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Regenerative Medizin
Translationszentrum Leipzig vor dem Aus

Das Translationszentrum für Regenerative Medizin der Uni Leipzig blickt in eine ungewisse Zukunft. Vor neun Jahren wurde es als Einrichtung der Uni Leipzig gegründet, um neue Therapieformen zu entwickeln und in die klinische Praxis zu überführen. Doch das dauert offenbar länger, als Bund und Land lieb sind. Sie wollen nun die Förderung beenden.

Von Jennifer Stange | 01.07.2015
    Das Hauptgebäude des künftigen Translationszentrums für Regenerative Medizin (TRM) der Universität Leipzig, aufgenommen am Montag (04.04.2011)
    Standort des Translationszentrums für Regenerative Medizin der Universität Leipzig ist die frühere Frauenklinik der Hochschule (picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt)
    Eine Plakette auf der Fassade zeichnet die alte Frauenklinik in Leipzig aus als "ausgewählten Ort". Den Ehrentitel hat das Translationszentrum für Regenerative Medizin, kurz TRM, 2012 geholt, im bundesweiten Innovationswettbewerb "Land der Ideen" in der Kategorie Wissenschaft. Damals waren gerade alle 120 Wissenschaftler in das für rund 20 Millionen Euro sanierte Gebäude eingezogen. Heute ist es verdächtig still auf den Fluren. Zellbiologe Vuk Savkovic ist einer der wenigen, die man hier noch antrifft:
    "Mein Projekt ist Melanozytenentwicklung aus den Haarwurzeln. Das ist für die Therapie von Vitiligo. Das ist eine Pigmentierungsstörung, die Abwesenheit von dem Pigment Melanin, das ein natürlicher Schutz für die Haut ist. Bei dieser Störung entwickeln sich weiße Flecken an verschiedenen Stellen am Körper."
    Die Betroffenen leiden unter erhöhter Lichtempfindlichkeit der Haut und oft auch an psychosomatischen Begleitproblemen der Krankheit. Savkovic forscht an einer Heilmethode: Melaninzellen sollen aus Haarwurzelzellen gewonnen und dann an die entsprechenden Stellen verpflanzt werden.
    "Wir befinden uns in der präklinischen Phase. Wir haben unseren Nachweis des Konzeptes im Labor bereits hinter uns. Und jetzt testen wir unser Produkt auf Unbedenklichkeit, Funktionalität und Stabilität. Hieße, dass unsere Transplantate nach der Transplantation Melanin herstellen, dass sie stabil sind und dass diese Zellen nicht aus dem Transplantat auswandern. Das kommt vor der klinischen Phase. Dafür brauchen wir noch gute zwei Jahre."
    Die Zeit wird knapp
    Zeit, die er wohl nicht bekommt. Denn die Forschungseinrichtung steht vor dem Aus. Das Geld ist alle - bei einem der größten Drittmittelprojekte der Universität Leipzig. Rund 70 Millionen Euro haben das Land Sachsen und - als größter Geldgeber - das Bundesministerium für Bildung und Forschung in den vergangenen sechs Jahren in das Translationszentrum gesteckt. Ende Juni lief die Bundesförderung aus - und in Berlin denkt man nicht daran, sie zu verlängern. Warum? Kurz und knapp antwortet das Ministerium auf diese Frage schriftlich:
    "Das Bundesforschungsministerium hat eine weitere Förderperiode stets davon abhängig gemacht, dass die Universität Leipzig ein überzeugendes, inhaltlich, strukturell und finanziell tragfähiges Verstetigungskonzept für die Zeit nach Auslaufen der Bundesförderung vorlegt. Diese Voraussetzungen hat das vorgelegte Konzept nicht erfüllt."
    Matthias Schwarz, der Prorektor für Forschung der Uni Leipzig, will diese Kritik so nicht stehen lassen. Er sagt, die Erwartung des Bundesforschungsministeriums, die Einrichtung könne sich schon bald überwiegend aus eigener Kraft über Wasser halten, seien einfach unrealistisch:
    "Verwertung von Ergebnissen mit wirtschaftlicher Tätigkeit, Auslagerung, Ausgliederung von Firmen, Verwertung von Patenten. All das kann nicht in so einer Größenordnung erbracht werden, dass es den weitaus größten Teil der Finanzierung darstellen kann."
    Während die Forscher in den Zelllabors laut Schwarz beachtliche Erfolge erzielt haben, hakt es bei der Translation, der Umwandlung von Ergebnissen in Therapien und Produkte für den klinischen Alltag.
    Zu den Ursachen möchte der scheidende Direktor Frank Emmrich offenbar nicht Stellung nehmen, er hat das sinkende Schiff verlassen und reagiert nicht auf Anfragen. Michael Cross, seit April neuer Forschungsdirektor, erklärt die Schwierigkeiten beim Einwerben von Drittmitteln so:
    "Also man muss erst mal jemanden mit Geld finden und zweitens überzeugen, dass diese Idee machbar ist und gut ist. Und natürlich am Ende, dass es einen Markt gibt, dass es eine Nachfrage gibt, und das ist besonders in einem neuen Feld, regenerative Medizin, manchmal ein Problem. Weil: Wir entwickeln Produkte, die es nie gab."
    Sponsoren braucht ein Produkt aber schon in der Entwicklung. Hier sind auch die Forscher gefragt. Haben die sich nicht ausreichend gekümmert? Projektleiter Savkovic widerspricht vehement, man habe sich sehr wohl ordentlich ins Zeug geleget:
    "Die Schwierigkeit, die jedes Projekt trifft, ist die große Investition bei der klinischen Testphase. Das ist in der Regel etwas, was zu viel kostet, als dass es von dem public funding bezahlt werden kann. Das heißt, man braucht große Partner."
    Förderer verlieren die Geduld
    Immerhin, die potenziellen Partner für Savkovics Projekt sind da. Allerdings hinkt die Entwicklung dem ursprünglichen Zeitplan um mehrere Jahre hinterher. Ein Problem, das viele Projekte am Translationszentrum haben. Prorektor Schwarz nimmt die Forscher in Schutz:
    "Es wurde ein sehr straffes System in einem Gesamtzeitraum von sechs Jahren anvisiert in drei Stufen: konzeptionelle Forschung zwei Jahre, dann eine präklinische Stufe zwei Jahre und zum Schluss, zum Erreichen der wirtschaftlichen Verwertbarkeit, die klinische Stufe auch noch mal zwei Jahre. Und es ist ganz deutlich zu sehen, dass dies viel zu optimistisch war."
    Enttäuschung ist das Ergebnis überzogener Erwartungen. Denen sind wohl nicht nur die Universität, sondern auch die Projektträger, Bund und Land aufgesessen. Die Hochschule hatte das Konzept zwischenzeitlich korrigiert, die Entwicklungsphasen verlängert und deutlichere Schwerpunkte gesetzt. Der Bund lehnte den Plan ab. Mit dem Land Sachsen wird nun darüber weiter verhandelt, was vom Translationszentrum Leipzig künftig noch übrig bleiben wird.