiel Verlage und Komponisten und Kreative kein Geld bekommen, wenn sie bei Youtube laufen, das ist doch ungerecht?
    Süme: Das ist natürlich ungerecht. Aber es ist ja nicht so, dass wir keinen Rechtsrahmen oder bestehende Mittel für solche Fälle hätten. Es ist bereits nach bestehendem Recht so, dass natürlich auch Youtube und andere Plattformbetreiber für Urheberrechtsverletzungen haften und in dem Moment agieren müssen, wenn sie davon Kenntnis erhalten. Und dieses System der Inhalte, das ist auch gut so, dass rechtsstaatliche Prinzipien aufrechterhalten werden. Weil im Zweifel ein Gericht darüber zu entscheiden hat, ob eine Rechtsverletzung stattgefunden hat oder nicht. Was hier passiert, ist eine Verschiebung von gerichtlichen Entscheidungen in die Hände von Algorithmen und technischen Filtern, die künftig darüber entscheiden, ob Rechtsverletzungen stattgefunden haben.
    "Verlage wollen ihre Gatekeeper-Position behalten"
    Wellendorf: Die wird, das sagen zumindest Befürworter des Gesetzes, bislang noch nicht ausreichend geachtet. Was wäre denn eine faire Lösung aus Ihrer Sicht gewesen?
    Süme: Ich glaube, dass man da ganz innovativ denken muss und sich viel mehr mit der Frage beschäftigen hätte müssen: Wie sehen neue Geschäftsmodelle aus? Wie verändert das Internet und neue Plattformen Wertschöpfungsketten? Und wie finden wir innovative Wege, um alle an dieser Wertschöpfungskette zu beteiligen und dort vor allen Dingen für fairen Interessensausgleich zu sorgen?
    Wellendorf: Nochmal konkret: Wie könnte eine Lösung aussehen für diejenigen, die eine kreative Arbeit leisten? Wie konkret kann das aussehen?
    Süme: Das kann man, glaube ich, nicht gesetzlich vorschreiben. Ich glaube einfach, dass sich da auch Branchen verändern müssen. Ich glaube auch, dass viele Verlagshäuser und Medienhäuser sich überlegen müssen, wie sie dieser neuen Entwicklung auf technischer, aber auch auf der geschäftlichen Ebene gerecht werden. Ich glaube auch, das kann man auch nur zu einem Teil durch rechtliche Vorgaben lösen. Und das, was hier passiert, ist genau das Umgekehrte. Man versucht das, was wir bisher kennen an Wertschöpfungsketten und an Geschäftsmodellen zu schützen, durch das Leistungsschutzrecht einerseits, nach dem nach Möglichkeit alles so bleiben soll wie bisher. Das ist ja auch das erklärte Ziel vieler Verlage, sie wollen ihre Gatekeeper-Position behalten. Das Gleiche gilt für den Bereich der Uploadfilter. Anstatt zu überlegen, wie man diesen Wertschöpungsketten gerecht werden kann, reduziert man die gesetzgeberischen Aktivitäten auf die Rechtsverfolgung, auf die Rechtsdurchsetzungsseite, und versucht mit technischen Mitteln, die Geschäftsmodelle einzudämmen. Und das kann nicht funktionieren.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.