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Reformationsjubiläum
Die Thesenritter

Die AfD verlangt, dass die Schlosskirche Wittenberg wieder in den Besitz des Landes Sachsen-Anhalt übergeht. Dieses Denkmal der Reformation wurde kürzlich nach aufwendiger Sanierung der Evangelischen Kirche übergeben. Gestern hat der Landtag den AfD-Antrag abgelehnt - die Partei nutzte die Sitzung für eine Grundsatzabrechnung mit dem Protestantismus von heute.

Von Christoph D. Richter | 03.03.2017
    Die Schlosskirche zu Wittenberg. An ihre Tür schlug Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen. Seit 1997 gehört die Schlosskirche zu den UNESCO-Welterbestätten.
    Die Schlosskirche zu Wittenberg. An ihre Tür schlug Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen. (imago / Thorsten Becker)
    "Über Geschenke freut sich ein jeder von uns. Wir, die AfD-Fraktion, können die Schenkung der AfD-Fraktion, wie im Fall der Schlosskirche zu Wittenberg erfolgte, jedoch nicht goutieren. Damit stehen wir nicht alleine da, auch weite Teile der Bevölkerung werden kein Verständnis dafür aufbringen", sagte AfD-Mitglied Matthias Lieschke gestern Abend im Magdeburger Landtag. Mit "Kein Recht des Staates zu Geschenken" war der AfD-Antrag überschrieben, den Lieschke einbrachte. Darin wird die Landesregierung Sachsen-Anhalts aufgefordert, die unentgeltliche Überlassung der Schlosskirche an die EKD, wieder rückgängig zu machen.
    Der Hintergrund: Knapp 8 Millionen Euro kostete die vierjährige Sanierung des Denkmals. Nach Abschluss aller Arbeiten wurde das Ensemble der Evangelischen Kirche überlassen, wozu sie keinen einzigen Euro zahlen brauchte. Für AfD-Mitglied und Karosseriebauer Lieschke völlig unverständlich, dass das Land dieses Objekt einfach so verschenke. "Ist die evangelische Kirche Deutschlands derart bedürftig? Die ordentlichen Erträge der evangelischen Kirche belaufen sich auf 221 Millionen Euro, dass Anlagevermögen auf 570 Millionen Euro. Für mich ist ganz klar, dass die Kirche wie ein Wirtschaftsunternehmen arbeitet, dass sogar in Aktien investiert."
    Kopfschütteln bei den Abgeordneten der anderen Fraktionen. Sie haben in der Debatte noch einmal deutlich gemacht, dass die Überlassung der Schlosskirche keine Schenkung war, sondern dass dahinter nüchtern haushaltsrechtliche Überlegungen standen. Denn Sachsen-Anhalt ist klamm. Allein die Erhaltung der Schlosskirche soll nach Angaben der EKD jährlich eine halbe Million Euro kosten, nicht mit eingerechnet seien künftige Bau-Maßnahmen. Geld, welches das Land Sachsen-Anhalt nun einsparen könne, sagt der 46jährige aus Halle stammende SPD-Abgeordnete Andreas Schmidt: "Sie wissen sehr wohl, dass das Land hier nichts schenkt, sondern eine Last überträgt. Das ist im Finanzausschuss besprochen worden."
    Errichtet wurde die Wittenberger Schlosskirche einst von askanischen Herzögen. Die Kirche war immer eine monarchische Kathedrale der Könige und Kaiser, der Kurfürsten, später sogar der DDR. Damit war sie immer auch Staatskirche. Mit der Übergabe an die EKD sei dieser Zustand nun beendet, unterstreicht Oberkirchenrat Albrecht Steinhäuser, der Beauftragte der Evangelischen Kirchen bei der Landesregierung Sachsen-Anhalts. Er sagt: "Zum einen ist es das Bekenntnis der Kirche für den Ort Wittenberg, der ja für die Kirche von der zentralen Bedeutung ist. Zum anderen ist es auch ein Ausdruck, der Trennung von Staat und Kirche."
    "Die Zersetzung von Ehe und Familie"
    Mit ihrer Forderung, die Schlosskirche Wittenberg der EKD nicht unentgeltlich zu überlassen, bringe die AfD erneut ihre massiv feindselige Haltung gegenüber den Kirchen zum Ausdruck, sagt Wulf Gallert, der kirchenpolitische Sprecher der Linken im Magdeburger Landtag.
    "Durch diese Übertragung ist wenigstens gewährleistet, dass die evangelische Kirche für die laufenden Kosten aufkommt. Würde sie bei uns bleiben, müssten wir sie in die Stiftung Döme und Schlösser überführen und das ist teures Geld", so Gallert. "Und insofern verstehe ich diesen Antrag der AfD überhaupt nicht."
    Auch weil die AfD mit dem Thema etwas zu spät komme. Der Überlassungsvertrag zwischen Land und EKD wurde am 30. Januar notariell unterzeichnet. Im Herbst vergangenen Jahres war die Eigentums-Übertragung letztmalig Thema im Finanzausschuss. Wenn die AfD wirklich hätte etwas bewirken wollen, hätten sie sich spätestens dann zu Wort melden können. Nur: Das sei nicht passiert, so Linken-Politiker Gallert weiter.
    Argumente, die die AfD beiseite wischt. Und man betont stattdessen: Die Wittenberger Schlosskirche sei deutsches Kulturgut, das dem Land zu gehören habe. Hier wurde etwas per Federstrich der Kirche überlassen, kritisierte der AfD-Abgeordnete Hans-Thomas Tillschneider, ein Vertreter des nationalistisch-völkischen Höcke-Flügels: "Wenn überhaupt, sollte die Schlosskirche Wittenberg der EKD für teuer Geld verkauft oder vermietet werden."
    Tillschneider nutzte die hitzige Debatte im Magdeburger Landtag zu einer grundsätzlichen Abrechnung mit der EKD und deren Flüchtlingsengagement.
    Er sagte: "Anstatt der Islamisierung Widerstand zu leisten, fördert sie selbst noch die Islamisierung. Anstatt der Zerstörung unseres Volkes durch Massenmigration Widerstand zu leisten, verdient die Kirche daran. Und zwar nicht schlecht. Und anstatt die Zersetzung von Ehe und Familie aufzuhalten, gibt die EKD durchgegenderte Orientierungshilfen heraus, die kein Zeugnis des Glaubens sind, sondern ein Armutszeugnis."
    Aussagen, die für einen Eklat und große Empörung unter den Abgeordneten sorgten.
    "Eine Kirche, die solche Freunde hat, braucht Verteidiger", lautete eine Wortmeldung.
    Der Antrag der AfD wurde von allen anderen Fraktionen im Magdeburger Landtag abgelehnt. Es sei eine der üblichen Schaufenster-Debatten, sagt noch Wulf Gallert, von der Links-Fraktion im Magdeburger Landtag: "Wer sich wirklich interessiert für die Frage Staat-Kirche. Auch, wie ist das Verhältnis von Land, Bürgern in diesem Land, Kirche und Reformationsjubiläum, der hätte sich ganz andere Themen herausnehmen müssen."