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Reform des Spitzensports
Eine Finte und kein Konsens

Die Reform des Spitzensports ist seit mehr als zwei Jahren ein Thema, das zwischen BMI und DOSB hinter verschlossenen Türen diskutiert wird. "Konzentration" und "Stärkung" sind Schlagworte des Unterfangens. Ein Positionspapier, das dem DLF vorliegt, zeigt: Der DOSB will offenbar das Sagen bei den Reformbemühungen haben.

Von Robert Kempe | 28.03.2016
    Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU, r) und der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann, geben 11.03.2015 in Berlin eine Pressekonferenz.
    Der Präsident des DOSB, Alfons Hörmann, und Bundesinnenminister Thomas de Maizière, haben verkündet, gemeinsam an der Leistungssportreform zu arbeiten. Allein der Ausgang ist ungewiss. (picture alliance / dpa / Felix Zahn)
    Die Planung der Reform soll in der heißen Phase sein. Acht Arbeitsgruppen mit Vertretern aus BMI und DOSB tagen und arbeiten einem Beratungsgremium mit externen Experten zu. Doch hinter den Kulissen gibt es Unstimmigkeiten zwischen dem Dachverband und dem Ministerium. Denn einig ist man sich in wesentlichen Punkten bisher nicht.
    Dem Deutschlandfunk und der "Süddeutschen Zeitung" liegt ein Dokument vor mit dem Titel:
    "Neustrukturierung Leistungssport - Zwischenergebnisse und Trends". In diesem zeigt sich nun erstmals Genaueres, was im Geheimen zwischen DOSB und BMI besprochen wird.
    Weniger Stützpunkte, mehr Medaillen
    Im Groben steht die Ausrichtung der Reform fest. Die Förderung soll sich mehr auf Athleten mit Medaillenpotenzial konzentrieren. Sportarten und Disziplinen mit Erfolgschancen sollen im Fokus stehen. Strukturen verschlankt werden. Punkte, die seit Jahrzehnten immer wieder diskutiert werden.
    So ist unter anderem von einer Konzentration von Bundesstützpunkten die Rede, einer Reduzierung der Olympiastützpunkte auf einen pro Bundesland. Aber auch vom Ziel einer zentralen Steuerung des deutschen Sports und von "Minimierung der politischen Einflüsse".
    Das Dokument ging kürzlich an die Mitglieder der acht Reformgruppen. Absender: Der DOSB. In einem Anschreiben signiert vom DOSB-Vorstandsvorsitzenden Michael Vesper und dem Vorstand Leistungssport, Dirk Schimmelpfenning, verweist man auf ein Treffen des Beratungsgremiums am 27. Januar unter Vorsitz von Bundesinnenminister Thomas de Maizière und DOSB-Präsident Alfons Hörmann.
    Dokument als Zwischenergebnis versendet
    Zuletzt habe sich das Gremium, heißt es darin wörtlich:
    "Sehr intensiv mit dem erreichten Zwischenstand und den zu diskutierenden Trends befasst; die Grundlage bildete eine entsprechende Präsentation des DOSB. Wir haben sie aufgrund der Beratungen in diesem Gremium, aber auch in der neu gebildeten Arbeitsgruppe 8 zur künftigen Struktur der Leistungssportförderung überarbeitet und ergänzt."
    Intensive Beratungen, eine überarbeitete und ergänzte Präsentation - versendet als Zwischenergebnisse. Der DOSB suggeriert ein abgestimmtes Dokument zwischen Dachverband und BMI. Doch offenkundig eine Finte des Sportbunds.
    BMI: nicht involviert
    Auf Nachfrage teilt das BMI mit. Zitat:
    "Es gibt derzeit noch kein abgestimmtes Konzept zwischen BMI und DOSB. Bei der Präsentation handelt es sich um ein reines Positionspapier des DOSB."
    Klare Worte des Ministeriums.
    Auch der Dachverband DOSB rudert auf Nachfrage zurück, räumt in einer eher wirren Antwort ein, dass es bisher keine abgestimmten Zwischenergebnisse gibt. Zitat:
    "Auf dem Weg zu einem Ergebnis gibt es immer Zwischenergebnisse. Die sind aber erst dann abgestimmt, wenn das gemeinsame Endergebnis festliegt."
    Kein Konsens. Also, vieles bleibt unklar. Die Frage: Warum geht der DOSB so vor?
    Geld und Macht stehen im Fokus
    Es geht ums Geld und vor allem darum, wer das Sagen hat.
    Im Jahr 2016 fördert das Bundesinnenministerium den Spitzensport mit 160 Millionen Euro. Ein Drittel davon geht als Grund- und Projektförderung direkt an die Sportverbände. Die Höhe der Projektförderung hängt von den Medaillenchancen der Sportverbände ab. Bisher gilt die Finanzierung für vier Jahre, demnächst soll sie auf acht Jahre erweitert werden.
    Die Grundförderung wird bisher nach einem festen Schlüssel berechnet - Medaillen bei Olympischen Spielen, Anzahl der Athleten und Wettbewerbe. Dieser Schlüssel soll wegfallen. Stattdessen soll ein - wie es im DOSB-Papier heißt - "perspektivisches Berechnungsmodell" eingesetzt werden. Ein "neuronales Netz". Ein computergesteuertes System soll Erfolgspotenziale und Strukturen der Sportverbände bewerten. Diese Computerdaten sollen als Grundlage für die finanzielle Förderung dienen.
    Wichtige Fragen bleiben offen
    Unklar ist weiterhin, wie es mit Verbänden, die kaum Medaillenchancen haben, weitergeht. Ob diese weiterhin Fördermittel erhalten. Unklar ist auch, wer in Zukunft den Leistungssport steuern soll.
    Dafür wurde im Januar die Arbeitsgruppe "Zentrale Finanz- und Organisationsfragen" gegründet. Der DOSB würde die Steuerung gern allein machen ohne Einfluss von außen.
    Flankenschutz erhält er von den Landessportbünden. Die forderten auf ihrer Konferenz im März mehr Verantwortung und Einfluss für den DOSB.
    Externe Experten, die nie erschienen
    Das BMI will nicht, dass der DOSB die Fördermittel allein verteilt. Viel ist derzeit also noch offen. Auch, ob am Ende wirklich eine Reform steht. Die war mit viel Tam-Tam gestartet. Ein Beratungsgremium wurde präsentiert, besetzt mit externen Experten wie der Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch. Wichtiger Input sollte von ihr ausgehen.
    Bisher tagte das Beratungsgremium drei Mal. Höfl-Riesch hat nicht an einer einzigen Sitzung teilgenommen. Dem Beratungsgremium gehört sie nicht mehr an. Selbst solche Nichtigkeiten werden in der Diskussion um die Leistungssportreform nicht verkündet und nur auf Nachfrage vom BMI mitgeteilt.