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Reformen in Saudi-Arabien
Der Kronprinz und der Islam

In Saudi-Arabien ist der Islam Staatsreligion - und zwar eine konservative Auslegung. Noch. Denn Kronprinz Mohammed bin Salman will Reformen, die auch die Religion betreffen und vor allem die Situation der Frauen verbessern sollen. Im US-Fernsehen sagte er jetzt "Extremisten" den Kampf an.

Von Carsten Kühntopp | 21.03.2018
    US-Präsident Donald Trump (r)und der stellvertretende saudi-arabische Kronprinz und Verteidigungsminister, Mohammed bin Salman, schütteln bei einem Treffen am 20.05.2017 in Riad (Saudi-Arabien) Hände.
    Mohammed bin Salman, saudiarabischer Kronprinz und Verteidigungsminister, bei US-Präsident Trump (AP / dpa / Evan Vucci)
    Viele Saudis reiben sich verwundert die Augen: Über Jahrzehnte wurden sie von gebrechlichen alten Männern regiert - jetzt krempelt ein 32-Jähriger ihr Land um. Von seinem Vater, dem König, hat Mohammed bin Salman, der Kronprinz, die Lizenz dazu bekommen. Er hat Reformen angestoßen, die die saudische Gesellschaft in den kommenden 10, 20 Jahren tiefgreifend verändern könnten.
    Dazu gehört auch, dass sich Mohammed nun in einem Interview mit dem US-Sender CBS gegen die strikten Bekleidungsvorschriften für Frauen aussprach:
    "In der Sharia ist klar festgelegt, dass Frauen anständige und respektvolle Kleidung tragen sollen, wie Männer. Das bedeutet aber nicht ausdrücklich, dass es ein schwarzer Umhang oder ein schwarzes Kopftuch sein müssen. Es ist ausschließlich an den Frauen, welche anständige und respektvolle Kleidung sie tragen."
    "Wir haben bis 1979 ein normales Leben geführt"
    Damit wiederholte Mohammed das, was im Februar bereits ein hochrangiger saudischer Rechtsgelehrter gesagt hatte - dass der schwarze Umhang, die Abaya, keinesfalls Pflicht sei; schließlich, so der Gelehrte, trügen mehr als 90 Prozent der gläubigen muslimischen Frauen überall auf der Welt keine Abaya - weswegen man saudische Frauen auch nicht dazu zwingen solle.
    Aus Sicht von Kronprinz Mohammed hat sich Saudi-Arabien nach dem Schock von 1979 dramatisch verändert. Damals überfielen Terroristen die Große Moschee in Mekka, und im Iran war die Islamische Revolution erfolgreich. Viele Saudis wollten diesem Modell plötzlich folgen, religiöse Hardliner gewannen die Oberhand. Jetzt will der Kronprinz die Zeit wieder zurückdrehen, damit das Königreich ein Stück normaler wird:
    "Wir haben damals ein normales Leben geführt, wie die anderen Golfstaaten. Frauen fuhren Auto, es gab Kinos, Frauen haben überall gearbeitet. Wir waren ganz normale Leute, die ihr Land entwickelten, wie das in anderen Ländern auch passierte - bis zu den Ereignissen von 1979."
    Kronprinz contra "Extremisten"
    Die ersten Schritte hat Mohammed getan: Vom Sommer an dürfen Frauen Auto fahren, bald machen überall Kinos auf, Schülerinnen dürfen nun Sportunterricht bekommen, schrittweise wird sich das Land für Touristen öffnen, das System der Vormundschaft für Frauen wird immer weiter aufgeweicht.
    Der Geschlechtertrennung hat der Kronprinz noch nicht den Kampf angesagt. Bei CBS sprach er aber von "Extremisten", die diese Trennung propagierten und damit teilweise im Widerspruch zum öffentlichen Leben stünden, wie es zur Zeit des Propheten Mohammed auf der arabischen Halbinsel üblich gewesen sei.
    Bei den gesellschaftlichen Reformen in Saudi-Arabien geht es immer auch ums Geld. Das Land will den Teil der Wirtschaft stärken, der nicht von Öl und Gas abhängt. Allein die Rückkehr der Kinos ins Königreich soll das Bruttoinlandsprodukt in den kommenden zwölf Jahren um fast 24 Milliarden Dollar wachsen lassen.
    Der Weg in die Zeit nach dem Öl klappt aber nur, wenn Frauen früher oder später völlig gleichberechtigt sind - und wenn, schon jetzt, immer mehr Frauen arbeiten gehen. Der saudische König und sein Sohn, Kronprinz Mohammed, wissen das - und bauen ihr Land entsprechend um.