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Reformpaket für Griechenland
"Ohne IWF-Beteiligung keine Zustimmung der Unionsfraktion"

Die Union bleibt dabei: Wenn sich der IWF nicht an den neuen Finanzhilfen beteiligt, wird es wohl keine Zustimmung im Bundestag geben. Das bekräftigt ihr Fraktions-Vize Michael Fuchs. Das Problem: Der IWF macht Schuldenerleichterungen zur Bedingung - doch das scheint unvereinbar mit den Regeln der Euro-Gruppe. Fuchs hat aber eine Idee, wie man aus diesem Dilemma herauskommen könnte.

Michael Fuchs im Gespräch mit Christoph Heinemann | 14.08.2015
    Michael Fuchs, Vize-Fraktionschef von CDU/CSU im Bundestag
    Michael Fuchs, Vize-Fraktionschef von CDU/CSU im Bundestag (imago / Thomas Frey)
    Wenn der IWF nicht in die Finanzhilfen für Griechenland einbezogen werde, dürfte auch die Bundesregierung ihre Zustimmung verweigern, sagte Fuchs im Deutschlandfunk. In dieser Frage gebe es auch keinen Dissens zwischen Finanzminister Schäuble, Fraktionschef Kauder und Bundeskanzlerin Merkel.
    Das Hauptproblem sei, dass der IWF als Bedingung für seine Mitwirkung europäische Schuldenerleichterungen für Athen fordere, fügte Fuchs hinzu. Es gebe aber in der Euro-Zone eine 'No-Bailout'-Klausel, die solche Zugeständnisse verbiete. Er könne sich deshalb allenfalls vorstellen, dass die Laufzeiten der griechischen Schulden verlängert würden. Dies wäre auch eine Art Schuldenschnitt.
    Der Unions-Fraktionsvize sprach sich dafür aus, die Hilfen - wenn sie denn zustandekommen - nur in einzelnen Tranchen auszuzahlen. Es sollte zwischendurch immer wieder kontrolliert werden, ob die Reformen in Griechenland auch wie vereinbart umgesetzt würden.
    Fuchs wies Vorwürfe zurück, dass Schäuble mit seinen Vorbehalten gegen das Reformpaket insgeheim auf einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone abziele. Schäuble sei ein überzeugter Europäer und wolle eine funktionierende EU, betonte Fuchs. Wenn sich die Griechen aber Reformen verweigern sollten, werde es schwierig.

    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Wir können Ihnen noch kein Ergebnis melden, denn das griechische Parlament debattiert seit Stunden über das neue Reformprogramm und die damit verbundenen Sparauflagen der Regierung. Die Gemengelage sieht aber so aus: Etliche Abgeordnete der regierenden Syriza-Partei haben angekündigt, mit Nein zu votieren. Die Zustimmung gilt aber dennoch als sicher, da die wichtigsten Oppositionsparteien signalisiert haben, sich für das Sparprogramm auszusprechen. Fest steht der weitere Fahrplan. Am Nachmittag trifft sich die Eurogruppe. Die muss dann über das Hilfsprogramm entscheiden. Anschließend werden einige Eurostaaten ihre Parlamente darüber abstimmen lassen. Das gilt auch für den Deutschen Bundestag. Wie immer holterdipolter, denn Griechenland benötigt bis zum 20. August frisches Geld, um 3,2 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank zurückzahlen zu können.
    Am Telefon ist Michael Fuchs (CDU), der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Morgen.
    Michael Fuchs: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Herr Fuchs, können Sie sich vorstellen, dass Wolfgang Schäuble heute in der Eurogruppe Nein sagt?
    Fuchs: Das kann man ja nicht so sagen. Da müssen ja die Gründe erst mal her. Es werden ja eine Menge an Punkten noch verhandelt. Zentraler Punkt der Verhandlungen heute ist die Teilhabe, Teilnahme des IWF, des Internationalen Währungsfonds, und zwar komplett an dem Programm. Wir wissen, dass ab 2016 der IWF-Vertrag mit Griechenland ausläuft, so dass es da ein Anschlussprogramm gibt, aber der IWF muss sich mit allen Maßnahmen einverstanden erklären, auch mit der Schuldentragfähigkeit, die ja auch noch diskutiert wird, und kann dann jetzt schon zustimmen, dass er 2016 unter den Bedingungen, die jetzt vorliegen, mitmacht. Das ist die zentrale Hürde, über die wir zu springen haben, die die Kanzlerin genauso aufgestellt hat wie Volker Kauder und die wir alle als auch unabdingbar betrachten. Das ist natürlich eine Frage. Das ist auf Neu-Hochdeutsch ein Dealbreaker. Wenn es nicht gelingt, den IWF an Bord zu holen, dann wird Wolfgang Schäuble wohl heute nicht zustimmen. Aber wie gesagt, das ist eben die Frage.
    "Wir wollen helfen, wir wollen Griechenland im Euro halten"
    Heinemann: Hätte er denn das Mandat, heute Nein zu sagen, oder ist er auf das Ja vergattert?
    Fuchs: Das müssen Sie ihn fragen. Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich kann nur sagen, dass es ja Konditionalitäten gibt, unter denen wir bereit sind zu helfen. Wir wollen helfen, wir wollen Griechenland im Euro halten, aber es gibt bestimmte Punkte, die müssen erfüllt sein, und dazu gehört, wie ich es versucht habe zu erklären, der IWF.
    Heinemann: Das Verhältnis zwischen Wirtschaftsminister Gabriel und Wolfgang Schäuble ist ja darüber doch ziemlich zerrüttet. Versucht Schäuble, Griechenland aus dem Euro zu treiben?
    Fuchs: Nein, das ist sicherlich nicht der Fall. Wolfgang Schäuble ist ein überzeugter Europäer und würde am allerliebsten natürlich ein funktionierendes Eurosystem haben. Wenn die Griechen sich aber Reformen verweigern, wenn die Griechen nicht bereit sind, die Dinge mitzumachen, die jetzt gemacht werden müssen, zum Beispiel diesen Privatisierungsfonds schnell umzusetzen, dann wird es natürlich schwierig für uns. Wir haben ja klare Vereinbarungen auf dem Eurogipfel im Juli getroffen. Dieses muss durch die Verträge, die jetzt gemacht werden, aber auch nachvollzogen werden. Das heißt, es muss klar werden, dass die 50 Milliarden auch kommen, und da kann man nicht versuchen, das irgendwo auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben. Nein, das muss jetzt schnell gehen und es kann auch nicht so sein, dass das griechische Parlament permanent versucht, noch mal ein Stückchen abzuschneiden. Das darf nicht der Fall sein.
    Heinemann: Voraussichtlich wird das Parlament ja diesen Auflagen zustimmen. Vertrauen Sie dann den Zusagen der gegenwärtigen griechischen Regierung? Oder anders gefragt: Wer kontrolliert das alles?
    Fuchs: Das muss kontrolliert werden. Deswegen sind wir ja auch dafür - und das wird ja auch heute noch verhandelt -, dass die jeweiligen Beträge in Tranchen ausgezahlt werden, die nicht automatisch dazu führen, dass die nächste Tranche kommt, sondern nur in Abstimmung mit dem jeweiligen Reformprogramm. Das heißt, die Reformen müssen durchgeführt werden und dementsprechend können auch Gelder ausgezahlt werden.
    "Ich habe Vertrauen in die Verhandlungskunst und das Geschick von Wolfgang Schäuble"
    Heinemann: Ist denn zum Beispiel die griechische Steuerverwaltung in der Lage, beschlossene höhere Steuern überhaupt einzutreiben?
    Fuchs: Ich gehe mal davon aus, dass die Hilfen, die jetzt kommen - es ist ja auch vereinbart worden, dass die Europäische Union Hilfen gibt, auch technische Hilfen gibt, um die Steuerverwaltung zu verbessern, um das Rechtssystem zu verbessern, um bei der Privatisierung schneller voranzukommen -, dass diese Hilfen dann auch angenommen werden und umgesetzt werden. Es ist noch ein weiter Weg zu gehen und ein schwieriger, aber ich habe die Hoffnung, dass wir am Ende des Tages dann vielleicht doch mal ein Licht sehen werden.
    Heinemann: Sie haben die Hoffnung, Sie gehen davon aus. Sicherheit klingt anders.
    Fuchs: Sicher kann ich nicht sein. Dafür sind ja die Verhandlungen auch am Laufen. Und mitten in einer Verhandlung schon zu sagen, ich habe das Ergebnis auf dem Tisch liegen, halte ich für verwegen. Ich habe aber Vertrauen in die Verhandlungskunst und das Geschick von Wolfgang Schäuble.
    Heinemann: Sie haben den IWF erwähnt und Volker Kauder auch. Die "Bild"-Zeitung titelt heute "Kauder in der Klemme" und sie zitiert Ihren Fraktionsvorsitzenden mit dem Satz aus der ARD-Sendung "Anne Will". "Da sage ich noch einmal in aller Klarheit: Der IWF ist für meine Fraktion Bedingung, dass er dabei ist." Der Satz ist jetzt ein bisschen kompliziert, aber es ist, glaube ich, klar, was gemeint war. Der IWF selbst hat jetzt noch mal gesagt, Voraussetzung ist eine Verringerung der Schuldenlast der Griechen. Vulgo: Schuldenschnitt. Genau das, was die Kanzlerin nicht will. Wie kommt man denn da raus?
    Fuchs: Da gibt es eine Problematik, die schwierig zu lösen ist, denn wir haben ja die berühmte No-Bailout-Klausel, was heißt, dass keinem Land materiell geholfen werden darf, was in der Eurozone ist. Das ist nun mal eine Rechtssetzung, die wir haben. Und die bedeutet natürlich, dass ein Land, was im Euro ist, keinen Schuldenschnitt erfahren kann. Eine schwierige Situation. Ich kann mir allenfalls vorstellen, dass es eine Verlängerung der Laufzeiten der Schulden geben wird, was ja de facto schon eine Art von Schuldenschnitt ist. Das könnte man eventuell überlegen. Aber am Ende des Tages muss die Zustimmung des IWF - und da bin ich vollkommen einig mit Volker Kauder; das ist aber nebenbei auch Linie der Kanzlerin immer gewesen -, dass der IWF dabei sein muss, und das muss heute verhandelt werden. Das ist genau die Klippe, die noch nicht umschifft ist und wo wir heute zwischen Skylla und Charybdis, um in der griechischen Mythologie zu bleiben, stehen.
    Heinemann: "Chaos" ist auch ein griechisches Wort. Schauen wir mal in die Unions-Fraktion. Ein Kollege aus unserer Redaktion fasste jetzt die unterschiedlichen Äußerungen aus CDU und CSU mit dem schönen Wort "Kauder-Willsch" zusammen: auf der einen Seite der Fraktionschef, der offenbar so schwach ist, dass er Abweichlern jetzt schon drohen muss, andererseits Leute wie Klaus-Peter Willsch, die sich davon überhaupt nicht einschüchtern lassen.
    O-Ton Klaus-Peter Willsch: "Ich bin nie angetreten und habe kandidiert für den Bundestag, um meiner Fraktionsführung zu gefallen, sondern um das, was ich für richtig halte, wovon ich überzeugt bin und was wir auch den Menschen versprochen haben, in Politik umzusetzen. Und wenn es da eben dann ein "Karriereverbot" gibt, dann ist es halt so. Das ist für mich nicht so wichtig wie gerade in den Spiegel schauen zu können."
    Heinemann: Wegen eigenständigen Denkens flog Willsch ja bereits aus dem begehrten Bundestags-Haushaltsausschuss raus. So christlich-demokratisch geht es zu in der Union. Hat Volker Kauder die Hosen voll?
    Fuchs: Ach was! Ich meine, man sollte das bitte auch nicht überbewerten. Volker Kauder hat die Ausschüsse angesprochen und es ist natürlich so, dass wir in den Ausschüssen knappe Mehrheiten haben, weil die Ausschüsse ja völlig anders zusammengesetzt sind als der Deutsche Bundestag. Und dass in den Ausschüssen Fraktionsmeinung umgesetzt werden muss, ist meiner Meinung nach eine Selbstverständlichkeit. Das hat er betont und dass jemand, der permanent sagt nein, ich kann aber die Fraktionsmeinung in dem Ausschuss nicht umsetzen, weil ich das nicht will, was sein gutes Recht ist, was ich nicht bestreite, und was Klaus-Peter Willsch gesagt hat bestreite ich in keiner Weise. Aber dass der Ausschuss funktionieren muss und der Ablauf funktionieren muss, das ist eigentlich selbstverständlich. Das muss dann jeder aber auch für sich selbst entscheiden. Man sollte das bitte nicht überbewerten und ich habe das nicht so gesehen, wie das jetzt dargestellt wird.
    Heinemann: Ihr Parteifreund Heribert Hirte, auch ein Neinsager, hat in der "Bild"-Zeitung gesagt, "Die Zahl derjenigen, die die Hilfe für Griechenland ablehnen werden, würde jetzt eher noch wachsen." Rechnen Sie auch mit 60 plus X?
    Fuchs: Das sind Spekulationen, die jetzt kommen. Es hängt ganz sicher davon ab, was denn jetzt heute rauskommt, und das ist für mich eine Frage des Ergebnisses. Wenn das Ergebnis zeigt, dass es einen Weg gibt, der gangbar ist, dann gehe ich auch davon aus, dass die große Mehrheit der Fraktion mitgeht. Aber wenn beispielsweise der IWF jetzt aus welchen Gründen auch immer nicht teilnimmt, dann sehe ich erhebliche Schwierigkeiten. Es ist wirklich eine Frage des Ergebnisses. Da kann man jetzt nicht spekulieren und ich bin da auch sehr vorsichtig.
    Heinemann: Erhebliche Schwierigkeiten bis zur Ablehnung?
    Fuchs: Das muss man dann abwarten. Das hängt wirklich von dem Ergebnis der Verhandlungen in Brüssel ab. Wenn das Ergebnis all das beinhaltet, was für uns Konditionen waren, dann gibt es ja keinen Grund abzulehnen. Aber wenn das nicht möglich ist, weil beispielsweise der IWF sich weigert, unter den jetzigen Bedingungen mitzumachen, und sagt, wir müssen erst einen Schuldenschnitt durchführen und und und, ja dann wird es schwierig.
    "In der letzten Zeit haben wir viel zu viel Tricksereien in Athen erlebt"
    Heinemann: Sind Drohungen eigentlich, um noch mal auf Kauder zurückzukommen, ein Zeichen von Stärke oder von Schwäche?
    Fuchs: Ach, ich habe das noch nicht mal so als Drohung verstanden. Ich bin der Meinung, das sollten wir nicht überbewerten. Bemerkungen, die in Sommerinterviews gemacht werden, sind halt eben Bemerkungen und man sollte das auch jetzt mal wirklich bei Seite schieben. Wichtig ist, dass heute ein vernünftiges Ergebnis in Brüssel zustande kommt, dem wir zustimmen können und dem wir zustimmen wollen. Wir wollen Griechenland im Euro halten. Aber das funktioniert nur, wenn A die Griechen mitspielen und nicht tricksen - in der letzten Zeit haben wir viel zu viel Tricksereien in Athen erlebt -, und wenn B dann aber auch alle Beteiligten mitmachen, also von ESM über IWF, EU und EZB. Dann könnte da was Vernünftiges bei rauskommen. Ich wünsche mir das.
    Heinemann: Herr Fuchs, ich muss Sie das fragen, pardon. Aber würden Sie, wenn Sie zustimmen, auch zustimmen aus Sorge um Ihren Job?
    Fuchs: Nein, in keiner Weise. Ich mache mir da auch keine Gedanken drüber. Ich stimme dann zu, wenn die Konditionen stimmen, aber nur dann.
    Heinemann: Michael Fuchs (CDU), der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Fuchs: Danke, Herr Heinemann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.