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Reformation in Serie
Luthers Thesen - neu gelesen (30)

Die Historikerin Katharina Kunter, die Schriftstellerin Thea Dorn und die Rabbinerin Elisa Klapheck kommentieren Luthers 30. These.

28.07.2017
    These 30: "Keiner hat Gewissheit über die Wahrhaftigkeit seiner Reue, noch viel weniger über das Gewinnen vollkommenen Straferlasses."
    Katharina Kunter, Historikerin: "Nichts ist sicher: weder die Gewissheit, dass der Papst wirklich die Sünden vergibt und durch den Kauf eines Ablassbriefes die Sünden vergeben sind, noch die eigene Reue und das eigene Sündenbewusstsein sind sicher. Und wenn man die beiden dann nebeneinander stellt, kann man sagen, dann braucht man auch keinen Ablassbrief zu kaufen."
    Thea Dorn, Schriftstellerin: "Das ist ja, wenn man so will, protestantisches Zentralmotiv schlechthin geworden, dass der Sünder niemals weiß – selbst wenn, wie es dann bei Bach heißt, 'Buß und Reu das Sündenherz entzwei knirschen', kann er doch niemals sicher sein, dass er sich wirklich genug entzwei knirscht. Und deshalb darf es nicht sein, dass obszönerweise einem in Aussicht gestellt wird, einfach Geldbeutel öffnen oder Goldsäcklein öffnen reicht, um sicher zu sein, dass man Straferlass bekommt."
    Elisa Klapheck, Rabbinerin: "Ich würde dem voll zustimmen: Wahrhaftigkeit ist etwas ganz Schwieriges. Es ist kaum möglich, etwas in einer guten Absicht zu tun, ohne dass nicht doch ein Funken Eitelkeit oder Selbstsucht mit dabei sind. Insofern wissen wir nicht wirklich über die Wahrhaftigkeit unserer Reue, ob sie so ist. Und was den Straferlass betrifft, ist es noch schwieriger, darüber zu urteilen."
    Konzeption und Realisierung: Christiane Florin, Andreas Main, Christian Röther, Simonetta Dibbern