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Regen in der Sahelzone

Klima.- Die Sahelzone an der Südgrenze der Sahara sorgt regelmäßig durch große Dürren für Schlagzeilen. Doch es gibt dort auch sehr feuchte Jahre. Wie es zu den großen Schwankungen bei den Niederschlägen kommt, war bisher weitgehend unklar. Jetzt beschreiben britische und französische Forscher im Magazin "Nature Geoscience" eine neue Spur.

Von Lucian Haas | 14.06.2011
    Jahrelang schon jagt Christopher Taylor vom britischen Zentrum für Ökologie und Hydrologie den Regenwolken über der Sahelzone hinterher. Vom Flugzeug aus hat er die Entwicklung von Gewitterstürmen über Mali verfolgt und auch am Boden meteorologische Messkampagnen organisiert. Doch letztlich war es die Fernerkundung per Satellit, die ihm und seinem Team wichtige Hinweise lieferte:

    "Wir haben herausgefunden, dass die Feuchtigkeit des Bodens einen großen Einfluss darauf hat, wo sich die Gewitter entwickeln. Speziell die Grenzbereiche zwischen feuchtem und trockenem Boden sind entscheidend. Zum Beispiel ist am Rand der Regionen, auf die es am Vortag auf den ansonsten trockenen Boden geregnet hat, die Wahrscheinlichkeit doppelt so hoch, dass sich neue Gewitter entwickeln."

    Taylor wertete für die Jahre 2006 bis 2010 Daten von Wettersatelliten zu Temperatur, Bodenfeuchte und Wolkenbildung über der Sahelzone aus. Dabei zeigte sich, dass kleine lokale Unterschiede die Wetterentwicklung über großen Landstrichen stark beeinflussen.

    "Die Bodenfeuchte sorgt dafür, dass über feuchtem und über trockenem Boden unterschiedliche Temperaturen herrschen. Das ist wie mit den Temperaturunterschieden über dem Wasser und über dem Land in Küstengebieten."

    Die Temperaturdifferenzen führen dazu, dass Luft in Bewegung gerät – und zwar von kühleren feuchten zu benachbarten trockenen und deshalb wärmeren Zonen. Wo solche Ausgleichsströmungen zusammentreffen, wird die Luft zum Aufsteigen gezwungen.

    "Die Winde sind relativ schwach. Aber sie erzeugen so etwas wie einen Brennpunkt, über dem Wolken entstehen, in die Höhe wachsen und schließlich zu den 15 Kilometer hohen Wolkentürmen werden, aus denen dann der Regen fällt."

    Im Sahel sind das in der Regel riesige Gewitterverbände, die ganze Landstriche erfassen. Sie sorgen dort für rund 90 Prozent des Niederschlags. Doch ob es überhaupt zum großen Regen kommt, dafür sind häufig erst einmal lokale Schauer mitverantwortlich.

    "Wenn es in einem kleinen Gebiet von wenigen zehn Kilometern Ausmaß regnet, kann das dazu beitragen, dass sich an den Grenzen der feuchten Bereiche neue Gewitter bilden, die dann Hunderte Kilometer große Flächen mit Regen überziehen. So gesehen erzeugt ein kleiner feuchter Fleck am Folgetag ein großes Niederschlagsereignis."

    Bisher haben die Forscher diese Rückkopplung zwischen Boden und Atmosphäre nur für die Sahelzone nachgewiesen. Doch vermutlich prägen die gleichen Mechanismen der Wetterküche auch anderswo das Klima relativ trockener Regionen – zum Beispiel im Westen der USA oder in Australien.

    In Klimamodellen ist dieser Effekt bisher kaum erfasst. Die Berechnungen zeigen den Einfluss der Bodenfeuchte auf den Niederschlag nur in einem sehr groben Maßstab.

    "Die Klimamodelle beschreiben nicht die kleinräumigen Unterschiede der Bodenfeuchte. Unsere Studie zeigt aber: Entscheidend ist die Variation zwischen feuchten und trockenen Gebieten, nicht der übergreifende Bodenzustand."

    Auf Basis der neuen Erkenntnisse hoffen die Forscher, die Schwächen der Klimamodelle bei den Prognosen von Wolken und Regen etwas auszubügeln. Das könnte helfen zu erklären, wie es zu den großen Schwankungen bei den Niederschlägen im Sahel von Jahr zu Jahr kommt.
    Zudem werden nun genauere kurzfristige Wetterprognosen möglich.

    "Besonders wichtig ist das für den Blick auf das Wetter der nächsten Tage. Denn es gibt eine Grenze für die Vorhersagbarkeit des Regens jenseits eines Zeitrahmens von Wochen und Monaten. Wir haben es mit einem sehr chaotischen System und starken Rückkopplungen zu tun. Wir konnten aber zeigen, dass die Entwicklung der Gewitter vorhersehbarer ist, als angenommen. Es ist kein völlig zufälliger Prozess. Indem wir aus den Satellitendaten erkennen, wo der Boden feucht und wo er trocken ist, hoffen wir herauszufinden, wo die bevorzugten Auslösepunkte für neue Gewitterstürme liegen."