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Reform des Mietrechts
Mieterbund: Mietpreisbremse muss bundesweit gelten

Der Deutsche Mieterbund kritisiert die geplanten Änderungen bei der sogenannten Mietpreisbremse. Bundesdirektor Lukas Siebenkotten sagte im Dlf, die Abschaffung der Ausnahmen wäre das eigentlich Wichtige gewesen. Unter anderem sollte die Deckelung deutschlandweit und nicht nur in einigen Gegenden gelten.

Lukas Siebenkotten im Gespräch mit Martin Zagatta | 19.10.2018
    Lukas Siebenkotten, Direktor des Deutschen Mieterbundes
    Siebenkotten: "Ich würde vor allen Dingen was bei den Bestandsmieten tun" (Rainer Jensen/dpa)
    Martin Zagatta: Bei mir im Studio kann ich Lukas Siebenkotten begrüßen, den Direktor des Deutschen Mieterbundes. Guten Tag, Herr Siebenkotten.
    Lukas Siebenkotten: Guten Tag!
    Zagatta: Wir haben das gerade vernommen. In der Bundestagsdebatte war die Skepsis auch groß, ob diese Verschärfung der Mietpreisbremse viel bringt. Was versprechen Sie sich denn davon?
    Siebenkotten: Leider nicht sehr viel. Es ist eine Verschärfung der Auskunftspflicht für den Vermieter hinsichtlich dessen, was vorher geschehen ist. Aber es ist nicht die Abschaffung der Ausnahmen, und das wäre das eigentlich Wichtige gewesen, die in dieses Gesetz von Anfang an reingekommen sind.
    Zagatta: Kann man denn Ausnahmen abschaffen?
    Siebenkotten: Ja, sicher kann man Ausnahmen abschaffen. Da muss man einfach nur das Gesetz ändern und zum Beispiel sagen, dass die Mietpreisbremse in ganz Deutschland gilt. Das tut sie nämlich nicht; sie gilt nur in bestimmten Gegenden, wenn die jeweilige Landesregierung eine entsprechende Verordnung erlassen hat. Und man kann außerdem natürlich hingehen und kann sagen, es gibt keine Ausnahmen davon, wenn man mal absieht vielleicht von einem gerade neu erbauten Haus. Alle anderen Ausnahmen sind nicht nötig und müssten weg.
    Zagatta: Wenn ich als Vermieter aber modernisiere, wenn ich neue Fenster, neue Bodenbeläge oder sonst was anschaffen muss, dann sagen Sie trotzdem keine Ausnahmen, dann kann ich die Miete nicht erhöhen, obwohl ich die Wohnung deutlich verbessere?
    Mieterbund fordert Kappungsgrenze bei Modernisierungsumlage
    Siebenkotten: Doch, ich soll die Miete auch in Zukunft erhöhen können, nur nicht in dem Ausmaß, wie das bisher der Fall ist. Bei der Modernisierung ist es heute so, dass elf Prozent der Investitionskosten, dessen, was der Vermieter alleine entschieden hat, das er einsetzen will, pro Jahr auf die Kaltmiete aufgeschlagen werden können. Und das kann sehr viel sein. Da brauchen wir wenigstens eine Kappungsgrenze. Das heißt, dass pro Quadratmeter nicht mehr als 1,50 Euro – so stellen wir uns das vor – auf die Kaltmiete aufgeschlagen werden darf. Die Bundesregierung will auch eine solche Kappungsgrenze; das ist grundsätzlich gut. Aber sie will sie bei drei Euro festsetzen. Und wenn Sie mal überlegen: Wenn jemand bisher sechs Euro pro Quadratmeter gezahlt hat und zahlt in Zukunft drei Euro mehr, ist das eine Erhöhung um 50 Prozent, und das können viele nicht tragen.
    Zagatta: Sind das Ausnahmen, über die wir sprechen? Das sagen ja die meisten Vermieter. Da gibt es ja teilweise sehr gute Mietverhältnisse zwischen Vermietern und Mietern. Wir berichten über die Ausnahmen, oder wie verbreitet ist das?
    Siebenkotten: Ich kann nur bestätigen, dass die weitaus meisten Mietverhältnisse sehr vernünftig und sehr vertrauensvoll ablaufen. Und auch im Bereich der Modernisierung dann durchaus vielleicht vorher mal mit dem Mieter gesprochen wird und man zu einer vernünftigen Lösung kommt. Aber es gibt schon eine ganze Reihe von Fällen, wo Vermieter ganz bewusst sehr teuer modernisieren, um die bisherige Klientel loszuwerden und durch eine zahlungskräftigere zu ersetzen. Das darf auf keinen Fall möglich sein und dazu bedarf es einer solchen Kappungsgrenze.
    Zagatta: Nun haben wir gerade (ich glaube, es war der Vertreter der AfD) in der Bundestagsdebatte gehört, der sagt, das sei alles wirklichkeitsfremd, das wahre Problem sei doch die hohe Nachfrage in den Metropolen. Das sage schon der gesunde Menschenverstand. Hat er da nicht recht?
    Siebenkotten: Die hohe Nachfrage in den Metropolen bedarf zweier Antworten. Die eine Antwort ist, es muss gebaut werden. Es muss bezahlbaren Wohnraum mehr geben als bisher. Das ist aber keine Frage des Mietrechts, sondern der Investitionen.
    Zagatta: Aber werden da potenzielle Vermieter nicht auch abgeschreckt durch solche Diskussionen?
    Siebenkotten: Ich glaube das nicht, weil ausgerechnet der Neubau – das sagen auch wir – auf gar keinen Fall eine Ausnahme bilden soll. Beim Neubau kann ich die Miete so bilden, wie ich es gerne möchte.
    Zagatta: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat jetzt herausgefunden in einer Studie, dass die Mieten in Gebieten mit dieser Mietpreisbremse ausgerechnet dort stärker gestiegen sind als dort, wo es diese Bremse nicht gibt. Zeigt das nicht auch irgendwo – so sagen ja die Kritiker – den Unsinn dieser Regelungen?
    Siebenkotten: Erhöhungen bei Bestandsmieten müssen angepackt werden
    Siebenkotten: Es zeigt zunächst mal, dass die Mietpreisbremse ausschließlich für Neuvermietungen oder Wiedervermietungen gilt, also für den neuen Mietvertrag. Für mehr als 90 Prozent aller Mietverhältnisse pro Jahr gilt sie nicht, weil die bestehen und bestehen bleiben. In diesem Feld finden die meisten Erhöhungen statt. Die werden dadurch überhaupt nicht bekämpft. Da müsste man eine Verbesserung der Kappungsgrenze im laufenden Mietverhältnis hinkriegen. Das hat die Bundesregierung leider überhaupt nicht angepackt.
    Zagatta: Die zuständige Ministerin, Katarina Barley – das haben wir im Bericht eben gehört -, die hat sinngemäß gesagt, wenn es nach der SPD gegangen wäre, dann würde man jetzt viel, viel weiter gehen. Dazu gehört auch ein Verbot, so haben es die Sozialdemokraten gefordert, Mieten auf eine bestimmte Zeit überhaupt noch erhöhen zu dürfen. Erinnert das ein bisschen an die DDR, oder halten Sie das für sinnvoll?
    Siebenkotten: Die SPD hat gefordert, dass nur noch um den Inflationsausgleich erhöht werden darf. Wir als Mieterbund sind der Auffassung: Ja, es darf Erhöhungen geben, aber sie sollten in den nächsten Jahren jedenfalls nicht mehr als zwei Prozent pro Jahr betragen dürfen. Darauf können sich die meisten Mieter finanziell einstellen.
    Zagatta: Die SPD würde selbst Ihnen zu weit gehen mit dieser Forderung?
    Siebenkotten: Die Inflationsrate ist im Moment bei ungefähr zwei Prozent, sodass das in etwa ähnlich wäre. Es ist ja im Moment auch gar nicht so toll, mal irgendwas positiv zu finden, was die SPD macht, aber in diesem Fall sind wir ähnlicher Meinung wie die SPD.
    Zagatta: Wenn Sie schon bei Inflationsraten sind – ist nicht auch ein Hauptgrund für die zunehmenden Investitionen in Wohnraum, die wir ja sehen, dass auch große Unternehmen da teilweise einsteigen, ist es nicht auch die Null-Zins-Politik der EZB und kann man dagegen mit einer Mietpreisbremse sinnvoll angehen?
    "Strauß von Maßnahmen" notwendig
    Siebenkotten: Nein. Eine Mietpreisbremse alleine bewirkt überhaupt nichts. Sie muss ein Teil von einem Strauß von Maßnahmen sein. Ich sagte ja: Wir müssen uns auch um die Bestandsmieten kümmern. Und vor allen Dingen müssen wir bauen, und zwar es muss das gebaut werden, was hinterher für sieben oder acht Euro pro Quadratmeter vermietet wird und eben nicht für 16 oder 18 Euro. Da ist in den letzten Jahren Erhebliches versäumt worden. Man hat auch in den Markt nicht eingegriffen als Regierung, was dazu geführt hat, dass vor allem solche Häuser und Wohnungen gebaut worden sind, die man im höherpreisigen Bereich absetzen konnte. Ein bisschen übertrieben gesagt: Reich baut für Reich. Das muss ein Ende finden. Das kann gerne weiter passieren, aber wir müssen es ergänzen, um genügend bezahlbaren Wohnraum.
    Zagatta: Doch noch Kritik an der SPD? Die trägt ja vielerorts auch die Verantwortung.
    Siebenkotten: Ich habe ja auch nicht gesagt, dass ich alles gut finde, was die SPD macht. Es war nur ein einziger Punkt, wo ich mich eben positiv zu geäußert habe.
    Zagatta: Sie beraten auch die SPD. Die fragt bei Ihnen auch nach. Viele Ihrer Mitglieder stehen der SPD vielleicht auch nahe. Was würden Sie denen jetzt noch raten? Was müssten die jetzt tatsächlich noch in ein solches Gesetz reinbringen, oder was hat man da versäumt?
    Siebenkotten: Ich würde zum einen bei der Modernisierung sehr viel mehr tun, als Frau Barley jetzt auf den Weg gebracht hat. Das heißt, ich würde hier eine deutliche Senkung der eben mal beschriebenen elf Prozent, die pro Jahr von der Investitionssumme umgelegt werden können, auf nur vier oder fünf Prozent machen. Tatsächlich werden es jetzt acht, das aber auch wieder nur in bestimmten Gebieten, nicht in ganz Deutschland. Und ich würde vor allen Dingen was bei den Bestandsmieten tun, nämlich das, was ich eben schon gesagt habe: zwei Prozent pro Jahr, jedenfalls für die nächsten fünf oder sechs Jahre, an Erhöhung nicht überschreiten.
    Zagatta: Was heißt das bei Neuvermietungen jetzt wirklich in der Praxis? Sie erleben es in Berlin ja auch: Da stehen teilweise 30, 40, 50 Interessenten da, wenn eine halbwegs bezahlbare Wohnung vermietet wird. Wie kann man das kontrollieren? Ich gehe doch als möglicher Mieter da nicht hin und sage, ich bin jetzt heilfroh, diese Wohnung bekommen zu haben, und im nächsten Moment klage ich gegen Sie oder drohe Ihnen mit juristischen Schritten.
    Siebenkotten: Nein. Zu allererst mal sollte man natürlich dem Vermieter, wenn man unter 80 Leuten oder 80 Bewerbern ist, nicht besonders kritische Fragen stellen, weil die Wahrscheinlichkeit, dass man dann genommen wird, gleich null ist. Das heißt, wenn man überhaupt was kritisieren will, sollte man es erst nach Mietvertragsabschluss tun.
    Zagatta: Ist das nicht ein bisschen pervers?
    Siebenkotten: Nein, pervers ist das nicht. Pervers ist eher das System, das so was ermöglicht.
    Zagatta: Ich stelle mich möglichst freundlich und hinterher zeige ich mein wahres Gesicht?
    Siebenkotten: Ja, das ist schon schlimm. Da haben Sie recht. Das sollte man grundsätzlich nicht tun. Aber die Frage ist ja, wie fair ist der Vermieter vorher mit mir umgegangen. Das heißt, hat er zum Beispiel irgendwelche Mieterhöhungsgeschichten eingebaut, die er gar nicht hätte dürfen. Wenn das so ist, dann darf ich doch auch eigentlich hinterher meckern. Oder nicht?
    Zagatta: Das leuchtet auch ein – Lukas Siebenkotten, der Direktor des Deutschen Mieterbundes, der heute Mittag hier bei uns zu Gast war im Studio. Herr Siebenkotten, danke für dieses Gespräch.
    Siebenkotten: Gern!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.