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Reformation in Serie
Luthers Thesen - neu gelesen (31)

Der Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann, der Psychologe Borwin Bandelow und der Schriftsteller Feridun Zaimoglu kommentieren Luthers 31. These.

31.07.2017
    These 31: "So selten einer wahrhaftig Buße tut, so selten erwirbt einer wahrhaftig Ablässe, das heißt: äußerst selten."
    Thomas Kaufmann, Kirchenhistoriker: "Ein wahrhaft büßender – das ist sozusagen das Idealbild. Auch im Kontext des Bußsakraments, das Luther natürlich retten will – gegen den Ablass retten will. Und dies sieht als Idealfall vor, dass jemand tiefe Reue, sogenannte Herzenszerknirschung – lateinisch contritio cordis – empfindet. Also: Jemand der so eindrucksvoll in wahrer Herzenszerknirschung büßt, wird niemals auf den Gedanken verfallen, einen Ablass zu lösen, denn der Ablass hat ja die Absicht, es dem Büßenden leicht zu machen."
    Borwin Bandelow, Psychologe: "Es gibt ja Menschen, die einen Mangel an Mitgefühl und Reue haben für ihre Taten. Wir nennen sie heute als Psychiater Leute mit antisozialen Persönlichkeitsstörungen. Und das meinte wohl auch Luther. Der gewünschte Effekt durch die Ablässe trat ja nicht ein – dass diese Menschen dann geläutert wurden. Sondern der Sinn der Übung war eigentlich nur, dass die Kirche Geld einstreicht, ohne dass tatsächlich die Menschen besser werden."
    Feridun Zaimoglu, Schriftsteller: "Im Grunde genommen ist es doch so, dass der Einzelne nicht in der Öffentlichkeit und nicht im Sinne einer nachträglichen Beteuerung, sondern in aller Stille für sich um Vergebung bittet – in diesem Falle Gott, den Allmächtigen, bittet, ihm zu vergeben, für welche Sünde auch immer. Und das ist ausreichend."
    Konzeption und Realisierung: Christiane Florin, Andreas Main, Christian Röther, Simonetta Dibbern