Freitag, 29. März 2024

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Reformation in Österreich
Wider die "Pfaffen"

Österreich gilt als katholisches Land. Allerdings gab es bis zur Gegenreformation eine Periode des Protestantismus. Die Kirchen- und Kleruskritik der Reformatoren traf ins Schwarze, zudem sollte der Glaubenseifer gegen die Türken helfen. Zwei Ausstellungen in Wien erinnern an das fast vergessene Kapitel.

Von Mariele Schulze Berndt und Klaus Prömpers | 29.03.2017
    Das alte Landhaus in der Herrengasse, ein wichtiges Zentrum der Protestanten (historische Darstellung aus dem 19. Jahrhundert)
    Das alte Landhaus in der Herrengasse in Wien, ein wichtiges Zentrum der Protestanten (historische Darstellung aus dem 19. Jahrhundert) (Wien Museum)
    Die Forderungen Martin Luthers zur Erneuerung der Kirche fielen bei vielen Menschen in Österreich auf fruchtbaren Boden. Zwar waren die herrschenden Habsburger gegen Martin Luther. Aber die katholische Kirche in Österreich litt unter einem schlechten Image. Im Wien des beginnenden 16. Jahrhunderts konnte man von einem regelrechten "Pfaffenhass" sprechen. Österreichische Theologiestudenten hatten in Wittenberg studiert. Sie waren begeistert vom Aufbruch mit Luther.
    Michael Bünker, heute evangelischer Bischof in Österreich, umreißt die Attraktivität der mitgebrachten Erkenntnisse:
    "Sie haben ein großes Versprechen mitgebracht: die Bevormundung durch kirchliche und wohl auch weltliche Obrigkeiten wird ein Stück weit in Frage gestellt, besonders, was die Glaubensfragen betrifft. Die Beteiligung der Gemeinde wird gestärkt, sie bekommt das Recht, ihre Pfarrer zu wählen. Und viele andere Dinge mehr, die das einfach sehr attraktiv gemacht haben."
    So verbreitete sich der neue Glaube im Lande rasend schnell.
    "Viele haben das Land verlassen um ihres Glaubens willen"
    "Brennen für den Glauben - Wien nach Luther", so nennt Wien seine Ausstellung zum Reformationsjubiläum. Der Historiker Karl Vocelka beschreibt das Konzept:
    "'Brennen für den Glauben' hat natürlich zwei Interpretationsspielräume: Das eine ist, dass man wirklich Ketzer verbrannt hat, wenn auch nicht in großen Massen. Und auf der anderen Seite ist natürlich etwas Wesentliches, das mitschwingt: 'Brennen für den Glauben' heißt also, eine große Begeisterung und eine große Glaubensfestigkeit mitzubringen, was bei den Protestanten in Wien und in Österreich sehr stark der Fall gewesen ist. Viele von ihnen haben das Land verlassen um ihres Glaubens willen, das ist schon etwas, das eine sehr starke Identifikation, eine brennende Leidenschaft für diesen Glauben verrät."
    Mehrere prominente Anhänger des neuen Glaubens endeten zur Abschreckung auf Scheiterhaufen. Das konnte die Faszination nicht stoppen. Mehr und mehr wandten sich dem Luthertum zu. Darunter auch der Adel auf dem Lande.
    "Der Türk ist der Lutheraner Glück"
    Im 16. Jahrhundert drohte der Vormarsch der Türken im Südosten Europas die bestehende politische und religiöse Ordnung zu zerstören. 1529 standen die Türken vor den Toren Wiens. Die notwendige Abwehr half dem neuen Glauben, so Walter Öhlinger, Ausstellungskurator, der an ein geflügeltes Wort jener Zeit erinnert:
    "'Der Türk ist der Lutheraner Glück', das ist indirekt zu verstehen: Je bedrohlicher die Türken waren, desto mehr war der Landesfürst angewiesen, Steuern und Truppen von den protestantischen Adeligen zu bekommen. Die haben diese Steuern und Truppen gegen die Türken gerne aufgebracht, aber haben sich dafür wieder religiöse Zugeständnisse geben lassen."
    Bis zu 95 Prozent der österreichischen Bevölkerung waren in der Blütezeit protestantisch. Doch innerhalb der Wiener Stadtmauern waren Gottesdienste der Reformierten bald verboten. Vor den Toren der Stadt sammelte sich die Stadtbevölkerung Sonntag für Sonntag bei ihren Predigern. "Auslaufen" nannte man das damals. Michael Bünker erläutert es:
    "Es ist wirklich ein Phänomen, dass Tausende, vielleicht sogar Zehntausende Sonntag für Sonntag die Stadt verlassen und irgendwo einer evangelischen Predigt zuhören, in einem der Vororte, denn mehr war es ja nicht. In der Stadt selbst gab es keinen evangelischen Gottesdienst, außer im Niederösterreichischen Landhaus für einige Jahre."
    Ein Standbild des Reformators Ulrich Zwingli vor der Wasserkirche in Zürich
    Ein Standbild des Reformators Ulrich Zwingli vor der Wasserkirche in Zürich (dpa / pa / Bäsemann)
    Wiens Universität, gegründet 1365, war, wenn man so will, mit Brutstätte der Kirchenreformation. Zwingli und der spätere St. Gallener Reformator Joachim von Watt studierten hier. Bereits 1520 verbreiteten im Wiener Stephansdom Männer wie Paul Speratus reformatorische Ideen. Sie wurden deshalb aus der katholischen Kirche verbannt. Viele mussten mit ihnen Österreich verlassen, wollten sie dem Luthertum folgen.
    Das alles dokumentiert die Ausstellung in Wien. Gezeigt werden unter anderem das deutschsprachige Original des Augsburger Bekenntnisses von 1530 und aus dem Jahr 1555 das Original des Augsburger Religionsfriedens, der dem jeweiligen Landesherren die Wahl der Religion zugestand.
    Walter Öhlinger blickt zurück:
    "Es hat schon vor der Reformation diesen ständigen Gegensatz gegeben zwischen den Machtansprüchen des Adels und dem Machtanspruch des Landesherren, der den Staat zentralisieren wollte. Und dieser fundamentale politische Interessenkonflikt, der vermischt sich mit dem religiösen Konflikt, indem die eine Seite protestantisch wird und der das gewissermaßen auch leicht fällt, weil sie sowieso schon immer anderer Meinung war als der Landesherr. Und dem Landesherrn, der mit aller Macht versucht, die Einheit des Landes und auch die Einheit der Religion zu halten, und die stärkste gegenreformatorische Position im Land ist."
    Protestanten hoffen auf mehr Ökumene
    Die Protestanten hoffen heute, dass 500 Jahre nach der Kirchenspaltung die Ökumene mehr Raum gewinnt. Bisher gibt es einen erheblichen Unterschied, wie Hierarchen der Kirche und das "gemeine Kirchenvolk" Ökumene praktizieren. Bischof Bünker glaubt daran, dass die Einheit der Kirchen möglich ist:
    "Es wird immer mehr auch von Papst Franziskus selbst von der versöhnten Verschiedenheit gesprochen. Das ist eine Wendung, die aus dem Lutherischen Weltbund stammt aus den 1970er-Jahren. Wir betonen auch noch: es ist Einheit in versöhnter Verschiedenheit. Nicht nur das Nebeneinander von Verschiedenen. Aber das ist doch neu und eigentlich ein positives Zeichen aus meiner Sicht, dass man sich auf diesen Weg begibt, so etwas wie eine Kirchengemeinschaft und auch mehr Formen von Gemeinschaft zu ermöglichen. Und wenn das Jahr 2017 hier einen Beitrag gegeben haben wird, wenn wir einmal darauf zurückblicken in 500 Jahren, dann hat es einen wichtigen Zweck erfüllt."
    Jetzt wird aber auch in Österreich erst einmal gefeiert: 500 Jahre Reformation. Denn vielfach waren diese fast 100 Jahre Protestantismus in Österreich in Vergessenheit geraten.
    Die Ausstellung "Ein Christenherz auf Rosen geht" ist noch bis zum 12.11.2017 im Landesmuseum Burgenland zu sehen, die Ausstellung "Brennen für den Glauben - Wien nach Luther" im Wien Museum noch bis zum 14.05.2017.