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Reformation in Serie
Luthers Thesen - neu gelesen (6)

Der Humanist Frieder Otto Wolf, der Mechanikermeister Martin Luther und der Schriftsteller Bruno Preisendörfer kommentieren Martin Luthers sechste These.

26.06.2017
    "Der Papst kann nicht irgendeine Schuld erlassen; er kann nur erklären und bestätigen, sie sei von Gott erlassen. Und gewiss kann er ihm selbst vorbehaltene Fälle erlassen; sollte man diese verachten, würde eine Schuld geradezu bestehen bleiben."
    Frieder Otto Wolf, Humanist: "Also hier gibt es so etwas wie eine Schuldbessenheit im Hintergrund. Dann ist natürlich die große Frage eigentlich sekundär, wer denn diese Schuld erlassen kann."
    Martin Luther, Mechanikermeister: "Damals hat die Kirche ihre Macht mit der Macht Gottes verwechselt. Nur Gott allein kann Menschen von der Sünde reinwaschen. Auf die heutige Kirche bezogen bedeutet dies: Kirche ist nie ein Selbstzweck. Sie soll immer nur Raum dafür schaffen, dass Menschen Gott begegnen können."
    Bruno Preisendörfer, Schriftsteller: "In dieser These wird - wie in vielen anderen Thesen auch - des Papstes Stellvertreterschaft für Gott unterminiert. Darauf kommt es Luther an. Man könnte es auch so sagen, dass dem Petrus der Schlüssel zum Himmel aus der Hand geschlagen wird."
    Wolf: "Ich glaube, Luthers Zuspitzung, dass nur durch den Glauben und nur durch Gottes Gnade Schuld erlassen werden kann, das bedeutet eigentlich, dem Menschen seine Fähigkeit, moralisch zu urteilen und zu handeln, abzusprechen."
    Preisendörfer: "Der Papst kann den Leuten zwar seinen Petersdom öffnen, aber eben nicht mehr das Himmelreich."
    Konzeption und Realisierung: Christiane Florin, Andreas Main, Christian Röther, Simonetta Dibbern